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Zinswende in Osteuropa verschoben

Von Sören Hettler *) Börsen-Zeitung, 7.8.2014 Nicht nur der Euroraum hat mit einem rückläufigen Preisdruck zu kämpfen. Auch die östlichen Nachbarn sehen sich einer voranschreitenden Disinflation gegenüber. Während sich die Volkswirtschaften Polens...

Zinswende in Osteuropa verschoben

Von Sören Hettler *)Nicht nur der Euroraum hat mit einem rückläufigen Preisdruck zu kämpfen. Auch die östlichen Nachbarn sehen sich einer voranschreitenden Disinflation gegenüber. Während sich die Volkswirtschaften Polens und Rumäniens bislang noch knapp über der Nulllinie halten, hat Tschechien diese im Juni erreicht. Die ungarische Verbraucherpreissteigerung verharrt sogar bereits seit April im negativen Bereich.Verschärft wird die Situation in diesen Ländern durch die für das zweite Quartal erwartete Wachstumsschwäche. Dabei haben insbesondere die Unsicherheit im Zuge der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine sowie Handelssanktionen gegen Russland die konjunkturelle Lage und den Wachstumsausblick eingetrübt, ist die russische Volkswirtschaft doch ein wichtiger Handelspartner und Energielieferant für diese Region. Und auch aus dem Euroraum, dem mit Abstand bedeutendsten Handelspartner Osteuropas, sind angesichts der mangelnden konjunkturellen Dynamik derzeit keine positiven Impulse zu erwarten. Niedrige InflationsratenDie niedrigen Inflationsraten und die erwartete Konjunkturschwäche bringen die zugehörigen Notenbanken im Osten Europas unter Zugzwang. War im Januar 2014 noch die Rede von einer restriktiveren Ausrichtung und ersten Leitzinserhöhungen gegen Ende des Jahres, steht aktuell wieder die Frage nach zusätzlichen expansiven Maßnahmen im Vordergrund. So haben beispielsweise Rumäniens Währungshüter mit Verweis auf den rückläufigen Preisdruck zuletzt weitere Leitzinssenkungen in Aussicht gestellt – ausgehend von einem bereits historisch niedrigen Niveau.Bemerkenswert ist diese neuerliche expansive Ausrichtung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Währungshüter einen gewissen Preisrückgang für die Sommermonate bereits zu Beginn des Jahres in ihrer geldpolitischen Ausrichtung berücksichtigt hatten. Damals hieß es noch, dieser sei vorübergehender Natur und das Zinsniveau sei folglich angemessen. Scheinbar ist diese Überzeugung in den vergangenen Monaten mehr und mehr der Furcht vor einer länger anhaltenden Deflation gewichen.Das einzige Land in Osteuropa, für das eine Leitzinswende bis Mitte 2015 unseres Erachtens noch auf der Agenda stehen dürfte, ist Polen. Zwar sollte die Inflation auch im nächsten Jahr weitgehend unter 2 % bleiben. Die Wirtschaft dürfte sich jedoch mit Wachstumsraten über 3 % in den Jahren 2014 und 2015 vergleichsweise gut behaupten können und der Notenbank den nötigen Spielraum für erste Leitzinsanhebungen bieten. Spürbar an Boden verlorenDas schwierige wirtschaftliche Umfeld und die damit einhergehende Verschiebung der Leitzinswende von Seiten der osteuropäischen Zentralbanken hat auch an den Devisenmärkten Spuren hinterlassen. So verloren der polnische Zloty, der ungarische Forint und der rumänische Leu gegenüber dem Euro zuletzt spürbar an Boden. Selbst der Wechselkurs der tschechischen Krone gab Ende Juli ein Lebenszeichen von sich – erstmals seit Anfang des Jahres.Für Schwarzmalerei besteht auf der Währungsseite unterdessen kein Anlass. Zwar dürfte die jüngste Schwächephase der osteuropäischen Schwellenländerwährungen noch einige Wochen anhalten. Auf Jahressicht besteht jedoch nennenswertes Aufwertungspotenzial gegenüber dem Euro. Die Gründe hierfür liegen dabei auf beiden Seiten der Währungspaare. Auf der einen Seite steht die Europäische Zentralbank, die Anfang Juni ein umfassendes Paket an expansiven Maßnahmen angekündigt hat. Diese reichen bis weit in das Jahr 2016 hinein. Von entsprechenden Schritten dürfte in Osteuropa spätestens im vierten Quartal 2015 hingegen keine Rede mehr sein. Vielmehr sollten sich die derzeit herrschenden Konjunktursorgen und Deflationsängste bis dahin als überzogen herausstellen. Die Währungshüter Osteuropas dürften sich dann mit den historisch niedrigen Zinsniveaus wieder komfortabel aufgestellt sehen.Die Entwicklung an den Staatsanleihenmärkten dürfte neben den nationalen vor allem von globalen Faktoren bestimmt werden. Und hier prägt insbesondere der Ausblick für die USA das Bild. Zwar zeichnet sich bereits seit einigen Monaten ab, dass die Federal Reserve ihren expansiven Kurs zurückfahren wird. In den vergangenen Wochen haben Spekulationen über eine Leitzinswende bis spätestens Mitte 2015 jedoch merklich Auftrieb erfahren. Ein höheres Zinsniveau in den USA dürfte auch an den Rentenmärkten der Schwellenländer Osteuropas einen Renditeanstieg nach sich ziehen. So rechnen wir für Polen und Ungarn mit einem Anstieg der zehnjährigen Renditen zwischen 50 und 100 Basispunkten. Auch der tschechische Rentenmarkt dürfte sich dem globalen Anstieg des Zinsniveaus – expansive Notenbank hin oder her – nicht gänzlich entziehen. Kein AusverkaufMit einem erneuten Ausverkauf an den Staatsanleihemärkten der Emerging Markets, wie er in der ersten Jahreshälfte 2013 zu beobachten war, rechnen wir unterdessen nicht. Zwar war es auch damals die Ankündigung einer weniger expansiven Geldpolitik in den USA, die für die Turbulenzen an den Finanzmärkten verantwortlich war. Mittlerweile haben sich die Marktakteure jedoch an den Gedanken gewöhnt, dass die Fed früher oder später die Zinszügel anziehen wird. Zudem dürften sich neben den US-amerikanischen auch die globalen Wachstumsperspektiven im kommenden Jahr aufhellen.—-*) Sören Hettler ist Senior Analyst bei der DZ Bank.