Im InterviewBert Flossbach

„Wir haben einen Put auf den S&P 500 gekauft“

Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert Bert Flossbach, warum ihn ein neuerlicher Rückschlag an den Aktienmärkten nicht überraschen würde, was er an Berkshire und der Deutschen Börse schätzt und warum er in Daimler und BMW investiert. Gold sorge für Sicherheit im Fonds. Und aufhören als Fondslenker will Flossbach noch lange nicht.

„Wir haben einen Put auf den S&P 500 gekauft“

Herr Flossbach, wir hatten Anfang August eine deutliche Korrektur bei Big Tech. Nun haben wir den Rückschlag fast aufgeholt. War es das jetzt oder droht ein neuerlicher Einbruch?

Die Märkte haben sich erstaunlich schnell erholt nach dem Absacker; zuvor sind sie lange Zeit ohne Unterbrechung gestiegen. Die Bewertungen sind teilweise ambitioniert, vor allem die von Big Tech; die Erwartungshaltungshaltung ist hoch, während die Volatilität wieder deutlich gesunken ist. Ein neuerlicher Rückschlag würde mich deshalb nicht überraschen.

Wie reagieren Sie darauf in Ihrem vermögensverwaltenden Fonds?

Wir halten zwar weiterhin eine Aktienquote von knapp 70%, haben aber kürzlich einen Put auf den S&P 500 gekauft. Sollte der Markt deutlich zurücksetzen, wird die Absicherung spürbar helfen. Falls nicht, sind die Kosten im Rahmen.

Trägt die KI-Euphorie nicht mehr?

Natürlich beflügelt KI die Aktien von Nvidia und anderen Tech-Konzernen – das kann auch noch eine Weile so weitergehen. Aber: Die Aktienkurse haben schon sehr viel des potenziellen Wachstums vorweggenommen, insbesondere im Falle Nvidias. Allzu viel darf da künftig nicht schiefgehen. Big Tech ist nicht preiswert. Wichtig sind für uns beim Investieren die Qualität eines Unternehmens, insbesondere auch die Qualität des Managements, und die Bewertung. Wenn die beste aller Welten schon eingepreist ist, bleibt nicht mehr viel Luft nach oben.

Und wie steht es in Sachen Qualität bei Big Tech?

Die stimmt. Die großen Tech-Unternehmen sind fast alle hervorragend geführte Unternehmen, das gilt nicht zuletzt für Nvidia.

Wie beurteilen Sie Microsoft und Apple?

Wenn man das Geschäftsmodell in der Breite betrachtet, insbesondere das Cloud-Geschäft, dann ist Microsoft sicherlich der Anker unter den Tech-Werten. Das müssen Sie als Investor aber auch bezahlen – auf Sicht der nächsten zwölf Monate mit dem 32-Fachen des Gewinns. Das ist recht üppig. Ähnliches gilt für Apple. Auch hier haben wir eine sehr breite Kundschaft und ein breites, großes Ökosystem. Und auch bei Apple liegt die Bewertung bei mehr als 30.

Sind Sie in Ihrem rund 25 Mrd. Euro schweren Mischfonds Multiple Opportunities in Big Tech unterinvestiert?

Die Frage ist, woran man eine sogenannte Untergewichtung misst. Im Vergleich zu kapitalgewichteten Indizes wie dem S&P 500 oder dem MSCI World sind wir nicht so hoch in Big Tech investiert. Nur werden diese Indizes aber auch von Big Tech dominiert. Viele klassische Investoren, die aktiv Aktien auswählen und nicht primär auf die Indexgewichtung gucken, sondern auf die jeweiligen Firmen und deren Geschäftsmodell, haben derzeit eher das, was man im Branchenjargon Untergewichtung nennt.

Sie investieren auch in kleinere Tech-Aktien?

Ja, wenn Qualität und Bewertung stimmen. Denn es gibt ein paar Werte, die auch in dem Dunstkreis von KI mitlaufen. Ein Titel ist zum Beispiel Amphenol, zwar mit 80 Mrd. Dollar Börsenwert kein wirklich kleines Unternehmen, in Relation zu den zuvor genannten aber schon.

Welche Risiken birgt Big Tech noch?

Abgesehen von den hohen Bewertungen ist es die Regulierung. Das Risiko von Kartellklagen oder von Kartellauflagen schwebt über diesen Titeln. Apple oder Alphabet sind gute Beispiele dafür. Das ist im Übrigen auch einer der Gründe, warum Alphabet von den großen Werten am niedrigsten bewertet ist.

Was ist denn derzeit attraktiver, US-Titel oder europäische Aktien?

Wir kommen weniger über die Region, sondern vielmehr über die spezifischen Unternehmen, die wir uns genau anschauen. Insofern stellen wir uns die Frage nicht, zumindest nicht zuallererst. Würden wir, obwohl der Vergleich hinkt, Big Tech aus den USA vergleichen mit „Big Tech“ aus Europa, dann stellen wir fest, dass auch ASML oder SAP relativ hoch bewertet sind.

Aber in Europa und Deutschland gibt es auch extrem niedrig bewertete Aktien?

Wenn man allein auf das KGV guckt, ist das in einigen Fällen auffällig; nehmen wir die drei großen Autohersteller aus Deutschland: Deren Multiples liegen zwischen dreieinhalb und fünf – das drückt logischerweise die Bewertung des gesamten Index. Was aber noch nicht heißen muss, dass diese Aktien wegen ihrer aktuellen Bewertungen ein „No Brainer“ sind.

Der Dax liegt knapp unter 19.000 Punkten, nahe seinem Allzeithoch. Wird der Dax seinen Höhenflug fortsetzen? Und sehen wir die Marke von 20.000 Punkten?

Der Dax wird sicher auf 20.000 Punkte klettern, die Frage ist nur wann. Er wird auch irgendwann auf 100.000 Punkte steigen. Wobei wir zwei das vermutlich nicht mehr erleben werden.

Warum halten Sie BMW und Mercedes als Top-Positionen im Fonds?

Bei BMW und Mercedes sieht der Markt meiner Meinung nach momentan das Glas eher halb leer als halb voll. Themen sind hier sind die Transformation zur E-Mobilität und China. BMW und Mercedes sind beide gut geführte Unternehmen, die einen hohen Cashflow erwirtschaften und üppige Dividenden zahlen. Letzteres muss man bei der langfristigen Performance-Betrachtung berücksichtigen und nicht allein auf den Aktienkurs schauen.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Top-Position Berkshire Hathaway?

Die hervorragende Kapitalallokation. Ich fand es gut, dass Warren Buffett bei Apple ein paar Chips vom Tisch genommen hat. Das ist sehr smart gewesen. Die Position ist immer noch riesig, aber nicht mehr so eklatant dominant, wie sie vorher war. Und Buffett hat mit Apple bereits sehr viel Geld verdient.

Warum sind Sie stark in der Deutschen Börse investiert?

Wir sind schon lange investiert. Die Deutsche Börse bietet unseres Erachtens ein gutes Risk-Reward-Profil. Sie ist sehr breit aufgestellt. Man könnte fast sagen, das Geschäftsmodell, so wie es jetzt dasteht, erfüllt eines der Postulate, die Buffett immer gerne bringt: Es sollte idiotensicher sein! Die Aktie hat die angenehme Eigenschaft, dass sie in Zeiten, in denen es am Markt turbulent zugeht, tendenziell gut läuft, weil dann logischerweise die Handelsvolumina steigen. Dazu kommt, dass die Bewertung in den vergangenen Jahren zu keinem Zeitpunkt besonders hoch war.

Jetzt ist ein neuer Chef angetreten.

Theo Weimer hat das Unternehmen sehr gut geführt! Inwieweit Stephan Leithner die Erfolgsgeschichte fortschreiben wird, müssen wir sehen. Wir werden sicherlich das Gespräch suchen und uns ein Bild machen.

Ist der Kapitän für eine Aktie wichtig?

Für uns ist der CEO extrem wichtig. Bei Adidas beispielsweise haben wir investiert, weil wir Bjørn Gulden schon lange zuvor kannten. Wir haben also in dem Falle den „Kapitän gekauft“. Für die Qualität eines Unternehmens spielt die Führung eine entscheidende Rolle. Daher sprechen wir regelmäßig mit den Unternehmen. Uns kommt zugute, dass wir angesichts der mittlerweile erreichten Größe Zugang zu den allermeisten Vorständen haben.

Bei welchen Aktien haben Sie zuletzt Positionen aufgebaut und wo haben Sie abgebaut?

Wir haben ein paar Sondersituationen mitgenommen, wie zum Beispiel bei Starbucks. Dort hatten wir den Managementwechsel antizipiert und sind eingestiegen.

Ihre Anleihenquote liegt im Multiple Opportunities bei 15%. Wie setzt sich diese zusammen?

Ein Großteil entfällt auf Staatsanleihen mit wenigen Monaten Laufzeit. Sie dienen uns als attraktiv verzinster Kasseersatz. Also kurz und sicher. Etwa vier Prozentpunkte machen Unternehmenspapiere aus; das sind überwiegend höher verzinsliche Hybridanleihen.

Warum halten Sie so wenig Langläufer?

Langläufer wie zum Beispiel Bundesanleihen bieten nur relativ geringe Renditen und sind aktuell nicht attraktiv. Hinzu kommt, dass das klassische 60:40-Modell zur Risikoreduktion, also 60% Aktien und 40% Anleihen, nicht mehr funktioniert. Zehnjährige Staatspapiere bieten keine Absicherung mehr in schwierigen Zeiten. Das haben wir 2022 gesehen. Früher hat das vielleicht einmal funktioniert, heute nicht mehr.

Warum halten Sie 13% Ihres Fondsvermögens in Gold?

Es gibt eine langfristige Korrelation von Gold zur Staatsverschuldung. Ufern die Schulden aus, steigt der Goldpreis. Und sie ufern sowohl in Amerika als auch in Europa immer weiter aus. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Gold sorgt vor diesem Hintergrund für eine gewisse Sicherheit im Fonds – für uns ist das Edelmetall seit jeher wie eine Versicherung und damit fester Bestandteil unserer gemischten Portfolios.

Wie lange wollen Sie Ihren Fonds noch managen? Ruhestand oder Sabbatical sind ja auch etwas Schönes.

Wir haben noch viel vor, insofern stellt sich die Frage nicht. Derzeit arbeiten wir an einem hauseigenen KI-Tool, das uns hilft, die Qualität des Managements von Unternehmen, in die wir investieren, besser und effektiver beurteilen zu können. Außerdem macht mir die Arbeit nach wie vor großen Spaß!

Im Interview: Bert Flossbach

„Wir haben einen Put auf den S&P 500 gekauft“

Der renommierte Fondsmanager über ambitionierte Bewertungen, Big Tech, Gelegenheiten bei BMW und Mercedes und Gold als Sicherheit

Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert Bert Flossbach, warum ihn ein neuerlicher Rückschlag an den Aktienmärkten nicht überraschen würde und was er an Berkshire und an der Deutschen Börse schätzt. Gold sorge für Sicherheit im Fonds. Und aufhören als Fondslenker will der Ökonom noch lange nicht.

Das Interview führte Werner Rüppel.