Kapitalmarktausblick

„Wir sind zuversichtlicher für Europa“

J.P. Morgan Asset Management hat der EU exzellentes Krisenmanagement attestiert. „Wir sind zuversichtlicher für Europa“, sagte die Strategin Karen Ward. Man sehe den Anfang einer Fiskalunion.

„Wir sind zuversichtlicher für Europa“

hip London

Die Fondssparte der US-Großbank J.P. Morgan ist seit Anfang des Jahres optimistischer geworden. „Wir sind zuversichtlicher für Europa“, sagte die Strategin Karen Ward auf einer Presseveranstaltung in London. Es erscheine mittlerweile unwahrscheinlich, dass die Region durch steigende Energiepreise in eine tiefe Rezession ge­drückt werde. Die Gasspeicher seien noch zur Hälfte gefüllt. Vor einem Jahr seien sie lediglich zu einem Viertel voll gewesen. Man sei zuversichtlich, dass die Region auch den nächsten Winter gut überstehen werde, wenn sie von einem so hohen Niveau aus hineingehe.

„Anfänge einer Fiskalunion“

„Europa hat sich beim Management dieser Situation fantastisch geschlagen“, so Ward. Zudem habe sich die EU institutionell wesentlich verbessert. „Wir haben jetzt die Anfänge einer Fiskalunion.“ Das könne eine gute Ergänzung der Kapitalmarktunion sein. Europa habe sich am Riemen gerissen und befinde sich strukturell in einer besseren Lage. Das größte Anlagethema sei Klimatechnologie, sagte Ward. „Wir müssen die Art und Weise, auf die wir Energie erzeugen und verwenden, dramatisch ändern. Da liegen die großen Chancen.“ Anleihen seien als Anlageform wieder attraktiv. Sie glaube nicht, dass sich die im vergangenen Jahr beobachtete brutale Neubewertung wiederholen werde. Die Zinsen würden aus ihrer Sicht aber auch nicht so schnell sinken wie derzeit am Markt erwartet.

Wie sich die jüngsten Verwerfungen im Bankensystem auswirken werden, lasse sich noch nicht sagen. Sie mache sich allerdings keine Sorgen, dass es zu einer erneuten Krise wie 2008 kommen könnte. Entscheidend sei, zu verhindern, dass Einlagen abgezogen werden, sagte Ward. Dann seien die Institute nicht ge­zwungen, Papierverluste aus ihrem Anleihenportfolio zu realisieren. Die Zentralbanken hätten das verstanden und sorgten für Liquidität, um Solvenzprobleme abzuwenden. Das ganze System sei wesentlich transparenter geworden. „Es gibt keine Anzeichen für Stress am Interbankenmarkt“, sagte Ward. Es kehre wieder etwas Ruhe ein. „Wahrscheinlich werden wir Auswirkungen auf die Kreditvergabe sehen“, sagte Ward. In den Vereinigten Staaten hätten sich die Konditionen bereits verschärft, in Europa seien Anzeichen dafür zu beobachten gewesen. Die Zentralbanken hätten versucht, das zu erreichen, um die Wirtschaft abzukühlen. Sie halte es für wahrscheinlich, dass es in den USA strengere Standards für die Kreditvergabe geben werde.

Gipfel der Teuerung in Sicht

Sie halte es für richtig, wenn die Federal Reserve den Leitzins um weitere 25 Basispunkte erhöhe, sagte Ward vor der Verkündung der Beschlüsse der amerikanischen Notenbank. „Das ist vermutlich dann der Gipfel. An diesem Punkt werden die Anzeichen für eine wirtschaftliche Verlangsamung deutlicher.“ Bei der Teuerungsrate habe man in den USA wohl den Gipfel hinter sich. Eine Rückkehr zu einer ultraniedrigen Inflation und einer Nullzinspolitik werde es aber nicht geben.

Chancen durch Verwerfungen

John Bilton, der Chef des Multi-Asset-Geschäfts von J.P. Morgan Asset Management, das weltweit 300 Mrd. Dollar verwaltet, geht davon aus, dass die 2020er Jahre von Inflation, Spannungen und Volatilität geprägt sein werden. Allerdings rechnet er zugleich mit einer anschwellenden Investitionstätigkeit, für die Energiewende, Cloud Computing und die weitere Automatisierung etwa – und das in einer Zeit, in der Geld nicht mehr kostenlos verfügbar ist. „Verwerfungen an den Märkten schaffen Chancen für uns“, sagte CEO George Gatch. Die Volatilität werde noch einige Zeit anhalten. „Wenn die Fed auf die Bremse tritt, fliegen Dinge durch die Windschutzscheibe.“ Die Frage sei, wo sich die Auswirkungen der steigenden Zinsen als Nächstes zeigen. Er nannte unter anderem Gewerbeimmobilien, Private Equity und Venture Capital als mögliche Betroffene.