LEITARTIKEL

Zurück in der Komfortzone

Die Bürger der Eurozone sind jüngst wohlhabender geworden, und das sogar ohne Berücksichtigung des kräftigen Wirtschaftswachstums. Dank der klaren Erholung des Euro können sie sich auf dem Weltmarkt deutlich mehr leisten. Handelsgewichtet hat der...

Zurück in der Komfortzone

Die Bürger der Eurozone sind jüngst wohlhabender geworden, und das sogar ohne Berücksichtigung des kräftigen Wirtschaftswachstums. Dank der klaren Erholung des Euro können sie sich auf dem Weltmarkt deutlich mehr leisten. Handelsgewichtet hat der Euro nämlich seit März 2015 rund 11 % an Wert gewonnen. Das zeigt der von der EZB berechnete nominale Währungskurs des Euro. Während die Wahrnehmung des Euro oft über den Euro-Dollar-Kurs erfolgt, ist für den globalen Einkaufsbummel der Eurozonen-Bürger der handelsgewichtete Wechselkurs von Bedeutung. Die EZB berücksichtigt dafür die wichtigsten Handelspartner der Währungsunion, und da kommen die USA nur noch auf einen Anteil von rund 17 %. Weit wichtiger ist inzwischen China, dessen Währung Renminbi in Zukunft immer mehr Freiheiten gegenüber dem Dollar erlangen dürfte. Während die Bedeutung von Japan und Großbritannien und damit von Yen und Pfund Sterling sanken, sind Polen und Tschechien inzwischen wichtig geworden. Nun ist es richtig, dass große Teile des Welthandels in Dollar abgewickelt werden, etwa zwischen Deutschland und Korea. Mit dem polnischen Zloty gewinnt jedoch eine Währung an Bedeutung, die direkt gegen den Euro berechnet wird und deren Wert – ohne Umrechnung über den Dollar – immer wichtiger für die Eurozone wird.Letztlich geht es bei einer stabilen beziehungsweise festen Währung nicht um Prestige, sondern um die internationale Kaufkraft ihrer Bürger, sprich um Geldwertstabilität. Mit dem sich abzeichnenden globalen Reflationierungstrend dürfte dieser Aspekt wieder an Relevanz gewinnen. Die deutliche Erholung des Euro, die im vergangenen Jahr insbesondere gegenüber dem Dollar ausgeprägt war, hat politische, geldpolitische und konjunkturelle Gründe. Politisch betrachtet wird der Euro immer mit einem Risikoabschlag gehandelt, der desto höher ist, je stärker die Märkte ein Auseinanderbrechen der Union befürchten. Man erinnere sich nur an die Jahre 2011 und 2012, als Investoren befürchten mussten, einen Teil ihrer Euro-Assets nicht mehr in Euro zurückzuerhalten. Das politische Risiko ist aus dem Eurokurs spätestens seit dem Sommer vergangenen Jahres mit der französischen Präsidentschaftswahl größtenteils herausgefallen. Seither wird der Euro wieder wie eine normale Währung auf Basis von Konjunktur-, Inflations- und Zinserwartungen gehandelt. Und die sprechen seither eindeutig für den Euro: Beim Wirtschaftswachstum bewegt sich die Eurozone längst wieder auf Augenhöhe mit den USA, die Arbeitslosigkeit sinkt und dies lässt eine Normalisierung der Preisentwicklung erwarten. Die Erwartung, dass die EZB vor diesem Hintergrund ihre Geldpolitik im laufenden Jahr straffen wird, hat den Euro zum Jahreswechsel wieder über die Marke von 1,20 Dollar steigen lassen. Die Gemeinschaftswährung bewegt sich damit wieder in einer Komfortzone, in der sich weder Exporteure noch Konsumenten sorgen müssen.Doch der Sprung über 1,20 Dollar ist kein Selbstläufer, auch wenn zahlreiche Broker derzeit eine lineare Fortsetzung der Euro-Aufwertung prognostizieren. Richtig ist, dass das Überraschungspotenzial eindeutig bei der Geldpolitik in der Eurozone liegt, während die zwei oder drei Zinserhöhungen der Federal Reserve in diesem Jahr mehr oder weniger erwartet werden.Allerdings könnten auch die Erwartungen an die EZB ein wenig überzogen sein. Angesichts der im März anstehenden Wahlen in Italien spricht vieles dafür, dass die Euro-Notenbank in nächster Zeit erst noch einmal stillhalten wird und sich als moderater erweist, als mancher Marktakteur derzeit erwartet. Sollte die Italien-Wahl ohne Verwerfungen im Hinblick auf die Eurozone verlaufen und die Inflation zumindest nicht zurückfallen, so spricht vieles für Tapering-Signale der EZB im Frühjahr. Als wichtigster “Frühindikator” gelten hierfür am Markt übrigens Äußerungen von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet. In der Zwischenzeit könnte der Eurokurs noch einmal unter Druck geraten, bevor er dann im Jahresverlauf wieder Fahrt aufnimmt. Mit Deutscher Bank und Goldman Sachs haben kürzlich zwei Schwergewichte die Marke von 1,30 Dollar als realistisch bezeichnet, womit der Euro auch nach Kaufkraft fair bewertet wäre.Helfen könnte dem Euro auch, dass eine sich abzeichnende Dollar-Schwäche hausgemacht sein dürfte. Die Steuersenkungen werden das Haushaltsdefizit der USA weiter aufblähen, die Leistungsbilanz ist ohnehin tiefrot – und hinzu kommen politische Risiken für den Dollar wie ein drohender Handelskonflikt und das erratische Handeln von Präsident Trump. ——–Von Stefan SchaafDie Krise des Euro ist abgehakt. Die Gemeinschaftswährung ist in die Komfortzone des Devisenmarktes zurückgekehrt – und hat noch Luft nach oben.——-