DEVISENWOCHE

Wie weit trägt die Dollar-Stärke?

Eugen Keller *) Börsen-Zeitung, 1.5.2018 Totgesagte leben länger! Plötzlich scheint dem Greenback neues Leben eingehaucht worden zu sein. Die US-Devise präsentiert sich in den vergangenen beiden Wochen von ihrer starken Seite. In der Liste der...

Wie weit trägt die Dollar-Stärke?

Eugen Keller *)Totgesagte leben länger! Plötzlich scheint dem Greenback neues Leben eingehaucht worden zu sein. Die US-Devise präsentiert sich in den vergangenen beiden Wochen von ihrer starken Seite. In der Liste der Haupthandelswährungen liegt seit dem 17. April – dem Zeitpunkt, an dem der Dollar-Index zur Kehrtwende angesetzt hat – keine andere Devise im Plus. Hauptverlierer waren zuletzt die Währungen des Dollar-Blocks und Sterling, bei denen sich das Minus innerhalb von zehn Handelstagen auf zwischen 2,4 und 3,9 % beläuft.Die deutlich steigenden US-Renditen waren wohl der Hauptauslöser für die Dollar-Erholung – immerhin standen wir im zehnjährigen Bereich innerhalb von nur einer Woche knapp 20 BP höher und somit erneut über der magischen Drei-Prozent-Marke. Die Fed-Fund-Futures preisen bisher zwar nur weiter insgesamt drei Zinsschritte für das laufende Jahr ein, doch wird vielleicht schon bald auch hier die vierte Anhebung impliziert – selbst wenn die 5y5y-Inflation-Forwards noch nicht wirklich nachhaltig höher tendieren. Der Dollar-Index ist vor diesem Hintergrund aus der seit Mitte Januar intakten Seitwärtsrange nach oben ausgebrochen – allerdings wartet im Bereich von 92 Punkten nun erst einmal ein etwas stärkerer Widerstand in Form der 200-Tage-Linie. Zudem muss sich zeigen, ob der Ausflug der Treasury-Renditen über 3 % der Anfang von einem neuen Trend sein könnte – was allerdings nicht unserem Hauptszenario entspricht. Nichtsdestotrotz kann die US-Notenbank in dieser Woche positive Nachrichten verkünden: Das Wachstum ist im ersten Quartal nicht eingebrochen, die Kerninflation hat im März schon wieder das Inflationsziel von 2,0 % erreicht, und es herrscht wieder Vollbeschäftigung. Damit hat die Fed ihren Auftrag für die Gesamtwirtschaft erfüllt. Nach Berechnungen unserer Volkswirte müsste der Leitzins eigentlich schon jetzt bei ca. 3,25 % rangieren; tatsächlich liegt er aber immer noch bei nur 1,625 %. Das derzeit niedrige Leitzinsniveau ist eine Folge der ultralockeren Geldpolitik der vergangenen Jahre, da die amerikanische Notenbank nur einen sehr langsamen Exit vollziehen kann, ohne größere Finanzmarktturbulenzen auszulösen. Angesichts weiter steigender Energiepreise und anziehender Inflationserwartungen sind die Sorgen um eine stärkere Verspannung an der Preisfront wieder zurück auf der Agenda. Nicht zuletzt, da nicht nur die USA und Großbritannien, sondern auch einige Länder Europas und Japan Vollbeschäftigung erreichen und stärker steigende Löhne die Lage an der Inflationsfront noch verschärfen. Das lässt die Frage aufkommen, ob die Fed, falls die Inflation deutlich über das Ziel hinausschießt, nicht mehr tun muss. Unserer Meinung nach wird die US-Notenbank jedoch an ihrer vorsichtigen Exit-Strategie festhalten, auch wenn die US-Headline-Inflation im Frühsommer basisbedingt die Marke von 3 % streifen dürfte. Richten wir den Blick auf die Erwartungen für den weiteren Zinsverlauf, so fällt auf, dass die Finanzmarktakteure derzeit das Ende des aktuellen Anhebungszyklus bei 2,75 % erwarten. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 erreichte die Fed Funds Target Rate noch ein Niveau von 6,5 % und 2006 von 5,25 %. Neben der noch immer sehr moderaten Kerninflation trägt sicher auch der hohe Schuldenstand zur Erwartung eines nur moderaten Zinsanstiegs bei. In einem Umfeld rekordhoher Staatsschulden kann der Leitzins nur begrenzt steigen, ohne eine Schuldenkrise auszulösen. Erschwerend kommt die enorme Mittelaufnahme hinzu, die den USA angesichts ihrer expansiven Fiskalpolitik in den nächsten Jahren bevorsteht. Bei einem geschätzten Budgetdefizit von ca. 850 Mrd. Dollar und Fälligkeiten in Staatspapieren von 1 187 Mrd. Dollar sowie einer angestrebten Bilanzverkürzung der Fed von 420 Mrd. Dollar gilt es alleine in diesem Jahr ein Volumen von 2 457 Mrd. Dollar zu refinanzieren. Keine Kleinigkeit und eine potenzielle Achillesferse für den Dollar.Ein Punkt, der die jüngste Erholung noch etwas länger am Leben erhalten dürfte, ist die Positionierung der Anleger. Gegenüber der Einheitswährung sind die spekulativen Marktteilnehmer noch immer in hohem Maße netto long positioniert. Zum Dollar nehmen sie hingegen eine deutlich vorsichtigere Position ein, sprich sie sind bereits leicht netto short positioniert. Aus dieser Konstellation könnte sich vor allem für Euro/Dollar weiteres Abwärtspotenzial ergeben, sollten sich die ersten Investoren genötigt sehen, ihre Positionen – oder zumindest Teile davon – aufzulösen. Belastend für die Gemeinschaftswährung muss zudem eingeräumt werden, dass die “römischen Risiken” keinesfalls vom Tisch sind und die EWU-Konjunktur zuletzt deutlich an Schwung eingebüßt hat. Obwohl es nicht opportun ist, angesichts der jüngsten Schwäche bei Ifo, Sentix, ZEW & Co. sofort einen Konjunktureinbruch auszurufen, gilt es die Entwicklung doch genau zu beobachten. Insgesamt zeigt sich die übergeordnete Gemengelage noch relativ ausgeglichen. Vor dem Hintergrund anhaltender geopolitischer Risiken und der Unsicherheit im Zusammenhang mit der Person Donald Trump sowie hoher US-Handels- und Leistungsbilanzdefizite sollten die unterstützenden Faktoren für den Greenback nicht überbewertet werden. Wir müssen aber auch konstatieren, dass sich das Marktsentiment innerhalb eines nur kurzen Zeitraumes nachhaltig ändern kann. Anleger, die Dollar-short positioniert sind, sollten zumindest die Augen offen halten. Mit Blick auf unsere Euro/Dollar-Währungsprognose hält sich die Fantasie für eine nachhaltige Dollar-Erholung jedoch in engen Grenzen. Wenn überhaupt, halten wir ein Verlassen der Trading-Range 1,15 bis 1,26 Dollar nur kurzfristig für wahrscheinlich.—-*) Der Autor arbeitet als Leiter der Devisen- und Rentenmarktstrategie beim Bankhaus Metzler in Frankfurt.