Bosch macht Mitarbeiter fit für die neue Automobilwelt
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Der Automobilzulieferer Bosch steckt in der größten Transformation seiner Unternehmensgeschichte – wie viele Firmen aus der Auto- und Zulieferbranche. Je schneller das Ende des Verbrennermotors kommt, desto schwieriger wird es für Bosch und andere, den Wandel sozialverträglich hinzubekommen. Denn für die neuen Technologien – E-Mobilität oder Brennstoffzelle – benötigen die Firmen weniger Mitarbeiter. „Wenn wir heute für einen Dieselantrieb zehn Mitarbeitende beschäftigen, ist es bei einem Elektrofahrzeug nur noch einer, und bei der Brennstoffzelle ist das Verhältnis 10 zu 7“, rechnet Bosch-Personalchefin Filiz Albrecht im Gespräch mit der Börsen-Zeitung vor.
Sozialverträglich gestalten
Allerdings betont Albrecht die große Bedeutung der Zeitkomponente – „Je länger die Transformation dauert, desto eher können wir sie entlang der demografischen Entwicklung sozialverträglich gestalten.“
Die europäische Politik möchte sich 2035 von der Verbrennertechnologie verabschieden. Von da an sollen nur noch vollelektrische Autos zugelassen werden. Was das genau für die Mitarbeiterzahlen von Bosch bedeutet, darauf möchte sich das Unternehmen nicht im Detail festlegen. Zum einen ist man weltweit tätig, und nicht überall in der Welt ist das Ende des Verbrennermotors besiegelt oder kommt so schnell wie in Europa. Zudem fallen zwar dann in bestimmten Bereichen Arbeitsplätze weg, in anderen Bereichen entstehen aber neue Stellen. Zwar sei die Zahl der Mitarbeiter von Bosch in der Verbrennersparte zurückgegangen, so Albrecht, „aber die Gesamtzahl der Beschäftigten ist gestiegen, weil wir gerade in den Zukunftstechnologien sehr stark einstellen, etwa in Feldern wie Software und Elektronik“. Allerdings wird es im Zuge der Transformation möglicherweise einen „Shift“ geben, weg von an- und ungelernten Arbeitskräften hin zu mehr Fachkräften – „doch das betrifft die gesamte Industrie“. Stark nachgefragt sind derzeit nicht nur in der Automobilbranche Software- und IT-Spezialisten. 10000 dieser Arbeitskräfte will allein Bosch in diesem Jahr einstellen. Ein Großteil dieser Fachkräfte kommt von außerhalb; grundsätzlich setzt Albrecht aber vor allem auf die Mitarbeiter, die schon im Unternehmen sind. „Unser Fokus liegt auf Qualifizierung und interner Vermittlung“, betont die Bosch-Arbeitsdirektorin, die ihre Position seit Anfang 2021 innehat.
Für die Transformation insgesamt, aber auch für die Qualifizierungsmaßnahmen braucht man Zeit – und Planungssicherheit. „Wir haben bei Bosch fließende Übergänge zu neuen Technologien und auch zu höherer Automatisierung und Digitalisierung traditionell gut hinbekommen. Etwas anderes sind aber abrupte Veränderungen oder Kehrtwenden – denn für die Gestaltung des Wandels brauchen wir Zeit“, sagt Albrecht, die gerade bei der Planungssicherheit die Politik in der Pflicht sieht.
Mehr als 200 Mill. Euro investiert Bosch jährlich in die Weiterqualifizierung der Beschäftigten. In diesem Kontext wurde der IHK-zertifizierte Ausbildungsberuf Elektrofachkraft ins Leben gerufen. Auch andere Firmen aus der Automobil- und Zuliefererbranche wie Continental und ZF Friedrichshafen haben entsprechende Initiativen gestartet, denn Software- und IT-Experten sind in Zeiten des Fachkräftemangels schwer zu bekommen. Zudem sollen die Mitarbeiter auf die neue Automobilwelt vorbereitet werden.
Das Angebot von Bosch wird laut Albrecht gut angenommen – „Wir machen keinen Druck, aber wir reden viel mit den Beschäftigten darüber, dass wir in einem Veränderungsprozess stecken und dass wir bestimmte Qualifikationen zunehmend brauchen.“ Es gebe eine Menge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, „die motiviert sind und gerne weiter lernen.“ Bei der Weiterbildung will sich Bosch die Technologieoffenheit bewahren, denn noch ist nicht klar, in welche Richtung genau die Reise geht – wie viel E-Mobilität, wie viel Brennstoffzelle oder doch noch in eine ganz andere Richtung? Die Elektrofachkraft etwa ist in allen Bereichen einsetzbar.
„Allianz der Chancen“
Zum sozialverträglichen Weg gehört für Albrecht die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Anfang 2021 wurde die „Allianz der Chancen“ aus der Taufe gehoben; inzwischen sind 40 Firmen zusammengekommen sowie Gewerkschaften, die Bundesagentur für Arbeit und politische Akteure. Gemeinsam wolle man den Beschäftigten „branchenübergreifend wirtschaftliche und sozial nachhaltige Beschäftigungsperspektiven eröffnen“.
Die Idee der Initiative sei es, einen Mitarbeiter, für den Bosch keine Verwendung mehr hat, bei einem anderen Unternehmen unterzubringen. Dabei steht die regionale Vernetzung im Vordergrund, um den Mitarbeitern möglichst keinen Umzug zumuten zu müssen. „Wir müssen technologische Lösungen bieten, die zu ökologischen Zielen passen und zugleich die Balance zu sozialen Aspekten im Blick behalten. Das ist eine Aufgabe für das Unternehmen wie auch für die Gesellschaft insgesamt“, fasst die Bosch-Arbeitsdirektorin zusammen.