Zinsanstieg und Handelsstreit

Zwei Trends aus den USA setzen den Schwellenländer-Währungen zu - Abwertung könnte sich fortsetzen

Zinsanstieg und Handelsstreit

Steigende US-Zinsen und die Furcht vor einem von den USA ausgelösten weltweiten Handelskrieg haben die Währungen vieler Schwellenländer zuletzt unter Druck gesetzt. Dieser Trend dürfte sich im zweiten Halbjahr fortsetzen, wobei besonders Währungen von Ländern wie der Türkei mit internen Problemen weiter abwerten sollten.Von Stefan Schaaf, FrankfurtFür die Währungen der Schwellenländer ist 2018 bislang in der Summe schlecht gelaufen, für einige der Valuten aus Ländern mit internen Problemen sogar sehr schlecht. Beide Auslöser für die Abwertung, die gemessen an einem Index von J.P. Morgan für Schwellenländerwährungen seit Jahresbeginn knapp 7 % und seit dessen Jahreshoch Anfang Februar sogar rund 10 % beträgt, stammen aus den USA: steigende Leitzinsen und die wachsende Furcht vor einem Handelskonflikt. Da beide Entwicklungen sich fortsetzen werden, spricht dies für eine weitere Abwertung der Schwellenländerwährungen in der zweiten Jahreshälfte, was Investoren in Anleihen aus der Ländergruppe in lokaler Währung Kursverluste einbrocken könnte. “Da rund 80 % der externen Verschuldung in den Emerging Markets in US-Dollar denominiert ist, erschwert eine Dollar-Aufwertung zudem den Schuldendienst”, warnt Eduard Baitinger, Leiter der Asset Allocation der Feri-Gruppe. Stabilisierend wirken dürfte allerdings, dass das Wachstum in vielen Schwellenländern nicht mehr nur vom Export in die Industrieländer abhängt. Viele Länder haben zudem aus vorhergehenden Krisen gelernt und gelten als widerstandsfähiger gegen Krisen.”Das Ende des leichten Geldes bringt erhöhte Risiken für die Schwellenländer mit sich”, heißt es im aktuellen Währungsausblick der Société Générale. Der US-Leitzins erreichte mit der jüngsten Anhebung durch die Federal Reserve (Fed) an der Obergrenze wieder die Marke von 2 %. Zudem hat sie sich recht falkenhaft geäußert, was zusammen mit der Erwartung einer steigenden US-Inflation die Erwartung von zwei weiteren Leitzinsanhebungen im laufenden Jahr verstärkte. Zugleich beginnt auch die Europäische Zentralbank, wenn auch deutlich verhaltener, mit der Straffung ihrer Geldpolitik. “Die Währungen können sich im zweiten Halbjahr mit asymmetrischem Potenzial abschwächen, wenn die Fed auf einem Straffungspfad bleibt, vor allem dann, wenn höhere Zinsen bei verlangsamter Wachstums- oder Inflationsdynamik auftreten.” Steigen die Zinsen in den Industrieländern weiter an, so geht der Zinsvorsprung von Schwellenländer-Bonds verloren, was die Währungen schwächt. In vielen der Länder könnten sich daher die Notenbanken gezwungen sehen, die Zinsen ebenfalls anzuheben, um Kapitalabflüsse und einen Inflationsanstieg zu verhindern. Dies würde jedoch das Wachstum belasten. Rückfall in ProtektionismusEine direkte Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum könnte jedoch von einer Verschärfung des Handelskonfliktes ausgehen, welche die USA jüngst losgetreten hat. Erst zu Wochenbeginn hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, Einfuhren aus China im Wert von 200 Mrd. Dollar mit zusätzlichen Zöllen zu belegen. “Diese neuen Zollerhöhungen verschlechtern nicht nur die Wachstumsaussichten Chinas und des Rests Asiens, die durch globale Wertschöpfungsketten miteinander verbunden sind”, erklärte Seema Shah, Anlagestratege bei Principal Global Investors. “Auch Chinas Vergeltungszölle werden der US-Wirtschaft sicherlich großen Schaden zufügen.” Dieser Rückfall in den Protektionismus im Welthandel werde vor allem die ohnehin schon angeschlagenen Schwellenländer schwächen.Allerdings gibt es laut den beiden Währungsstrategen Jason Daw und Phoenix Kalen von der Société Générale bereits Zeichen, dass das globale Wachstum den Höhepunkt überschritten haben könnte. So seien in den meisten Industrie- wie Schwellenländern die Einkaufsmanager-Indizes für die Industrie sowohl auf Drei- als auch auf Sechsmonatssicht gefallen, auch wenn einige Exportländer sich recht gut hätten halten können. “Ein Verlust der Wachstumsdynamik wäre schädlich für die Stimmung in den Schwellenländern, da Wachstum historisch betrachtet ein wichtiger Faktor ist, der Kapital anzieht”, so die Analysten. Dieser Trend sei immer auch eng mit der Entwicklung der Währungen korreliert.Allerdings gibt es für die Schwellenländerwährungen unterstützende Faktoren. Die beiden Währungsstrategen verweisen unter anderem auf in der Summe eine unterstützende Wirkung seitens der Bewertung, realer Renditen und Leistungsbilanzen. Zu den am stärksten unterbewerteten Währungen zählen ihren Berechnungen zufolge aktuell die türkische Lira, der russische Rubel und der mexikanische Peso, während der chinesische Renminbi, der kolumbianische Peso und der koreanische Won überbewertet sind. Der kolumbianische Peso ist mit einem Plus von 2,3 % die beste Währung der Gruppe. Zu den Ländern mit Leistungsbilanzproblemen zählen sie insbesondere die Türkei, Südafrika und Kolumbien, während Tschechien, Thailand und Taiwan mit ihren Überschüssen punkten können. Schlusslicht ArgentinienNeben dem globalen Sentiment gegenüber den Schwellenländern hängt die Entwicklung ihrer Währungen auch an der allgemeinen Politik, aber insbesondere an der Fiskal- und Geldpolitik. Während beispielsweise der Rubel zum einen vom jüngsten Ölpreisanstieg profitierte, litt er zugleich unter geopolitischen Risiken. Diese zeigten sich an dem Konflikt in Syrien und US-Sanktionen gegen das Land. Mit einer Abwertung von gut 9 % seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar war der Rubel die fünftschwächste Währung unter 24 von Bloomberg beobachteten Schwellenländerwährungen.Schlusslicht in der Ländergruppe ist der argentinische Peso mit einem Wertverlust von rund einem Drittel. Das südamerikanische Land löste just in dem Jahr, in dem es den Vorsitz in der G 20 führt, einen massiven Vertrauensverlust in seine Finanzen aus. Argentinien hat sich mit dem IWF kürzlich auf ein Hilfsprogramm über insgesamt 50 Mrd. Dollar geeinigt. Am Markt wurde dies als “verzweifelter Versuch” gewertet, die Peso-Krise abzumildern. Neben dem Peso ist die türkische Lira in diesem Jahr ein Problemfall unter den Schwellenländerwährungen mit einer Abwertung von rund 20 %. Belastungsfaktoren in dem Land mit einem hohen Leistungsbilanzdefizit waren insbesondere die Drohung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen die Unabhängigkeit der Notenbank, dessen zunehmend schwer einzuschätzende Außenpolitik und Verbalattacken gegen die Finanzmärkte. Erst mit einer deutlichen Zinserhöhung, die Erdogan lange ablehnte, konnte die türkische Notenbank die Lira halbwegs stabilisieren. Nach den anstehenden Wahlen am Wochenende wird nach Einschätzung von Analysten allerdings ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik unausweichlich zur Stützung der Lira sein.Jüngst galt auch der ungarische Forint als Krisenkandidat. Mit Kursen um 325 Forint pro Euro fiel die ungarische Währung auf den tiefsten Stand seit Anfang 2015. Grund dafür war, dass die Notenbank trotz der Aussicht auf einen Inflationsanstieg mit Zinserhöhungen zögert – auch weil diese bei der Regierung in Budapest mit Blick auf das Wachstum nicht gewünscht waren. Erst die verbale Intervention des stellvertretenden Gouverneurs der ungarischen Notenbank (MNB), Márton Nagy, man könne bei Bedarf durchaus eine straffere Geldpolitik verfolgen, beruhigte den Kurs. “Diese Äußerung zeigt eindeutig, dass die MNB die jüngste Entwicklung als problematisch und nicht als getrost ignorierbare Nebensache einstuft”, betont Commerzbank-Analyst Tatha Ghose.