Finanzmärkte

Zinsstrukturkurven invertieren auf globaler Front

Immer mehr Staatsanleihemärkte rund um den Globus weisen inverse Zinsstrukturkurven auf. Die Märkte senden damit klare Rezessionssignale.

Zinsstrukturkurven invertieren auf globaler Front

Globale inverse Zinswelt

Immer mehr Staaten betroffen – Bondrenditen senden Rezessionssignale

In immer mehr Staaten rund um den Globus sind die Zinsstrukturkurven mittlerweile invertiert. Die Märkte senden damit klare Rezessionssignale. Die Notenbanken dürften bald mit Zinssenkungen beginnen.

kjo Frankfurt

Die Renditestrukturkurven an den Anleihemärkten der bedeutendsten Staaten rund um den Globus sind mittlerweile invertiert. Das bedeutet: Die zehnjährigen Renditen der Staatsanleihen der betreffenden Länder liegen unter den Sätzen, die bei einjährigen Staatspapieren dieser Länder gemessen werden. Dies gilt für so wichtige Staatsbondmärkte wie die USA, den Benchmark-Emittenten der Eurozone Deutschland, Großbritannien, die Schweiz, Schweden, Neuseeland und diverse andere mehr. So liegen etwa die zehnjährigen Renditen der US-Treasuries derzeit bei 4,56%, während die einjährige US-Rendite der Staatstitel bei 5,48% ist. Eine Differenz von 0,92 Prozentpunkten. In der Eurozone sind es etwa bei Deutschland, also den Bundesanleihen, bei den einjährigen Renditen Sätze von 3,67% und bei den zehnjährigen Papieren des Bundes noch 2,81%, und das obwohl sich das lange Ende jüngst doch wieder weiter nach oben bewegt hat. Bei den zehnjährigen Bundesanleihen ist mittlerweile wieder die Marke von 3% in Sichtweite, ein Niveau, das seit mehreren Jahren für Investoren in sehr weite Ferne gerückt war. Schließlich lag die Renditestrukturkurve der Bundesanleihen über viele Jahre im gesamten Laufzeitenbereich von bis zu 30 Jahren Fälligkeit der Bundeswertpapiere komplett im negativen Terrain. Deutschland war dabei nicht das einzige Land mit einer im negativen Bereich liegenden Zinsstrukturkurve, auch in diversen anderen Ländern war dieses Phänomen zu beobachten und hielt zudem viele Jahre an.

Mit den Leitzinssteigerungen der internationalen Notenbanken im Kampf gegen die Inflation bewegten sich verständlicherweise auch die Staatsanleiherenditen nach oben und kamen damit aus dem negativen Terrain sukzessive heraus. Im Wesentlichen war es die Inflationsbekämpfung der Zentralbanken, die hier als Haupttriebfeder des Renditenanstiegs wirkte. Mit der einsetzenden Diskussion, ob und inwieweit die Leitzinssteigerungen der Notenbanken auch die wirtschaftliche Aktivität abzuwürgen beginnen, veränderte sich die Struktur der Renditekurve: Die langfristigen Bondrenditen begannen in Erwartung von künftigen Leitzinssteigerungen nicht mehr so stark zu steigen. Am kurzen Ende der Laufzeitenkurve zeigte die restriktive Politik der Notenbanken nach wie vor ihre Wirkung, so dass hier die Renditen weiter stiegen bzw. auch nicht zu stark in manchen Marktphasen zu fallen begannen. Das führte im Ergebnis zu der Inversion der Zinskurve, nicht nur in Deutschland bzw. der Eurozone, sondern auch anderenorts wie in den USA, Schweden, aber auch Hongkong, Taiwan, Singapur etc. (vgl. Grafik). Die Zinsmärkte preisen damit rund um den Globus einen wirtschaftlichen Abschwung ein, die Zeichen stehen vielerorts auf Rezession.

HQ Trust hat für insgesamt 35 Industrie- und Schwellenländer den aktuellen Abstand zwischen den Zehnjahres- und den Einjahresrenditen berechnet. Eine positive Differenz – also eine über die zunehmende Laufzeit ansteigende Zinskurve – galt hierbei über viele Jahre als Normalfall.

„Der Grundsatz, dass langlaufende Staatsanleihen mehr Zinsen bringen als kurzlaufende, gilt aktuell nur für 13 der untersuchten 35 Länder“, sagt Sebastian Dörr, Kapitalmarktanalyst bei HQ Trust. Der Großteil der Länder weise aktuell eine inverse Zinskurve auf. Dazu zählen etwa Deutschland, die USA und Neuseeland, aber auch Taiwan. „Trotz einer einheitlichen Zentralbank, der EZB, sind die Unterschiede zwischen den Ländern innerhalb der Eurozone beachtlich“, sagt Dörr. Während in den Niederlanden oder Deutschland die Kurzläufer rund einen Prozentpunkt mehr Rendite bringen würden, lägen in Italien die Langläufer rund 0,7 Prozentpunkte über den einjährigen Anleihen. Die Gründe hierfür liegen seiner Ansicht nach in der höheren Verschuldung sowie einer weniger stabilen Haushaltssituation Italiens. Die höhere Rendite sei daher angesichts der Unsicherheit als eine Art Risikozuschlag anzusehen.

Häufiges Phänomen

Vergangenen Rezessionen ging laut Dörr zwar häufig eine inverse Zinsstrukturkurve voraus. Dies müsse in der aktuellen Situation aber nicht der Fall sein. „Grundsätzlich können sich niedrigere Zinsen am langen Ende am Kapitalmarkt entwickeln, wenn in der Zukunft mit sinkenden Zinssätzen gerechnet wird. Eine inverse Zinsstrukturkurve spiegelt daher oft die Befürchtung einer zukünftig schwächeren Wirtschaft wider“, so der Experte. Und: „Wenn Investoren erwarten, dass die Wirtschaft in der Zukunft schlechter performt als in der Gegenwart, suchen sie verstärkt nach langfristigen Anleihen, was die zehnjährigen Zinsen senkt.“ Die umfangreichen Zinsanstiege der vergangenen Monate seien angesichts außerordentlich hoher Inflationsraten beschlossen worden. Künftige Zinssenkungen seien bereits kommuniziert worden, wobei der genau Zeitpunkt noch unbekannt sei. „Folglich ist die aktuelle Invertierung der Zinsstrukturkurve nicht unbedingt eine Überraschung.“

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