IM INTERVIEW: MANOOJ MISTRY, DEUTSCHE ASSET & WEALTH MANAGEMENT

"Wir hatten keine Vision eines Booms"

ETF feiern in Europa ihren 15. Geburtstag - Kritik als notwendiger Prozess zur Verbesserung der Standards

"Wir hatten keine Vision eines Booms"

Vor 15 Jahren hat die Erfolgsgeschichte von Exchange Traded Funds (ETF) in Europa begonnen. Am 11. April 2000 feierten die sogenannten LDRS (Listed Diversified Return Securities) von Merrill Lynch auf den Euro Stoxx 50 und den Stoxx 50 an der Börse Frankfurt ihr Marktdebüt. Im Interview mit der Börsen-Zeitung beschreibt Manooj Mistry, damals verantwortlich für die ETF-Entwicklung bei Merrill Lynch, die Hintergründe der Entwicklung dieser Produkte.- Herr Mistry, wie kamen Sie bei Merrill Lynch auf die Idee, einen Indexfonds aufzulegen?Es war nicht eine einzelne Person, die die Idee für ein solches Produkt hatte. Nachdem der US-ETF-Markt um 1997/98 Fahrt aufgenommen hatte, bildete sich eine Allianz mehrerer europäischer Börsen, des Indexproviders Stoxx und von Merrill Lynch, um einen Exchange Traded Funds (ETF) aufzulegen. Vor dem Start des Euro in Europa fiel dann die Wahl auf den Euro Stoxx 50, der im Februar 1998 eingeführt worden war. Er sollte als paneuropäische Benchmark dienen.- Wo wurden die Indexfonds in Europa erstmalig gelistet?Es gab einen kleinen Wettbewerb zwischen den Börsen, wer als Erstes das Produkt startet. Die beiden Indexfonds, die LDRS (Listed Diversified Return Securities) auf den Euro Stoxx 50 und den Stoxx 50, wurden dann nach mehrmonatigen Vorarbeiten schließlich zuerst an der Börse in Frankfurt gelistet. London folgte dann mit einem Abstand von zwei Wochen.- Wie wurden die ersten ETF von den Anlegern aufgenommen?Sie müssen sich vorstellen, dass im März 2000 die Boomphase an den Aktienmärkten endete und sich die Aktienmärkte auf dem Rückzug befanden. Deswegen waren die Investoren zunächst einmal zurückhaltend. Außerdem waren die Indexfonds für den Privatanleger damals wegen des Zertifikatemarktes noch nicht so interessant. Es war eher ein Thema für institutionelle Investoren. Und die hatten noch wenig Interesse an Beta, also der reinen Marktperformance, sondern suchten damals nach Alpha, um den Markt zu schlagen.- Welche Widerstände bestanden gegenüber der Auflage eines passiven Fonds?Auch in Deutschland wurden damals schon die Ucits-Richtlinien umgesetzt. Zugleich waren die dortigen Regulatoren und die Börse sehr aufgeschlossen und flexibel, als es darum ging, ETF-spezifische Merkmale der ersten Produktgeneration zu akzeptieren. Am Anfang stand die Fondsindustrie im Wettbewerb zu den Passivprodukten. Aber das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Heute nutzen viele aktive Fondsmanager die ETF nicht zuletzt auch aus Kostengründen im Rahmen einer Core-Satellite-Strategie.- Haben Sie damals mit einen solchen Boom gerechnet?Wir hatten keine Vision eines Booms. Wir haben erwartet, dass der Markt ähnlich wie in den USA kontinuierlich wachsen wird. Aber nicht in dem Ausmaß. Doch wir sollten nicht übersehen, dass die Passivprodukte erst 3 bis 4 % des Gesamtvolumens bei den Publikumsfonds ausmachen. Der Grund für den erwarteten ETF-Erfolg war, dass diese Vehikel wesentliche Anforderungen erfüllen – hohe Kosteneffizienz und transparente Strukturen, kombiniert mit einer hohen Flexibilität im Einsatz. Allerdings war uns immer bewusst, dass wir eine intensive Aufklärungsarbeit zu leisten hatten – und noch immer leisten müssen.- Verstehen Sie die Diskussionen über die Risiken bei Indexfonds?Der Markt ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Da ist es ganz natürlich, dass man nicht nur die Chancen sondern auch die Risiken von ETF diskutiert. Das ist eine gute Sache, dass die Befürworter und die Kritiker miteinander diskutiert haben. Letztlich sind viele Aspekte mit in die Leitlinien zu börsengehandelten Indexfonds der European Securities and Markets Authority (ESMA) eingeflossen, was die Standards verbessert hat. Das hat die ETF in Europa zu robusten, hoch regulierten Produkten gemacht.- Und die Angst vor synthetischen ETF?Physisch replizierende und synthetische Indexfonds sind ähnlich strukturiert und gleichermaßen reguliert. Beide Formen sind mit einem Portfolio aus Wertpapieren oder Sicherheiten hinterlegt. Der Swap dient letztlich zur Optimierung der Abbildung der Benchmark.- Die Liquidität an den Anleihemärkten ist sehr dünn. Wie sieht es bei Bond-ETF aus, wenn es zu größeren Verkäufen kommt?Wir sind uns des ausgedünnten Handels bei Anleihen wie Corporate Bonds oder Schwellenländer-Anleihen bewusst. Wir haben uns daher bei der Deutschen Asset & Wealth Management auf Anleiheindizes fokussiert, die einen liquiden Handel ermöglichen. Gerade bei illiquiden Assets haben synthetische Indexfonds oftmals Vorteile. Darüber hinaus nutzen wir als ETF-Anbieter mehrere Market Maker, die einen Handel auch in turbulenten Zeiten sicherstellen sollen.- Welche Trends sehen Sie mittelfristig?Gerade bei den Anleihen-ETF gibt es noch Lücken, die in den kommenden Monaten geschlossen werden. Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsen an den Anleihemärkten erwarte ich einige intelligente Strategic-Beta-Produkte auf Anleihen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.