IM INTERVIEW: FELIX FREUND, STANDARD LIFE INVESTMENTS

"Wir sehen noch Potenzial für Nachranganleihen"

Der Asset Manager mit Sitz in Edinburgh erwartet eine anhaltende Nachfrage institutioneller Investoren nach Unternehmensanleihen

"Wir sehen noch Potenzial für Nachranganleihen"

Unternehmensanleihen werden weiterhin vom anhaltenden Anlagedruck insbesondere bei institutionellen Investoren profitieren. Was dies mit den von der EZB geplanten Kaufprogrammen von ABS und Covered Bonds zu tun hat, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung Felix Freund, Rentenfondsmanager beim Vermögensverwalter Standard Life Investments in Edinburgh. Für europäische Unternehmensanleihen erwartet er im kommenden Jahr eine moderate Spread-Einengung.- Herr Freund, die regionale US-Notenbank von San Francisco hat diese Woche mit einer Studie Zinsfantasien an den Märkten verstärkt. Was bedeutet die Aussicht auf steigende US-Zinsen für die europäischen Rentenmärkte?Die ökonomischen Daten in den USA haben sich in den vergangenen Quartalen sehr stark gezeigt. Der US-Notenbank gehen daher langsam die Argumente für ein Festhalten an den Nullzinsen aus, so dass moderate Zinserhöhungen zu erwarten sind. An den Märkten ist derzeit ein Zinsschritt der Federal Reserve für das zweite Quartal 2015 eingepreist. Die Renditen der Treasuries werden deshalb am langen Ende wohl etwas steigen. Wir glauben allerdings nicht, dass wir ein überschäumendes Wachstum sehen werden, und auch die Inflation wird mangels Lohndruck nicht sehr hoch liegen. Die europäischen Anleihemärkte befinden sich hingegen gefährlich nahe an einem deflationären Umfeld, weshalb die Zentralbankpolitik eher akkommodierend bleibt. Das bedeutet, dass die Zinsen in der Eurozone am kurzen Ende auf niedrigem Niveau verharren. Am langen Ende können wir uns schon vorstellen, dass wir bei Bundesanleihen angesichts des aktuell niedrigen Niveaus eine leichte Tendenz haben werden, mit den USA mitzuhandeln, aber nicht in der Stärke wie dort.- Was bedeutet dieses Umfeld bei Staatsanleihen für europäische Unternehmensanleihen?Bei Staatsanleihen mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren gibt es kaum eine Verzinsung, bei kurzen Laufzeiten sind die Zinsen sogar negativ. Das führt zu einem erheblichen Anlagedruck in anderen Bereichen des Anleihemarktes, wo noch etwas Rendite zu holen ist. Unternehmensanleihen gehören dazu. Die Renditen sind zwar schon sehr niedrig, aber das Segment wird weiterhin gut unterstützt sein.- Die Europäische Zentralbank hat ein Kaufprogramm für Covered Bonds, also besicherte Bankanleihen, und Kreditverbriefungen, sogenannte ABS, angekündigt. Wie wird dies auf andere Segmente des Anleihemarktes wirken?Durch die von der EZB angekündigten Maßnahmen werden ABS und Covered Bonds vom Markt weggenommen werden. Wenn zusätzlich noch die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte TLTRO kommen, dann werden die Banken weniger Anleihen am Markt begeben müssen. Das wird zu einer Verknappung von Senior-Anleihen im Bankenbereich führen. Da die vorhandene Liquidität aber angelegt werden muss, werden sich insbesondere institutionelle Investoren für andere Segmente des Anleihemarktes entscheiden, bevor sie das Geld in Aktien anlegen.- Ist es auch regulatorisch getrieben, dass Investoren von der Staatsanleihe zur Bankanleihe und dann zur Unternehmensanleihe wandern?Gerade als Pensionsfonds oder Versicherer müssen sie aus regulatorischen Gründen in Anleihen investieren. Weil Staatsanleihen und Covered Bonds nicht mehr die benötigten Renditen erbringen, investieren sie stärker in Unternehmensanleihen. Das ist der Trend, den wir auch bei unseren Kunden sehen.- Nach der Veröffentlichung der Fed-Studie setzte auch bei europäischen Unternehmensanleihen ein Kursrückgang ein. Ist da schon die erste Reaktion auf eine mögliche US-Zinswende zu sehen?Bei Unternehmensanleihen setzt sich die Rendite aus zwei Komponenten zusammen. Da ist zum einen das unterliegende Renditeniveau von Staatsanleihen, in der Eurozone das der Bundesanleihe. Da erlebten wir einen leichten Anstieg in den vergangenen Tagen. Die zweite Komponente ist der Credit Spread. Da sahen wir für Unternehmensanleihen im Bereich Investment Grade eher eine moderate Seitwärtsbewegung mit einem Anstieg von wenigen Basispunkten. Vor der jüngsten EZB-Sitzung war eine zu hohe Erwartung an Staatsanleihekäufe eingepreist. Diese Erwartung ging nun wieder aus dem Markt heraus. Wenn sich die Bundesanleihe mit fünfjähriger Duration um 10 Basispunkte verändert, hat dies erfahrungsgemäß eine Kursbewegung von 0,5 % bei europäischen Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating zur Folge.- Was ist mit Hochzinsanleihen?Hier war tatsächlich eine Ausweitung der Credit Spreads zu sehen. Das Segment hat zuletzt sehr stark vom Anlagedruck im Niedrigzinsumfeld profitiert. High Yield bewegt sich allerdings auf einem schmalen Grat: Ihm nutzt das Umfeld niedriger Inflation und geringen Wachstums, weil die Zinsen dann niedrig bleiben. Wenn Europa jedoch in die Rezession kippt, würden die Ausfallraten voraussichtlich steigen, zumal eine ganze Reihe der in diesem Segment emittierenden Unternehmen hoch verschuldet sind.- Wenn immer mehr Investoren im europäischen Niedrigzinsumfeld in den Markt für Unternehmensanleihen drängen, droht sich dann eine Blase zu bilden?Ein Großteil des Renditerückgangs bei Unternehmensanleihen ist in diesem Jahr durch den Renditeverfall bei Bundesanleihen ausgelöst worden. Zehnjährige Bundesanleihen haben in diesem Jahr einen Renditerückgang von 90 Basispunkten gesehen, beim Credit Spread waren es nur rund 20 Basispunkte. Der Renditerückgang bei Unternehmensanleihen um 80 Basispunkte ist also größtenteils von der Zinsseite gekommen. Wir glauben auch, dass die Spreads noch immer relativ auskömmlich sind. Sie betragen zu Bundesanleihen aktuell um die 100 Basispunkte bei einem Durchschnitt über die vergangenen 15 Jahre von 122 Basispunkten gemessen an einem breitem Marktindex. Der historische Tiefpunkt lag bei nur 37 Basispunkten. Im nächsten Jahr wird der größere Effekt für Kursgewinne oder -verluste bei Unternehmensanleihen wieder von der Zinsseite kommen. Auf der Spreadseite sehen wir noch weitere moderate Einengungspotenziale von 10 bis 15 Basispunkten.- Unternehmen mit Top-Bonitäten zahlen derzeit nur noch sehr niedrige Kupons. Müssen sie also immer höhere Risiken eingehen?Solide Unternehmen wie BMW sind auch auf dem aktuell niedrigen Renditeniveau für viele Investoren noch immer eine Alternative zu Bundesanleihen. Für uns ist es in der Tat nicht mehr sinnvoll, eine BMW-Anleihe mit einer Rendite von unter 1 % zu kaufen. Wir sehen noch Potenzial für Nachranganleihen europäischer Banken insbesondere bei Lower-Tier-2-Anleihen, die durch den Aufbau von zusätzlichem Tier-1-Kapital insgesamt sicherer werden. Daneben schauen wir uns einzelne Anleihen an, etwa bei Restrukturierungen, die zu einer Verbesserung der Kreditqualität führen wie zum Beispiel in Deutschland bei der Commerzbank. Dieser Tage haben wir eine Tier-1-Anleihe der HSBC gekauft. Potenzial sehen wir auch bei nachrangigen Unternehmensanleihen, sogenannten Hybridanleihen, wie zum Beispiel von Linde, Danish Gas oder EDF.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.