Kreditwürdig

Wirtschaftspolitischer Befreiungsschlag in Nigeria

Der neue nigerianische Präsident Bola Tinubu hat die internationalen Investoren positiv überrascht und seine Amtszeit mit einem Reformfeuerwerk gestartet.

Wirtschaftspolitischer Befreiungsschlag in Nigeria

Kreditwürdig

Wirtschaftspolitischer Befreiungsschlag in Nigeria

Von Mauro Toldo *)

Der neugewählte nigerianische Präsident Bola Tinubu hat die internationalen Investoren und die Bevölkerung seines Landes positiv überrascht und seine Amtszeit mit einem Reformfeuerwerk gestartet. Er hatte sich als Kandidat für politische Kontinuität präsentiert und lag lange Zeit in den Umfragen hinter Peter Obi von der Arbeiterpartei. Dieser hatte mit dem Versprechen eines politischen Wechsels eine große Anhängerschaft um sich gesammelt. Nach Jahren der Misswirtschaft und zunehmender Sicherheitsprobleme unter der Präsidentschaft von Muhammadu Buhari schien die Zeit für einen Richtungswechsel gekommen. Dass sich Tinubu in den Wahlen Ende Februar durchsetzen konnte, lag insbesondere an der gut geölten politischen Maschinerie der Regierungspartei. Zudem profitierte er von einer größeren Wahlkampfkasse und der damit verbundenen Medienpräsenz. Außerdem kam ihm zugute, dass er als ehemaliger Gouverneur des Bundestaates Lagos bereits eine große Bekanntheit hatte.

Kein guter Stern

Die Wahl Tinubus stand zunächst unter keinem guten Stern. Es dauerte Tage, bis das offizielle Endergebnis bekanntgegeben wurde und es kam vereinzelt zu Ausschreitungen. Die zwei wichtigsten Oppositionskandidaten haben das Ergebnis nicht anerkannt. Auch die Märkte reagierten mit einer Spread-Ausweitung für nigerianische Staatsanleihen. Die Unsicherheit hielt noch Wochen an, bevor sie langsam ausklang. Bis zu seiner Vereidigung Ende Mai gab es kaum Informationen hinsichtlich der Absichten der neuen Regierung und über das Kabinett. Zwar wurden in seinem Wahlprogramm wichtige Reformen avisiert, aber dem wurde nach der Wahl kein Nachdruck verliehen. Nach seiner Vereidigung ging es dann Schlag auf Schlag. Technokratische Kabinettsvorschläge wurden präsentiert, ausgearbeitete Reformen angekündigt und Tinubu machte nicht halt vor wichtigen Persönlichkeiten, ersetzte wichtige Militärführer und schreckte auch nicht vor der Suspendierung des mächtigen Zentralbankgouverneurs Godwin Emefiele zurück.

Verzerrungen beenden

Wichtige wirtschaftspolitische Maßnahmen wurden schnell durchgesetzt. So kündigte Tinubu direkt die Abschaffung der Kraftstoffsubventionen an, an die sich bisher keine Regierung herangewagt hatte. Diese Subventionen bürden der Regierung des ölreichen Landes seit Jahren extreme Kosten auf. Im vergangenen Jahr betrugen diese etwa 10 Mrd. US-Dollar, die mehr als 2% des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Eine weitere Maßnahme besteht in der Vereinheitlichung der parallelen Wechselkurse. Die Vereinheitlichung erfolgte durch eine starke Abwertung des offiziellen Wechselkurses in Richtung des inoffiziellen. Die Anpassung brachte zunächst eine deutliche Abwertung der nigerianischen Naira gegenüber dem US-Dollar um mehr als 40%. Die Regierung hat beteuert, dass sie keine vollständige Freigabe der Währung beabsichtigt, aber sie will dennoch die Verzerrungen reduzieren, die durch das alte System entstanden waren. Unter anderem soll dies mittelfristig die Anreize für eine Rückkehr des „flüchtigen“ Kapitals erhöhen. Die Regierung hofft darauf, dass dies mittelfristig zu einer Erholung der Währung verhelfen wird. Das ist aus unserer Sicht etwas zu optimistisch, denn sowohl die Abschaffung der Subventionen als auch die Währungsabwertung werden zunächst weiteren Inflationsdruck erzeugen und den Abwertungsdruck aufrechterhalten. So lag die Inflationsrate im Juni bereits bei knapp 23%.

Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Maßnahmen notwendig und langfristig positiv zu bewerten, mehr noch: Sie sind ein Befreiungsschlag. Die Kehrseite der Medaille ist, dass diese Maßnahmen für hohe soziale Kosten sorgen. Der Widerstand in der Bevölkerung macht sich durch Demonstrationen und Ankündigungen von Streiks bemerkbar. Diese könnten dazu führen, dass die Regierung gezwungen wird, die Maßnahmen abzuschwächen.

Durchhaltevermögen gezeigt

Bisher zeigt die Regierung Durchhaltevermögen, was von den Märkten auch begrüßt wird. Allerdings dürfte Tinubu demnächst Maßnahmen bekanntgeben, um die negativen Folgen für die ärmeren Schichten der Bevölkerung abzumildern. Sollten die damit verbundenen Kosten überschaubar bleiben, dann dürften die Kapitalmärkte Nigeria weiterhin die Treue halten.

Vor den Wahlen war es zu einer Reihe negativer Ratingänderungen gekommen. Fitch hatte angefangen mit einem Downgrade von “B” auf “B-” im November 2022. Moody’s folgte Ende Januar 2023 mit einer Herabstufung von “B3” auf “Caa1”. Anfang Februar, kurz vor den Wahlen, hatte Standard & Poor’s das Rating zwar unverändert gelassen, aber den Ausblick von stabil auf negativ verändert. So war der Rating-Trend seit Jahren unverändert negativ gewesen und das bevölkerungsreichste Land Afrikas an Rande des Defaults geraten. Die Meldungen seit der Ankündigung der Reformen fallen bei den Rating-Agenturen unter Vorbehalt des Durchhaltevermögens des neuen Präsidenten aber positiv aus.

Auf der Überholspur

Diese positive Stimmung ist an den Märkten ebenfalls spürbar. So kam es unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl durch die gestiegene Unsicherheit zwar zu einer deutlichen Ausweitung der Spreads für nigerianische Fremdwährungsanleihen. Der Spread des von J.P. Morgan berechneten Index für Nigeria-Anleihen lag kurz vor der Wahl bei etwa 780 Basispunkten (BP) und stieg nach der Wahl deutlich auf fast 1.000 BP an. Seitdem haben sich die Spreads aber deutlich eingeengt auf zuletzt etwa 650 BP. Auch relativ zu anderen vergleichbaren Bonitäten in der Region, wie etwa der anderen afrikanischen Ölländer Angola und Gabun, haben sich die Anleihen von Nigeria besser entwickelt. Zwar haben sich die Spreads dieser Länder und des von J.P. Morgan berechneten Subindex für Hartwährungsanleihen für Afrika seit Mitte März ebenfalls deutlich eingeengt, jedoch in einem deutlich geringeren Umfang als im Falle Nigerias.

Positive Signale

Die gezeigte Reformfähigkeit auch in den kommenden Monaten unter Beweis zu stellen, ist unabdingbar für die weitere positive Entwicklung von Nigeria-Anleihen, so die Experten der DekaBank. Dies steht bereits jetzt für die Investoren außer Frage. Allerdings ist das nicht ausreichend für einen positiven Ausblick für die Staatsanleihen des Landes. Dafür sind auch andere Faktoren von großer Bedeutung, wie etwa die globale Liquiditätslage an den internationalen Kapitalmärkten, die in erster Linie von der Geldpolitik der amerikanischen US-Notenbank Federal Reserve abhängt. Da gab es positive Signale. Ebenfalls von Bedeutung ist die Ölnachfrage, die von der globalen Konjunkturentwicklung abhängig ist. Auch hier ist das Umfeld moderat positiv, so dass Nigeria-Anleihen weiterhin Unterstützung erhalten sollten.

*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets / Länderrisikoanalyse im Makro Research der DekaBank.

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