Alternative zum Kredit

60 Jahre Leasing in Deutschland

Das Leasing hat in den vergangenen 60 Jahren eine beachtliche Karriere in Deutschland absolviert. Dabei war der Start eher verhalten.

60 Jahre Leasing in Deutschland

Leasing hat sich in den vergangenen 60 Jahren in Deutschland als echte Alternative zum Kredit etabliert. Im Jahre 1962 wurden die ersten Leasing-Gesellschaften hierzulande gegründet. Beteiligt waren daran unter anderem auch US-amerikanische Leasing-Firmen, die die nötigen Kenntnisse mitbrachten. Wie etwa die bereits 1952 als erste Leasing-Gesellschaft der USA errichtete United States Leasing Corporation, die sich an der ersten deutschen Gründung, der Deutsche Leasing GmbH, beteiligte.

Der Ursprung des Leasings liegt in der Zielsetzung, den Absatz der Produkte zu fördern. Darin unterscheidet sich Leasing nicht von den Ursprüngen der Banken, die häufig aus Handelshäusern entstanden. Das Bankgeschäft war ursprünglich nur die Nebentätigkeit, deren Zweck darin bestand, den mit dem Warenverkehr verbundenen Finanzierungsbedarf zu decken. Später kristallisierte sich dann das Bankgeschäft als das Hauptgeschäftsfeld heraus, der Bezug zum eigentlichen realwirtschaftlichen Vorgang rückte in den Hintergrund oder ging ganz verloren. Beim Leasing gibt es dagegen heute noch eine enge Verzahnung zwischen der realwirtschaftlichen Investition und dem Finanzierungsgeschäft.

Die Förderung des Produktabsatzes ist auch heute noch ein wichtiger Bestandteil des Leasing-Geschäfts. Herstellernahe Leasing-Gesellschaften, die Captives, bilden vom Neugeschäftsvolumen her gesehen die größte Gruppe innerhalb der Leasing-Gesellschaften. Daneben bieten auch zahlreiche Unternehmen ihren Kunden an, die Beschaffung von Investitionsgütern über Leasing zu realisieren, ohne dass das Geschäft über eine Leasing-Tochter abgewickelt wird.

Mehr als Absatzförderung

Das Besondere der ersten Leasing-Gründungen im Jahre 1962 war, dass es sich nicht um Captives handelte, sondern dass sich zum ersten Mal auch Banken an der Gründung von Leasing-Gesellschaften beteiligten, wenn auch meist nur in Form von Minderheitsbeteiligungen. Das deutet darauf hin, dass es nicht mehr nur um die Absatzförderung ging, sondern dass dem Finanzierungsgedanken, der mit Leasing verknüpft ist, eine eigenständige Bedeutung zukam.

Damals herrschte die Erwartung vor, dass das kräftige Wirtschaftswachstum zu einem erheblichen Investitionsschub führen würde, den die Unternehmen angesichts niedriger Eigenkapitalquoten und begrenzter Innenfinanzierungsmöglichkeiten nicht durch Kreditaufnahmen finanzieren könnten. Benötigt wurden somit Finanzierungsvehikel, die eine möglichst vollständige Fremdfinanzierung ohne Einsatz von Eigenkapital ermöglichten. Rückblickend betrachtet war die Eigenmittelausstattung der Unternehmen Anfang der 1960er Jahre mit ca. 30% deutlich günstiger als in späteren Jahren, in denen die Eigenkapitalquote unter 20% absank.

Die Ansichten über die Entwicklungsmöglichkeiten von Leasing waren geteilt. Einige sahen in Leasing ein neues Instrument, mit dem sich nahezu alle gewerblichen und privaten Anschaffungen realisieren ließen. So gab es z.B. die Vision, dass Kinderbekleidung oder Waschmaschinen künftig geleast anstatt gekauft werden. Andere dagegen attestierten dem Leasing keine große Zukunft, weil das Geschäftsmodell zu riskant sei, da Leasing eine 100-prozentige Fremdfinanzierung ohne Einsatz von Eigenkapital darstelle. Verbunden mit langen Laufzeiten sei das Risiko für den Leasing-Geber so hoch, dass Leasing nur für Adressen mit erstklassiger Bonität in Frage komme. Verstärkt werde das Risiko noch dadurch, dass viele rechtliche Fragen ungeklärt seien und Leasing-Gesellschaften weniger Einblicke in das Geschäftsgebaren ihrer Kunden haben als Banken, die die Zahlungsbewegungen auf den Geschäftskonten als wichtige Informationsquelle nutzen können. Darüber hinaus sei Leasing von den Konditionen her nicht konkurrenzfähig gegenüber dem Kredit, da Leasing-Gesellschaften keinen Zugang zu zinsgünstigen Einlagen haben, sondern sich über Banken refinanzieren müssen. Daten über die Konditionen von Leasingverträgen widerlegen allerdings diese Behauptung. Da das Leasing-Geschäft mit hohen Risiken verbunden sei, werden die Banken bei der Refinanzierung der Leasing-Gesellschaften zurückhaltend sein und entsprechend hohe Risikoprämien einkalkulieren. Alleine als Instrument der Absatzförderung habe Leasing eine Zukunftsperspektive.

Zäher Start

In der Tat entwickelte sich das Leasinggeschäft zunächst nur verhalten. Gründe hierfür waren Unklarheiten über die zivilrechtliche, steuerrechtliche und handelsrechtliche Einordnung von Leasing. Leasing ist bis heute nicht gesetzlich geregelt, erst durch die Rechtsprechung in den 1970er und 1980er Jahren hat sich allmählich eine Rechtslage herausgebildet, die weitgehende Rechtssicherheit schafft. Unklarheit bestand in den 1960er Jahren darüber hinaus hinsichtlich der Frage, wem das Leasingobjekt steuerlich und bilanziell zuzuordnen ist. Gängige Praxis damals war, dass der Leasinggeber das Leasingobjekt bilanzierte und die Abschreibungen steuerlich geltend machte, wohingegen der Leasingnehmer weder das Leasingobjekt noch eine Leasingverbindlichkeit bilanzierte, sondern die Leasingrate als Betriebsausgabe erfasste. Diese Praxis war aber keineswegs unumstritten. Vielmehr vertrat die Finanzverwaltung zunächst die Ansicht, dass bei Vollamortisationsverträgen das Leasingobjekt dem Leasingnehmer zuzurechnen sei. Im gleichen Sinne äußerte sich auch das Institut der Wirtschaftsprüfer Anfang der 1970er Jahre, allerdings waren zu diesem Zeitpunkt die Weichen bereits in eine andere Richtung gestellt. Denn am 26. Januar 1970 fällte der Bundesfinanzhof ein wegweisendes Urteil und stellte Grundprinzipien auf, nach denen die Zurechnung des Leasingobjekts für steuerliche Zwecke zu beurteilen ist. Auf den in diesem Urteil festgelegten Kriterien basieren die in der Folgezeit vom Finanzministerium verfassten Leasingerlasse, zunächst für Voll-, später dann für Teilamortisationsverträge. Diese bis heute gültigen Erlasse haben die Praxis des Leasing-Geschäfts geprägt und führen dazu, dass aufgrund der engen Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz die ganz überwiegende Anzahl der Leasingverträge nicht vom Leasingnehmer bilanziert wird.

Weshalb Leasing sich dennoch durchsetzen konnte, geht aus zwei Umfragen hervor, die Ende der 1960er Jahre vom Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) und vom Deutschen Institut für Volksbefragung (DIVO) durchgeführt wurden und in denen nach den Motiven für die Wahl von Leasing gefragt wurde. Aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen und aufgrund methodischer Unterschiede sind die Ergebnisse zwar nur bedingt vergleichbar, man kann aus ihnen aber eine einheitliche Grundtendenz herauslesen. Demnach sind für die Leasingnehmer besonders wichtig (siehe Grafik):

Die Abwälzung des Investitions- und Überalterungsrisikos;

Eine einfache technische Abwicklung, wozu auch die Entlastung von Nebentätigkeiten und der Off-Balance-Sheet-Charakter von Leasing zählen;

Steuervorteile;

Finanzierungsvorteile in Form einer liquiditätsmäßigen Entlastung und einer Erweiterung des Finanzierungsspielraums.

Erstaunlich ist, dass aktuelle Umfragen keine wesentlich anderen Ergebnisse erbringen. Auch heute noch stehen die Entlastung vom Investitions- und Überalterungsrisiko, die Schonung der Liquidität, die Erhaltung des Finanzierungsspielraums sowie Steuer- und Bilanzierungsfragen im Vordergrund. Einige Motive wie der Schutz vor Überalterung bedürfen keiner weiteren Erläuterung, andere Gründe dagegen sind nicht so offensichtlich.

Der Steuervorteil entscheidet

Bisweilen wird die Meinung vertreten, dass steuerliche Vorteile der entscheidende Grund seien, weshalb Leasing der Kreditfinanzierung vorgezogen wird und Leasing verschwinden würde, wenn diese Vorteile durch eine Reform der Steuergesetzgebung entfallen würden. Um zu prüfen, ob Leasing dem Kreditkauf überlegen ist, muss die gemeinsame Steuerbelastung von Leasingnehmer/Leasinggeber mit der gemeinsamen Steuerbelastung von Kreditnehmer/Kreditgeber verglichen werden. Steuerliche Vorteile können sich daraus ergeben, dass die Steuersätze von Objektnutzer und Leasinggeber/Kreditgeber unterschiedlich sind. Kann z.B. der Objektnutzer die steuerliche Absetzbarkeit der Abschreibungen nicht nutzen, eine Leasing-Gesellschaft aber sehr wohl, spricht dies für Leasing. Vor- oder Nachteile können sich auch daraus ergeben, dass Sachverhalte unterschiedlich erfasst werden. Eine solche Situation gibt es in Deutschland bei der Gewerbesteuer: Seit 2008 werden 20% der Leasingraten von Mobilien-Leasingverträgen als Zinsanteil angesehen und zu 25% der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hinzugerechnet. Soweit der tatsächliche Zinsanteil geringer ist als 20%, wird Leasing steuerlich gegenüber der Kreditfinanzierung benachteiligt.

Werden Verpflichtungen aus Leasingverträgen nicht bilanziert, so verbessern sich Bilanzrelationen wie z.B. der Verschuldungsgrad oder die Gesamtkapitalrendite. Solche Bilanzrelationen fließen typischerweise in Kreditwürdigkeitsprüfungen ein und sind häufig Bestandteil von Kreditvertragsklauseln. Darüber hinaus kann eine Nichtbilanzierung nützlich sein, um Bilanzierungs- und Prüfungsvorschriften, die an die Bilanzsumme gekoppelt sind, zu vermeiden. Andererseits verbessert eine Bilanzierung aber auch Kennzahlen wie das Ebit (Earnings before Interest and Taxes) oder das Ebitda (Earnings before Interest Taxes and Depreciation). Ob Leasing als ein Instrument der Bilanzpolitik genutzt werden kann, hängt davon ab, ob die Bilanzadressaten sich von der Nicht-Bilanzierung von Leasingverpflichtungen beeinflussen lassen. Die empirische Evidenz gibt hierzu keinen klaren Aufschluss. Eine vorläufige Auswertung der Jahresabschlüsse von Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, legt nahe, dass die mit dem neuen Leasingstandard IFRS 16 verbundene Bilanzierungspflicht von Leasingverbindlichkeiten zu einem Rückgang des Leasings geführt hat.

Mehr Spielraum

Die Erweiterung des Finanzierungsspielraums wird immer wieder als ein gewichtiger Vorteil von Leasing herausgestellt. In der Wissenschaft werden hierzu gegensätzliche Positionen vertreten. So wird angeführt, dass jede Erhöhung des Leasingvolumens in gleichem Maße den Kreditspielraum reduziere, da Leasingverpflichtungen nicht anders zu beurteilen sind als Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus Kreditaufnahmen. Empirisch lässt sich das nicht bestätigen. So kommt eine viel beachtete Arbeit aus dem Jahre 1984 zu dem Ergebnis, dass genau das Gegenteil gilt: Leasing und Kredit sind nicht Substitute, sondern verhalten sich komplementär. Die These, dass Leasing den Finanzierungsspielraum erhöht, kann man auf der Basis der Theorie der Kreditsicherheiten begründen. Leasing ist eine Art besicherter Kredit, wobei Leasing eine besonders effektive Form der Besicherung darstellt, weil der Leasinggeber anders als der Kreditgeber vollwertiges rechtliches Eigentum am Leasingobjekt hat, das ihn zur Aussonderung – und nicht nur zur Absonderung – im Insolvenzfall des Leasingnehmers berechtigt. Kreditsicherheiten können verhindern, dass hoch verschuldete Kreditnehmer eine riskantere Unternehmensstrategie wählen, sofern ein Strategiewechsel die Investition in andere Assets erfordert. Darüber hinaus ist für den Finanzierungsspielraum der Wert, den eine Kreditsicherheit im Liquidationsfall für den Gläubiger hat, von Bedeutung. Aufgrund des Aussonderungsrechts und der Verwertungskompetenz ist der Liquidationswert der Sicherheiten für Leasing-Gesellschaften in der Regel höher als für Banken. Es gibt überzeugende empirische Belege dafür, dass es Leasing-Gesellschaften tatsächlich gelingt, im Insolvenzfall des Leasingnehmers höhere Rückflussquoten zu erzielen als Banken.

Typisch für Leasing ist, dass Eigentum und Nutzung auseinanderfallen. Befragungen zeigen, dass das Eigentum an den Objekten, die genutzt werden, durchaus ein gewichtiger Aspekt sein kann bei der Wahl zwischen Leasing und Kreditkauf. Grundsätzlich spielt das Eigentum sowohl für Unternehmen, die Leasing nutzen, als auch für Unternehmen, die auf Leasing verzichten, eine nicht unwesentliche Rolle, es zeigt sich aber, dass diejenigen, die Leasing nicht nutzen, dem Eigentum durchweg eine deutlich höhere Wichtigkeit beimessen.

Es ist davon auszugehen, dass die wesentlichen Motive, die in den vergangenen 60 Jahren für Leasing gesprochen haben, auch für die Zukunft Bestand haben werden. Es werden aber neue Herausforderungen auf die Branche zukommen.

Dem Finanzsektor kommt seit jeher eine wichtige Rolle bei der Allokation von Ressourcen zu. Aufgabe von Banken und Leasing-Unternehmen ist es, Finanzmittel in solche Verwendungen zu lenken, denen eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit beigemessen wird. In der Zukunft wird diese Funktion dahingehend erweitert, dass der Finanzsektor zusätzlich prüfen muss, wie sich die Realisierung der finanzierten Projekte auf den Klimawandel und die Nutzung von Ressourcen auswirkt. Für die Finanzbranche ist dies Neuland, die Leasing-Branche ist aufgrund ihrer Objektnähe und Objektkompetenz gut gerüstet, die Auswirkungen der von ihnen realisierten Investitionen auf die Umwelt und die Nutzung von Ressourcen beurteilen zu können.

Kreislauf in der IT

Ein weiteres Umweltziel der EU ist der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Schon heute gibt es beim IT-Leasing erste Ansätze, die in diese Richtung gehen. Typisch für IT-Equipment ist, dass es nicht physisch verschleißt, sondern veraltet. Leasing-Gesellschaften machen sich dies zunutze, indem sie zurückgegebene IT-Objekte nach einer professionellen Säuberung von Daten und nach einem eventuellen Upgrade neuen Verwendungen zuführen. Denn nicht jeder IT-Nutzer benötigt das jeweils neueste und leistungsstärkste Equipment. Für einen Übergang zu einer echten Kreislaufwirtschaft sind aber noch erhebliche Anstrengungen notwendig, insbesondere auch im Hinblick auf andere Objektarten.

Leasing beruht auf der Grundidee, dass es auf die Nutzung, nicht auf das Eigentum ankommt. Dies entspricht auch dem Grundgedanken der Sharing Economy. Allerdings muss man konstatieren, dass der klassische Leasingvertrag wenig mit der echten gemeinsamen Nutzung von Gütern zu tun hat. Wer sein Fahrzeug für drei Jahre least, nutzt in dieser Zeit das Fahrzeug ausschließlich selbst, genauso, als wenn das Fahrzeug Eigentum des Nutzers wäre. Eine Hinwendung zur Sharing Economy verlangt, dass Leasingbeziehungen künftig anders gestaltet werden als heute. Und schließlich ist die Digitalisierung eine Herausforderung, die nicht nur, aber auch die Leasingbranche erfasst. Um nur einige Beispiele zu nennen: Das Internet of Things ermöglicht neue Vertragsmodelle und neue Serviceoptionen, die Schnittstelle zum Kunden wird digitaler werden und die internen Abläufe in einer Leasing-Gesellschaft werden sich verändern.

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