IM INTERVIEW: WEN LI UND MATTHIAS HELLSTERN, MOODY'S

"Wir erwarten von den High-Yieldern mehr Emissionen"

Die Analysten prognostizieren stabile Bonitäten im Investment-Grade-Universum - Investoren werden konservativer und agieren selektiver

"Wir erwarten von den High-Yieldern mehr Emissionen"

Die beiden Credit-Analysten Wen Li und Matthias Hellstern von Moody’s gehen davon aus, dass die großen deutschen Unternehmen am Bondmarkt eine stabile Emissionstätigkeit in diesem Jahr zeigen werden. Verstärkte Emissionen erwarten sie von den High-Yieldern.- Frau Li und Herr Hellstern, in den vergangenen Jahren haben immer mehr deutsche Unternehmen auf den Anleihemarkt als Refinanzierungskanal gesetzt. Hat sich dieser Trend 2015 noch intensiviert, und was erwarten Sie für 2016 in dieser Hinsicht?Li: 2015 sind insbesondere große deutsche Firmen am Bondmarkt aktiv gewesen. Wir erwarten, dass es in dieser Hinsicht stabil bleiben wird oder es ein leichtes Wachstum gibt. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen niedrig bleiben und die Firmen deshalb günstige Finanzierungskonditionen am Markt vorfinden werden. Allerdings gibt es bezüglich der makroökonomischen Entwicklung in Europa und auch weltweit Unsicherheiten. Die Investoren werden deshalb zunehmend konservativer und selektiver agieren und vor diesem Hintergrund eher in gute Bonitäten investieren.- Hat sich der Trend zu einer stärkeren marktorientierten Finanzierung durch die niedrigen oder immer weiter fallenden Marktzinsen verstärkt?Li: Hierbei muss nach großen und kleineren Firmen differenziert werden. Bei den großen Unternehmen stellen wir fest, dass sie eher auf den Bondmarkt und weniger auf die Refinanzierung über die Banken setzen. Für sie sind die Bondmarktrenditen damit entscheidend. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Investoren konservativer und selektiver geworden sind und eher in die großen Namen mit guten Bonitäten investieren. Für die kleineren Unternehmen und solche mit schlechteren Ratings ist es seit Sommer 2015 schwieriger geworden, einen Zugang zum Bondmarkt zu bekommen. Sie setzen deshalb auf eine Mischung von Bank und Anleihefinanzierung. Es ist auch eine Frage der Liquidität des Bondmarktes. Großvolumige Anleihen mit entsprechender Liquidität kommen tendenziell eher von großen Unternehmen.- Wie haben sich 2015 die Strukturen der Bondemissionen, also die Anzahl von Deals und die durchschnittliche Transaktionsgröße, entwickelt?Li: Es gab insgesamt weniger Deals, aber die durchschnittliche Transaktionsgröße hat sich erhöht. Das durchschnittliche Volumen der Deals hat sich praktisch verdoppelt. Tendenziell kamen von großen Unternehmen auch großvolumigere Anleihen und kleinere Deals eher von kleineren Firmen. Der Markt hat aber auch mehr Megadeals gesehen.- Aufgrund der Suche der Anleger nach Rendite war über Jahre der Trend zu immer längeren Laufzeiten und schlechteren Ratings zu beobachten, damit noch der Rendite-Pick-up erzielt werden konnte. Hat sich in diesem Investorenverhalten etwas geändert, und was erwarten Sie für 2016?Hellstern: Das hat sich geändert. Debütemittenten hat es im zweiten Halbjahr 2015 praktisch überhaupt nicht mehr gegeben. Dieses Segment ist fast vollständig eingetrocknet. Mit einer abnehmenden Sekundärmarktliquidität wird auch die Tendenz der Investoren, selektiver zu werden, verstärkt. Viele Investoren haben die Befürchtung, dass sie wegen der geringeren Liquidität aus Bonds nicht mehr herauskommen. Wir gehen davon aus, dass die schlechteren Risiken teurer werden. Dieser Trend sollte sich 2016 fortsetzen.- Mit welchem Emissionsvolumen rechnen Sie 2016 von deutschen Firmen?Li: Wir erwarten eine stabile bis leicht erhöhte Emissionstätigkeit und gehen von einem Volumen in der Größenordnung von 80 Mrd. Euro aus.- Welche Fälligkeiten stehen an?Hellstern: In diesem Jahr laufen Anleihen über 55 Mrd. Euro aus. 2017 werden Bonds über 64 Mrd. Euro fällig. Das muss refinanziert werden. Des Weiteren kommt es aber auch noch auf die M & A-Tätigkeit an und wie viel bei diesen Transaktionen über den Bondmarkt finanziert werden muss. Darüber hinaus gibt es auch immer wieder Unternehmen, die ihr Funding diversifizieren und bei dem Trend zur Disintermediation dann verstärkt auf den Bondmarkt setzen.- Wie schätzen Sie die Emissionstätigkeit auf europäischer Ebene ein?Li: Nach dem Rekordjahr 2014 konnten wir in 2015 auf dem High-Yield-Markt in Europa schon einen Rückgang der Emissionstätigkeit feststellen, insbesondere infolge niedrigerer Buy-outs. 2016 erwarten wir ein stabiles Volumen verglichen mit dem Jahr 2015. Die Zinsen werden am Markt niedrig bleiben. Aber es gibt Unsicherheiten bezüglich der ökonomischen Entwicklung in China und der Entwicklung an den Rohstoffmärkten.Hellstern: Eine stärkere Emissionstätigkeit erwarten wir bei den handelbaren Bankkrediten – sogenannte Term Loan B -, die keine öffentlichen Ratings aufweisen. Hier agieren Manager von Collateralized Loan Obligations. Dieses Segment scheint recht gut zu funktionieren.- Welche Branchen werden am stärksten emittieren, welche werden eher unterdurchschnittlich repräsentiert sein?Li: Die Automobilproduzenten werden den Markt traditionell dominieren. Bei den anderen Branchen ist die Emissionstätigkeit und damit auch das Volumen von den M & A-Aktivitäten abhängig. Im Pharmabereich sehen wir eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für M & A-Aktivitäten. Der Rohstoffsektor und die Metall- und Minenunternehmen werden nicht so stark vertreten sein, denn sie müssen ihre Verschuldung zurückfahren.Hellstern: Bezüglich der Autoproduzenten gibt es auch noch den Sonderaspekt VW. Das Unternehmen ist seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals bislang noch mit keinen Emissionen aufgewartet. Hier stellt sich die Frage, wie VW an den Markt zurückkommen will. Dann sehen wir hier aber auch einen Nachholeffekt.- Wie schätzen Sie die Perspektiven des deutschen High-Yield-Marktes ein im Hinblick auf Emissionsvolumina und Investorenakzeptanz?Li: Wir erwarten von den High-Yieldern mehr Emissionen. Das wird von den großen bekannten Namen mit einem Rating im “Ba”-Bereich getrieben sein, ähnlich wie 2015, als Schäffler und ZF Friedrichshafen sehr aktiv waren. Bei den Single-B-Adressen ist es davon abhängig, ob sich Marktfenster öffnen und es damit Opportunitäten für günstige Emission gibt.- Von welcher Bonitätsentwicklung gehen sie bei den deutschen Investment-Grade- und High-Yield-Namen aus?Hellstern: Im Investment-Grade-Universum gehen wir von stabilen Bonitäten aus. Im High-Yield-Bereich hat es 2013/2014 und teilweise auch noch 2015 einen Boom gegeben. Für viele Firmen wird das Umfeld am Markt aber nun schwieriger. Hier könnten wir durchaus die eine oder andere Herabstufung sehen. Ende 2015 gab es schon einige Ausfälle. Dabei handelte es sich um Distressed Exchanges, bei denen Investoren auf einen Teil ihres Kapitals verzichten mussten und in dieser Form Ausfälle hatten. Das geschieht dann, wenn Emittenten etwa ihre Anleihen unter pari zurückkaufen. Das haben wir zum Beispiel beim Waffenproduzenten Heckler & Koch gesehen oder, außerhalb von Deutschland, bei dem britischen Betreiber von Alten- und Behindertenheimen Four Seasons oder dem Stahlkabelhersteller Bridon. Die spanische Baufirma Abengoa, die Bonds und Notes im Umfang von 4 Mrd. Euro ausstehen hat, stellte ihren Schuldendienst ein. Diese Fälle traten im vierten Quartal auf, und wir gehen davon aus, dass sich das im laufenden Jahr fortsetzen wird. Insbesondere im Mining-Sektor und den Öl-/Gasfirmen rechnen wir mit solchen Distressed Exchanges vor allem im “B”-Ratingbereich.- Welche Default-Entwicklung erwarten Sie in beiden Segmenten?Hellstern: Im Investment-Grade-Bereich erwarten wir keine Ausfälle. Bei den High-Yieldern hat es bereits im vierten Quartal 2015 einen Anstieg der Ausfälle gegeben. Das wird sich wohl fortsetzen. Aber wir werden das Niveau von 2009 wohl kaum erreichen, als die Ausfallrate in Europa bei 6,7 % lag. Während 2015 stieg diese Rate bereits an von 2,2 % auf jetzt 3,4 %, und wird voraussichtlich auf diesem erhöhten Niveau bleiben.- Welche Spread-Entwicklung prognostizieren Sie für beide Segmente?Hellstern: Im Investment-Grade-Bereich erwarten wir stabile Spreads. Bei den High-Yieldern gehen wir von einer erhöhten Volatilität aus und erwarten 2016 per saldo leichte Spread-Ausweitungen. Die Anleger differenzieren heute stärker zwischen den einzelnen Risikoklassen. Das hat sich im Vergleich zur Situation vor zwei oder drei Jahren verändert. Wir gehen davon aus, dass das so bleiben wird.- Inwiefern wird der Markt in diesem Jahr durch das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), also die damit einhergehenden Verdrängungseffekte, beeinflusst?Hellstern: Wir sehen bei den Corporate Bonds keinen direkten Einfluss, da die EZB hier bekanntermaßen nicht direkt kauft. Es gibt nur einen indirekten Einfluss. Die Banken sind liquider und können deshalb mehr langfristige Kredite vergeben. Manche Unternehmen ziehen sich vom Bondmarkt zurück, weil sie eben leichter einen Bankkredit erhalten können.- Rechnen Sie damit, dass die EZB auch noch Unternehmensanleihen kaufen wird? Staatsnahe Corporate Bonds wie etwa die von Infrastrukturunternehmen werden ja schon gekauft?Hellstern: Das können wir nicht abschätzen. Unter Liquiditätsgesichtspunkten für den Anleihemarkt im Investment-Grade-Bereich bedarf es keiner Aktivitäten der EZB.- Wie hat sich denn die Liquidität der Corporate Bonds durch das Anleihekaufprogramm der EZB entwickelt?Hellstern: Die Liquidität war bei deutschen Corporate Bonds nie ein Problem. Der Markt ist ausgesprochen liquide. Wir sehen in dieser Hinsicht keinerlei Auswirkungen oder Veränderungen.—-Das Interview führte Kai Johannsen.