Wirecard begeistert die Analysten
Zahlreiche Analysten haben ihre Kursziele für Wirecard angehoben und empfehlen die Aktie weiterhin zum Kauf. Aufgrund des erwarteten schnellen Wachstums wird dem Titel eine Ausnahmestellung zugebilligt. Die Aktie ist hoch bewertet, erscheint aber im Branchenvergleich als nicht zu teuer.Von Werner Rüppel, FrankfurtEs sind nur noch wenige Tage. Dann dürfte der Online-Zahlungsabwickler Wirecard aus Aschheim bei München Mitglied im erlauchten Kreis der 30 Dax-Werte werden. Die Entscheidung darüber fällt auf Basis der Indexdaten per Ende August am 5. September und würde am 24. September wirksam werden. Durch die jüngsten Kursavancen von Wirecard haben sich die Chancen auf eine Dax-Aufnahme erhöht. Absteiger wäre wahrscheinlich die Commerzbank.Zuletzt hat die Wirecard-Aktie fulminant zugelegt. So liegt der Kurs inzwischen bei 180 Euro nach 93,07 Euro per Ultimo 2017. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Liegt eine Blase vor, oder ist die Bewertung des TecDax-Titels gerechtfertigt? Ist Wirecard ein neuer Überflieger wie einstmals SAP oder eher eine MLP, die es nur kurz in den Dax geschafft hatte?Aktuell sind etliche Analysten von den Wachstums- und Gewinnperspektiven des Online-Zahlungsabwicklers geradezu begeistert. Die Gründe, dass zahlreiche Experten ihre Umsatz- und Gewinnprognosen nebst Kurszielen nach oben genommen haben, liegen auf der Hand: Die Halbjahreszahlen sind mit einer Ebitda-Steigerung um 39 % exzellent ausgefallen, das Unternehmen hat die Gewinnprognose für 2018 erneut angehoben, und in einer Telefonkonferenz hat der Vorstand sehr positive Perspektiven bis 2020 aufgezeigt.Von 30 bei Bloomberg aufgeführten Analysten empfehlen 18 die Aktie zum Kauf, 11 plädieren für Halten und nur Independent Research rät zum Verkauf des Titels. Unter dem Titel “Full speed ahead – 2020 outlook upgraded” hat Marius Fuhrberg von Warburg Research seine Prognosen angehoben und sein Kursziel auf 205 Euro je Aktie erhöht. Wirecard sollte seiner Meinung nach auch künftig von den globalen Megatrends Digitalisierung des Bezahlvorgangs und bargeldlose Transaktionen profitieren. Auch Holger Schmidt, Analyst beim Bankhaus Metzler, empfiehlt die Aktie zum Kauf mit einem Kursziel von 206 Euro je Aktie. Die Gesellschaft sei auf drei Kontinenten vertreten und zeige markantes Wachstum sowie einen positiven Newsflow. Schmidt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung wörtlich: “Wirecard beeindruckt durch neue Partnerschaften mit Blue-Chip-Adressen.” Indexfonds müssen kaufenSchmidt räumt ein, dass die Aktie bereits hoch bewertet sei, und erklärt: “Es gibt wenig Unternehmen, die so schnell wachsen wie Wirecard. Dies rechtfertigt dann auch eine relativ hohe Bewertung.” Wenn Wirecard in den Dax komme, sei ein positiver Nachhalleffekt durchaus wahrscheinlich. Denn dann müssten auch die Dax-Indexfonds Wirecard kaufen. Andere Analysten berichten, dass man sich derzeit nicht gegen den Trend stellen wolle. Erst wenn Wirecard im Dax sei und ein positiver Aufnahmeeffekt abgeklungen sei, werde man die Beurteilung des Titels neu überprüfen und gegebenenfalls auch zum Verkauf raten.Der einzige Analyst, der Wirecard derzeit mit einem Kursziel von 140 Euro zum Verkauf stellt, ist Markus Friebel von Independent Research. Wie er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert, liegt das nicht an der Gesellschaft, deren Story stimme, sondern einzig am sehr hohen Bewertungsniveau von Wirecard. E-Commerce sowie elektronische und mobile Payments dürften in den kommenden Jahren weltweit überdurchschnittlich stark wachsen. “Der Trend zum bargeldlosen Bezahlen steckt erst in den Kinderschuhen und dürfte sich noch verstärken”, erläutert Metzler-Analyst Schmidt. Aufgrund dieser Perspektiven werden Experten für elektronische Zahlungsabwicklung wie Wirecard am Aktienmarkt eine hohe Bewertung zugebilligt. Doch wie steht Wirecard dabei im Vergleich zur Konkurrenz dar?Hier gilt es vorauszuschicken, dass die Bewertung von Wachstumsunternehmen extrem schwierig ist und bereits der Ausweis einzelner Quartalszahlen, die über oder unter Analystenkonsens liegen, zu heftigen Kursreaktionen führen können. Und natürlich kommt es letztendlich auf die längerfristige Entwicklung über mehrere Jahre an. Preiswerter als AdyenBei einem simplen Vergleich mit dem niederländischen Zahlungsabwicklungsspezialisten Adyen erscheint die Wirecard-Aktie als günstiger bewertet. Das mag aber daran liegen, dass Adyen trotz eines erwarteten Gewinnwachstums von gut 50 % p. a. mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 70 (2020e) extrem teuer ist (siehe Tabelle). Hingegen weist der französische Payment-Anbieter Worldline mit einem KGV von rund 30 (2020e) eine niedrigere Bewertung als Wirecard auf. Dafür gehen die Analysten hier aber auch von einem schwächeren Gewinnwachstum aus.Alles in allem erscheint die Wirecard-Aktie im Branchenvergleich als nicht zu teuer. Auf der anderen Seite haben die Analysten bereits hohe Erwartungen an das Unternehmen. Wirecard muss liefern, um diese zu rechtfertigen.