InterviewNicola Beer, EU-Investitionsbank

„Rohstoffe sind das A und O“

Die EU-Investitionsbank nimmt das Thema Rohstoffe stärker in den Blick, denn die sind "das A und O" für die digitale und nachhaltige Transformation, betont EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer.

„Rohstoffe sind das A und O“

IM INTERVIEW: Nicola Beer

„Für die Transformation sind Rohstoffe das A und O“

Die EIB-Vizepräsidentin über die Bedeutung kritischer Rohstoffe, die Idee eines revolvierenden Fonds und die niedrige Ausfallrate der EU-Hausbank

Ein revolvierender Rohstofffonds könnte hilfreich sein, wenn es darum geht, die Schwankungsanfälligkeit von Rohstoffpreisen abzufedern. Auch Contracts for Difference könnten in diesem Zusammenhang zum Einsatz kommen, meint EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer. Die EIB will ihre Rohstoffengagements ausweiten.

Frau Beer, das Direktorium der EIB hat Sie beauftragt, sich des Themas „kritische Rohstoffe“ anzunehmen. Warum?

Die Europäische Union ist dabei, sich unabhängiger von Rohstofflieferungen aus einzelnen Ländern zu machen, um wirtschaftlich souveräner zu sein. Als Basis für die digitale und nachhaltige Transformation der Wirtschaft sind Rohstoffe das A und O.

Die EIB hat sich schon seit langem an der Finanzierung von Rohstoffprojekten beteiligt. Was ist neu?

Die EIB ist schon lange in Projekten engagiert, die darauf zielen, durch Innovation Rohstoffe zu substituieren oder zu recyceln. Künftig beschäftigen wir uns zudem intensiver mit den anderen Bereichen der Rohstoffwirtschaft und prüfen verstärkt auch Projekte im Rohstoffabbau. Und wir schauen uns Vorhaben in der Exploration und in der Verarbeitung an. Wir nehmen uns strategischer des Themas kritischer Rohstoffe an.

Was bedeutet das konkret?

Gemeinsam mit der EU-Kommission analysieren wir: Was wird tatsächlich gebraucht? Wo sind weiße Flecken? Wer ist der Beste, um eine Lösung zu liefern? Und natürlich sondieren wir Kooperationen mit den EU-Mitgliedstaaten.

Wie kann das aussehen?

Nehmen Sie die Phase der Sichtung von Rohstoffvorkommen: Die EU-Mitgliedstaaten unterhalten teilweise Rohstofffonds. Wir besprechen nun mit Frankreich, Deutschland und anderen, wie wir dort die Arbeit aufteilen können. Vorstellbar ist, dass die Mitgliedstaaten künftig in der ersten Phase der Erkundung eine Rolle spielen und die EIB sich dann mit Bankinstrumenten anschließt.

Ziel ist es ja immer, private Investoren für Projekte zu mobilisieren. Was ist Ihrer Ansicht nach dafür wichtig?

Ein wichtiger Punkt sind kürzere Genehmigungsverfahren. Deshalb wünsche ich mir von den nationalen Regierungen, die ja im EU-Rat im Frühjahr die europäische Verordnung zu kritischen Rohstoffen unterstützt haben, dass die Genehmigungen für Förderprojekte in der Praxis tatsächlich innerhalb von 15 Monaten für die Verarbeitung beziehungsweise innerhalb von 27 Monaten für die Gewinnung von Rohstoffen erteilt werden. Investoren werden abgeschreckt, wenn sie 10 oder 15 Jahre warten müssen. Schnellere Genehmigungen können ein echter Game-Changer sein.

Sind denn europäische Unternehmen und Projekte überhaupt wettbewerbsfähig, wenn es um den Rohstoffabbau rund um den Erdball geht?

Ja, auf jeden Fall. Ich bin überzeugt, dass wir die Chance haben, ein guter, ein besserer Partner zu sein für rohstoffreiche Länder. Weil wir eine Partnerschaft wollen, die für beide Seiten profitabel ist. Viele Staaten außerhalb Europas haben mitbekommen, dass China sehr schnell sehr viel Geld anbietet. Aber am Ende folgt oft die große Rechnung. Da werden Straßen nur zur Mine und zum Hafen gebaut, die Verarbeitung findet andernorts statt. Und nach einigen Jahren wird ein ökologisch komplett ruiniertes Gebiet hinterlassen. Wir bieten ein Gegenmodell.

Wie sieht das aus?

Wir kommen mit neuester Technologie. Wir belassen Wertschöpfungsschritte vor Ort. Das bedeutet, dass lokal Steuern gezahlt werden. Das ist ein Geschäft auf Augenhöhe, bei dem Jobs geschaffen werden und Personal vor Ort ausgebildet wird. Und wir garantieren natürlich Umwelt- und Sozialstandards.

Gibt es Ideen, wie Europa die Beschaffung von Rohstoffen noch weiter forcieren könnte?

Es ist des Schweißes der Edlen wert, in der EU über einen revolvierenden Rohstofffonds nachzudenken.

Wozu könnte ein solcher Fonds dienen?

Er könnte beispielsweise dazu beitragen, die Schwankungsanfälligkeit von Rohstoffpreisen abzufedern, vor allem, wenn sie durch Manipulationen ausgelöst werden.

Auf was spielen Sie an?

Investoren engagieren sich, wenn sie sehen, dass sie auf verlässlicher Basis Gewinnaussichten kalkulieren können. Aber in dem Moment, in dem in Europa beispielsweise ein Lithium-Projekt angekündigt wird, flutet China den Markt mit subventionierten Rohstoffen, um den Business Case zu untergraben.

Und ein europäischer Rohstofffonds könnte dann gegensteuern?

Wir diskutieren das gerade mit den Marktteilnehmern. Es wird auch sondiert, inwieweit in diesem Zusammenhang Contracts for Difference hilfreich sein können. Oder auch Rohstoffbörsen für Rohstoffe, die bisher in der EU nicht an Börsen gehandelt werden.

Wie würde ein europäischer Rohstofffonds gespeist?

Die Grundfinanzierung eines solchen Fonds könnte aus dem EU-Haushalt heraus geschehen. Wichtig wäre, dass dieser Fonds revolvierend wäre. Finanzierungen müssten also, sobald ein unterstütztes Projekt auskömmlich ist, wieder in den Fonds zurückgezahlt werden. Das ist ein Instrument, das wir in Deutschland zum Beispiel in Form der Filmfonds kennen. Was für einen Filmfonds funktioniert, kann auch für Rohstofffonds funktionieren.

Frau Beer, Sie sind seit Dezember EIB-Vizepräsidentin. Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Rolle der Bank?

Wir machen ein Geschäft oft dann, wenn es für andere noch zu risikoreich ist und wenn wir gebraucht werden, um auf Basis unseres erstklassigen Ratings langlaufende attraktive Konditionen auszulegen.

Wie unterscheidet sich die EIB von anderen Förderinstituten?

Wir unterscheiden uns von Förderbanken, die Zuschüsse verwalten. Wir machen kein Zuschussgeschäft. Wir helfen zwar, Fördermaßnahmen aus dem EU-Haushalt zu vermitteln. Aber wir setzen in jedem einzelnen Projekt auf dessen technologische und wirtschaftliche Erfolgsaussichten. Wir verschenken kein Geld.

Sie nehmen pro Jahr 60 bis 65 Mrd. Euro an den Märkten auf …

Ja, genau. Und wir erhalten dieses Geld, wenn wir es verleihen, später wieder verzinst zurück.

Das klappt aber nur, wenn die Projekte erfolgreich sind, die die EIB unterstützt.

Genau deshalb prüfen wir akribisch. Und wir lehnen eine ganze Reihe von Projekten ab – oder dringen darauf, dass sie angepasst werden. Neulich sagte mir einer unserer Kreditnehmer: Ihr kriecht ja in jeden Keller jeder Produktionsstätte! Aber der Nutzen dieser sehr genauen Beschreibung aller Risiken lässt sich an der niedrigen Ausfallrate ablesen. Die Non-Performance-Exposure der EIB liegt bei 0,4%. Geschäftsbanken liegen regelmäßig bei mehr als 2%.

Vielleicht hat die Bank bislang einfach Glück gehabt?

Es hat eher damit zu tun, dass ausgezeichnete Fachleute und Wissenschaftler, wie etwa Geologen oder Bergbauingenieure, bei uns arbeiten, die die Projekte auf Herz und Nieren prüfen. Wenn wir uns an Finanzierungen beteiligen, dann ist das eine Art TÜV-Siegel, ein Signal an Investoren und Banken.

Ist die EIB noch immer die „Klimabank“, wie sie sich vor wenigen Jahren selbst genannt hat?

Ja. Denn im Selbstverständnis der EIB war und ist Klimaschutz eng mit Innovation verbunden. Etwa, wenn wir uns mit grünem Bergbau beschäftigen oder helfen, grünen Stahl oder grünen Beton zu produzieren.

Spiegelt sich das auch in den Zahlen der Bank?

Ja. Die EIB hat ihr selbstgesetztes Ziel, spätestens ab 2025 mindestens die Hälfte der gesamten Investitionen der Bank von fast 90 Mrd. Euro in klimabezogene Vorhaben zu leiten, vergangenes Jahr schon zum zweiten Mal erfüllt. Wir sind sozusagen ein Frontrunner in Sachen wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit.

Das Interview führte Detlef Fechtner.

Das Interview führte Detlef Fechtner.

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