Zoo-Aktie mit Aquarium ist nichts für Finanzhaie
Von Stefan Paravicini, Berlin
Die Aktie des Zoologischen Gartens Berlin ist nichts für Finanzhaie. Dabei gibt es die Papiere des Zoos Berlin auch „mit Aquarium“. Doch Zoodirektor Andreas Knieriem, seit dessen Amtsantritt 2014 sich der Aktienkurs mehr als verdreifacht hat, winkt ab. „Wir sind jetzt keine Technologie-Aktie, bei der es rauf und runter geht“, sagt der 55-Jährige. Kein Wunder, werden im Freiverkehr an der Berliner Börse im Tagesdurchschnitt doch nur ein paar Zoo-Aktien gehandelt. Bullen- und Bärenmarkt sind hier am ehesten für den Elefantenbullen und den Ameisenbär relevant. Dividende darf keine gezahlt werden, weil der Zoo sich seine Gemeinnützigkeit erhalten will. Die ist von besonderer Bedeutung, weil die Spenden und Erbschaften, die fast ein Fünftel der Jahreseinnahmen ausmachen, nicht zuletzt wegen der Gemeinnützigkeit und der damit verbundenen Erbschaftsteuerbefreiung erfolgen.
Aktionäre im Zoo-Palast
Statt mit Dividende werden Aktionäre in epidemiologisch unbedenklichen Zeiten per Handschlag von Zoodirektor Knieriem und Aufsichtsratschef Frank Bruckmann auf der Hauptversammlung im Zoo-Palast begrüßt. Anteilseigner, denen Tiergattungen wichtiger als Aktiengattungen sind, können gegen eine einmalige Zahlung ein Dauereintrittsrecht für den Zoo erwerben, das an den Besitz der Aktie gebunden ist. „Wir sind werthaltig in dem Sinne, dass man sich die Aktie gerne zu Hause an die Wand hängt“, wirbt Knieriem um Value-Investoren. Mit einem Kurs von derzeit rund 8550 Euro zählt der Titel zu den teuersten Papieren weltweit und macht aus jedem Wohnzimmer ein exklusives Wildgehege. „Ich unterschreibe jede Aktie persönlich, das sieht noch richtig analog aus und das mögen auch Viele“, erklärt der Veterinärmediziner, der in Europas größtem Zoo die Verantwortung für gut 600 Angestellte und rund 30 000 tierische Mitarbeiter trägt. Mit 5,5 Millionen Besuchern in Zoo und Tierpark im Jahr vor der Pandemie gehören die Zoologischen Gärten Berlin in die Weltspitze. „Das liegt in der Größenordnung von Singapur und San Diego, das sind die Schwergewichte der Zoo-Szene. Da dürfen wir uns hinzuzählen und das macht uns stolz.“
Actienverein für alle Arten
Stolz ist der Zoodirektor auch auf den Status als älteste notierte Berliner Aktiengesellschaft. „Früher waren fast alle Zoos Aktiengesellschaften“, sagt der im US-Bundesstaat Georgia geborene Wahlberliner. In den Jahren 1850 bis 1880, als die meisten Zoos in Deutschland gegründet wurden, habe es kaum andere Möglichkeiten gegeben, um das nötige Kapital zu beschaffen. „Häufig wurden sie als Vereine gegründet, merkten dann aber schnell, dass sie mehr Kapital benötigen, und wurden in Aktiengesellschaften umfirmiert – Actienvereine, hieß es damals so schön.“ So ging es auch dem Zoo Berlin: Gegründet 1844 wurde der Verein ein Jahr später in einen Actienverein umgewandelt. „In München gab es aus der gleichen Zeit einen kleinen privaten Zoo, den Benedikt-Zoo, der immer wieder pleiteging. Erst 1912 wurde dann der Tierpark Hellabrunn als Aktiengesellschaft gegründet“, erklärt Knieriem, der von 2009 bis 2013 den Tierpark Hellabrunn leitete. „Der Zoo Duisburg ist deutlich jünger und hat mittlerweile einen Squeeze-out hinter sich“, sagt er mit Blick in das Ruhrgebiet, wo vor mehr als 30 Jahren seine Karriere startete. Der Zoo Hannover wurde zunächst von einer Tierhandelsfirma aufgekauft und später in ein kommunales Amt umgewandelt. Auch in Frankfurt am Main ist der Zoodirektor eigentlich ein Amtsleiter. Am Zoo Berlin ist das Land Berlin mit einer Aktie beteiligt. Nur der Tierpark Hagenbeck in Hamburg wird unter den großen wissenschaftlich geführten Tiergärten noch privat kontrolliert. „Da gibt es alle Spielarten, das macht es auch so schwer, die Zoologischen Gärten zu vergleichen.“
Von Quallen und Gorillas
Schwer zu vergleichen sind auch die Bewohner des Zoos Berlin. „Ich sag mal so: Zwischen Qualle und Gorilla gibt es große Unterschiede“, sagt Knieriem zu den Folgen der Corona-Pandemie für seine tierischen Mitarbeiter. „Die Tiere brauchen nicht unbedingt die Besucher, um glücklich zu sein.“ Dennoch sei dem einen oder anderen Angestellten anzumerken, dass das Publikum fehlt. „Das Leben in einem Zoo kann ein toller Film sein, und zwar auch von der anderen Seite der Glasscheibe. Es gibt viele Tiere, die finden das total nett, die Menschen zu beobachten“, sagt Knieriem. Für die Einnahmen des Zoos genauso wichtig sind aber die Menschen, die die Tiere beobachten. Und weil während der Pandemie wegen des Ausbleibens der Touristen knapp zwei Drittel der Besucher fehlen, zeichnet sich für das vergangene Jahr ein Verlust ab. „Die Berliner halten uns die Stange, aber gerade im Winter hat uns auch die Schließung des Aquariums enorm geschadet“, sagt Knieriem. Auf der Kostenseite gebe es nur begrenzten Anpassungsspielraum, weil der Fixkostenanteil hoch ist. „Die Löwen sind noch nicht einmal die teuersten, da gibt es ganz andere Tiere“, sagt der Zoodirektor mit leicht vorwurfsvollem Unterton, ohne die gefräßigsten Mitarbeiter beim Namen zu nennen. Auch die Instandhaltung der Gebäude verursacht hohe Kosten. Von den Corona-Hilfen des Bundes konnte der Zoo bislang die November- und Dezemberhilfen in Anspruch nehmen. Derzeit werden zusammen mit den Wirtschaftsprüfern der Gesellschaft auch die Unterlagen für die Überbrückungshilfe III zusammengestellt.
Pandahaus für Pit und Paule
„Ich war immer schon ein sehr pragmatischer Tierarzt und verhalte mich so auch im Ökonomischen“, sagt Knieriem. Mit Rücklagen in Höhe von gut 60 Mill. Euro per Ende 2019 ist der Zoo Berlin denn auch so gut abgesichert, dass sich die beiden Pandabären Meng Meng und Jiao Qing zusammen mit ihrem 2019 in Berlin geborenen Nachwuchs Meng Xiang und Meng Yuan – von den Berlinern kurzerhand in Pit und Paule umgetauft – keine Sorge um ihre Bambusblätter machen müssen. Das üppige Eigenkapitalpolster ist ein Grund dafür, warum es heute keine Aktien „mit Panda Garden“ gibt. Denn anders als für den Bau des Aquariums im Jahr 1913 musste die Aktiengesellschaft für die Errichtung des 2017 neu eröffneten Pandahauses keine Kapitalerhöhung vornehmen.