Wetterleuchten an Chinas Bondmarkt
Von Norbert Hellmann, SchanghaiEine Reihe von Zahlungsausfällen auf Anleihen staatskontrollierter chinesischer Unternehmensemittenten verbreitet Schockwellen im chinesischen Bondmarkt. Es wachsen Bedenken über die tatsächliche Bonität von hoch verschuldeten, aber seitens chinesischer Ratingfirmen mit “AAA” benoteten Papieren. Damit könnte sich im weltweit zweitgrößten Bondmarkt ein Gewitter unbekannten Ausmaßes ankündigen. Erste Blitze zuckenIn der Ferne zumindest zucken erste Blitze, die bei Anlegern Misstrauen hinsichtlich der Bonität von Bondemittenten wecken, hinter denen als direkte oder indirekte Eigner chinesische Lokal- und Provinzregierungen stecken. Dieser Status verschafft den Papieren mit Blick auf eine implizite staatliche Garantie in der Regel eine Top-Ratingnote, doch stellt sich mittlerweile heraus, dass es reichlich klamme Emittenten gibt, denen die öffentlich-rechtlichen Träger nicht mehr ohne Weiteres unter die Arme greifen können oder wollen.Zwar haben sich die chinesischen Anleger daran gewöhnt, dass es seit Mitte der vergangenen Dekade zu steigenden Zahlungsausfällen (Default) von Corporate-Bond-Emittenten gekommen ist. In den vergangenen beiden Jahren summierten sich die Bondausfälle jeweils auf mehr als 100 Mrd. Yuan (13 Mrd. Euro). Auch in diesem Jahr liegt man bereits bei 104 Mrd. Yuan (siehe Grafik). Bislang allerdings standen dabei Corporate Bonds von staatskontrollierten Firmen und Investmentvehikeln kaum im Fokus. So gingen Marktteilnehmer in der Regel fest davon aus, dass zumindest für diese Emittenten eine Auffang- oder Restrukturierungslösung gefunden würde, die Schaden von den Investoren abwendet.Seit Mitte November jedoch ist eine auffällige Häufung bei Default-Ankündigungen von staatlichen Unternehmen aus bislang für unbedenklich gehaltenen Sektoren sichtbar, für die sich bislang keine stützenden Eingriffe von Lokalregierungsträgern abzeichnen. Den Anfang der unheimlichen Serie hat der Bergbau- und Energiekonzern Yongcheng Coal & Electricity Holding Group gemacht, als er für ein insgesamt 1 Mrd. Yuan (130 Mill. Euro) schweres Commercial Paper den Zins- und Tilgungsdienst ausfallen ließ.Yongcheng wird von der Provinzregierung in Henan kontrolliert und ist bislang fast wie selbstverständlich mit einem AAA-Rating versehen worden. Der Bergbaukonzern galt bislang als Adresse, die niemand als Wackelkandidat auf dem Zettel hatte, zumal er recht stattliche Barreserven ausgewiesen hatte, die sich nun allerdings eventuell als fingiert herausstellen könnten. Entsprechend führte die Nachricht der laufenden Zahlungsunfähigkeit am Markt zu regelrechten Panikverkäufen, die den Kurs der Anleihen zeitweise um zu 90 % haben einbrechen lassen. BMW-Partner in der KlemmeWährend man Yongcheng noch als bedauerlichen Einzelfall hätte abtun können, sorgt eine Reihe von weiteren Zahlungsausfällen relativ prominenter Bondemittenten für eine Verbreitung von Schockwellen. So ist beispielsweise Huachen Automotive, die staatliche Mutterholding des Autobauers Brilliance, des führenden Joint-Venture-Partners von BMW, in die Klemme geraten. Huachen sah sich zuletzt nicht in der Lage, eine 1 Mrd. Yuan schwere Anleihe zu bedienen. Bei Huachen ist bereits ein gerichtliches Restrukturierungsverfahren lanciert worden, was als Vorstufe eines möglichen Konkurses gilt. Insgesamt hat Huachen noch Bonds in einem Volumen von 17,2 Mrd. Yuan ausstehen. Prestigeträger droht PleiteDritter im Bunde der potenziellen Pleitegeier ist das bislang als über alle Zweifel erhaben geltende Hightech-Konglomerat Tsinghua Unigroup, das sich vor allem im vielversprechenden Halbleitersektor tummelt. Die der prestigereichen, in der Hauptstadt Peking angesiedelten Eliteuniversität Tsinghua entwachsene Gesellschaft ist geradezu eine der Speerspitzen bei Chinas staatlich orchestrierter Aufholjagd im Mikrochipbereich und damit nach chinesischer Ratingdenkweise praktisch schon zwangsläufig ein AAA-Kandidat. Kürzlich aber kam es nach dem Scheitern eines Tilgungsstreckungsantrags zum Default auf eine Anleihe über 1,3 Mrd. Yuan.Am chinesischen Bondmarkt beginnt nun das große Zittern. Dutzende von staatskontrollierten Bond-Emittenten mit AAA-Rating werden als potenzielle neue Wackelkandidaten angesehen und am Markt abverkauft. Zuletzt haben Emittenten wie Pingdingshang Coal Mining, Jizhong Energy, Tianjin Teda und Yunnan Tourism Kurseinbrüche um bis zu 20 % hinnehmen müssen, ohne dass von ihnen irgendwelche Signale über Zahlungsschwierigkeiten ausgegangen wären. Dennoch befürchten die Anleger, dass die zuletzt offenbar gewordenen Defaults nur die Spitze eines Eisbergs sein dürften. Damit gerät auch das Neuemissionsgeschäft aus den Angeln. Seit Mitte des laufenden Monats haben mehr als 25 Unternehmen geplante Bondbegebungen mit dem Verweis auf aktuelle Marktturbulenzen vorerst wieder zurückgestellt.