IM GESPRÄCH: ANDREW ANG

"Wir integrieren ESG in Faktor-ETFs"

Der Managing Director von BlackRock zeigt auf, wie der Vermögensverwalter Green Value schaffen will

"Wir integrieren ESG in Faktor-ETFs"

BlackRock wird noch in diesem Jahr ESG in seine Faktor-ETFs integrieren, erklärt Andrew Ang, Leiter Faktorstrategien des Vermögensverwalters, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Denn gerade durch die Kombination von ESG mit Faktoren könne BlackRock Green Value schaffen. Von Werner Rüppel, FrankfurtViele Menschen, die mit den Finanzmärkten wenig zu tun haben, stellen sich Assetmanagement noch immer traditionell vor: Ein aktiver Fondslenker entscheidet sich, Aktien zu kaufen, die gerade gute Zahlen vorgelegt haben oder von denen er gehört hat, dass sie ganz tolle Erträge erwirtschaften werden.Modernes Assetmanagement sieht aber völlig anders aus: Hochgebildete, oft promovierte Wirtschaftswissenschaftler, die “Rocket Scientists”, verarbeiten mit Hilfe von Rechnern eine Vielzahl von Daten, entwickeln und prüfen Portfoliomodelle, wobei neben Performance nicht zuletzt auch Risiko eine entscheidende Rolle spielt. Das Ergebnis wird dann häufig in eine effiziente und kostengünstige Hülle wie einen börsennotierten Indexfonds (ETF) gegossen. Und die in ETFs angelegten Gelder wachsen wesentlich schneller als die der gesamten Fondsbranche.Einer dieser Top-Wissenschaftler ist Andrew Ang, Managing Director bei BlackRock und Head of Factor Investing Strategies beim weltgrößten Vermögensverwalter. “BlackRock wird noch in diesem Jahr ESG-Daten in Faktor-ETFs integrieren”, kündigt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung im Frankfurter Opernturm an. Zusammen mit anderen BlackRock-Experten hat Ang unter dem Titel “ESG in Factors” gerade ein hochinteressantes 39-seitiges Paper veröffentlicht. Dieses kommt zu dem Ergebnis: “Environmental-, Social- und Governance-Signale (ESG) sind ein wichtiger Teil von faktorbasierten Investmentstrategien, weil sie aus denselben ökonomischen Grundprinzipien stammen können wie generelle Faktoren.”In der Studie wird klar aufgezeigt, dass die Ergänzung von Faktorstrategien um das Thema Nachhaltigkeit (via ESG) die Anlageergebnisse befördert. “ESG kann vollständig mit Faktormodellen kombiniert werden”, erläutert Ang dazu. “Denn hinter ESG steckt derselbe ökonomische Ansatz wie bei Faktoren.” So verbessere sich durch das “E”, also umweltbewusstes Wirtschaften, die Struktur eines Portfolios, während das “G”, sprich die gute Unternehmensführung, Risiken reduziere. Zudem sei es vorteilhaft, in Firmen zu investieren, die auch die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigten, dafür stehe das “S” (Social). So performen auch Aktien mit einer hohen Qualität der Unternehmenskultur nach Angaben von Ang langfristig besser als der Gesamtmarkt (vgl. Grafik). Faktoren sind zyklischDoch der Reihe nach in dieser komplexen Materie: Was ist eigentlich Faktor-Investing? Durch faktorbasierte Strategien haben Anleger die Chance, langfristig Überrenditen zu erzielen und Risiken zu reduzieren. Für Aktien hat die Forschung fünf Stil-Faktoren identifiziert: Size (geringe Unternehmensgröße), Quality (hohe Unternehmensqualität), Value (niedrige Bewertung), Minimum Volatility (geringe Schwankungsbreite) und Momentum (positive Kursdynamik).Laut Ang funktioniert die Anlage in Faktoren, die nicht zuletzt auf wissenschaftlichen Arbeiten beruhe und für die es sechs Nobelpreise gegeben habe. Investoren müssten aber berücksichtigen, dass Faktoren “zyklisch” seien. Aktuell befinde sich die Weltwirtschaft in einem späten ökonomischen Zyklus, weshalb BlackRock den Faktor Quality (Qualitätsaktien) übergewichtet hat. Value hat der Vermögensverwalter gerade von untergewichten auf neutral hochgestuft, auch für Minimum Volatility vergibt er das Rating “Neutral”. Hingegen rät BlackRock aktuell, die Faktoren Momentum und Size unterzugewichten. ESG und Qualität korrelierenDie in Faktor- oder Smart-Beta-ETFs angelegten Gelder sind in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen und inzwischen zu einem wichtigen Segment innerhalb der börsennotierten Indexfonds geworden. Die BlackRock-Tochter iShares verzeichnete im Jahr 2019 einen Rekordmittelzufluss von 34 Mrd. Dollar in Faktor-ETFs, so dass sie Ende des vergangenen Jahres in diesem Segment Gelder im Volumen von 179 Mrd. Dollar verwaltete, während in Nachhaltigkeits-ETFs “nur” 22 Mrd. Dollar investiert waren. In den USA sind die über alle Anbieter in Smart-Beta-ETFs angelegten Gelder von 366 Mrd. Dollar Ende 2018 auf 517 Mrd. Dollar Ende 2019 geklettert.Bei der Integration von ESG in einzelne Faktorstrategien ergeben sich laut Ang allerdings Unterschiede: “Insbesondere die Faktoren Low Volatility und Quality sind positiv mit ESG-Bewertungen korreliert.” Bei Momentum und Value liege die Korrelation nahe null, während der Faktor Size nach den Berechnungen von BlackRock negativ mit ESG korreliere. Insgesamt seien die meisten Faktoren aber ESG-freundlich. “Gerade durch die Kombination von Faktoren mit ESG können wir Green Value schaffen”, argumentiert Ang daher. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen auch bald in die Praxis, sprich in Fonds umgesetzt werden. Die Integration der ESG-Daten in die Faktorstrategien soll insbesondere bei den börsennotierten Faktor-Indexfonds erfolgen. Nachhaltigkeit und Smart Beta würden somit also kombiniert. Faktorrotations-ETF kommtNeben den Ergebnissen zur ESG-Integration hat BlackRock auch ein Modell zur Faktorrotation erarbeitet (vgl. BZ vom 3.10.2019), das Signalen für den möglichst optimalen Einsatz von Faktoren im Zyklus liefern soll. Rotation birgt aber auch im immer die Gefahr allzu hoher Umschichtungskosten. “Faktorrotationsmodelle funktionieren am besten bei ETFs, weil ETFs sehr effizient sind, indem sie niedrige Kosten aufweisen,” erklärt Ang hierzu. “Wir werden in den kommenden Monaten einen ETF auflegen, der auf unserem erfolgreichen Faktorrotationsmodell beruht.”Doch was treibt Wissenschaftler und Analysten von BlackRock noch um? “Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es derzeit, Portfolios zu konstruieren, die eine hohe Widerstandsfähigkeit/Resilienz gegen Rückschläge aufweisen,” sagt der Managing Director des Vermögensverwalters. “Dabei spielt der Faktor Quality eine große Rolle.” Und auch hier bezieht der größte Vermögensverwalter der Welt den Aspekt der Nachhaltigkeit mit ein. Ang erklärt: “Auch durch ESG verbessert sich meist die Qualität und Widerstandsfähigkeit eines Portfolios.”