FMC-Chefin Kriwet geht nach zwei Monaten
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Vor dem Amtsantritt hat sie von einem Traumjob gesprochen, doch er hat sich zum Alptraum entwickelt. Dr. Carla Kriwet (51) scheidet nach nur zwei Monaten an der Spitze von Fresenius Medical Care (FMC) wieder aus dem Dialysekonzern aus. Als Grund für den überraschenden Wechsel führt das Unternehmen strategische Differenzen an. Nachfolgerin ist die bisherige Finanzchefin Helen Giza (54), die zunächst weiterhin auch für das Finanzressort verantwortlich zeichnet. Der Aufsichtsrat habe Giza einstimmig bestellt, teilt FMC mit. An der Börse wurde der überraschende Wechsel mit einem Kursrückgang der FMC-Aktie um 3,7% auf 29,83 Euro quittiert; die Fresenius-Titel verloren 1,6% auf 26,20 Euro.
Zu den genauen Gründen für den abrupten Wechsel will sich FMC nicht äußern. „In einer fundamental gesunden Branche muss sich Fresenius Medical Care noch stärker auf den operativen Turnaround fokussieren, die Unternehmensperformance weiter verbessern und sich auf seinen Kern konzentrieren“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende und Fresenius-Chef Michael Sen. Der Manager war zeitgleich mit dem Antritt von Kriwet zum CEO der FMC-Muttergesellschaft Fresenius aufgestiegen. Aus seinen Worten lässt sich ablesen, dass Kriwet die Ertragssteigerung aus Sicht des Aufsichtsrats nicht entschlossen genug in Angriff genommen hat. Ihr Vertrag hatte eine Laufzeit bis 2025, über die finanziellen Konditionen des Ausscheidens hält sich FMC auf Nachfrage bedeckt.
Giza soll nun die Taktzahl erhöhen. „Wir freuen uns, dass Helen Giza den Vorstandsvorsitz von Fresenius Medical Care übernimmt. Sie ist bestens geeignet, das Unternehmen auf dem vor ihm liegenden Weg zu führen“, würdigt Sen die Managerin. Giza habe in ihrer Zeit bei FMC „eine tiefgreifende Expertise im Bereich der Nierenerkrankungen und ein umfassendes Verständnis des Unternehmens erworben“. Vor ihrem Eintritt bei FMC hatte Giza viele Jahre in führenden Positionen für den Pharmakonzern Takeda gearbeitet.
Giza ist seit 2019 bei FMC und dürfte auch schon früher Ambitionen auf den Chefsessel gehabt haben. Mit der Bestellung von Kriwet war Giza zu deren Stellvertreterin aufgerückt. Zusätzlich zu ihrer Funktion als CFO war ihr 2021 die Aufgabe des Chief Transformation Officer übertragen worden, so dass sie die Umsetzung des 2020 gestarteten Wachstumsprogramms FME25 leitet. Darin geht es um schlankere Strukturen, kräftigeres Wachstum und eine beschleunigte Wertschöpfung sowie die Senkung der Kostenbasis um 500 Mill. Euro.
Bei allen Bemühungen zur Effizienzsteigerung hatte FMC zuletzt immer wieder die gesteckten Ertragsziele verfehlt. Das Unternehmen war nach Ausbruch der Corona-Pandemie von einer Übersterblichkeit bei Dialysepatienten getroffen worden. Dazu kamen im wichtigsten Markt Nordamerika zunehmende Personalengpässe und Belastungen aus Kostensteigerungen. Die Ertragsmisere von FMC wurde zusehends für Fresenius ein Problem, was zur vorzeitigen Ablösung des langjährigen Vorstandschefs Stephan Sturm führte. Auch Kriwet ging wegen der akuten Probleme einige Monate früher als geplant ans Steuer. Ihr Vorgänger Rice Powell wechselte in den Ruhestand.
Bei der ersten Präsentation von Zahlen in neuer Funktion hatte Sen ein „sehr entschlossenes und zügiges“ Vorgehen angekündigt, um Ertragsfortschritte zu realisieren. Das Management habe begonnen, alle Geschäftsaktivitäten auf den Prüfstand zu stellen, und schaue sich das gesamte Portfolio an. Der Schwerpunkt liege auf Rentabilität. Auch Kriwet hatte bei der ersten Zahlenvorlage als FMC-Chefin „tiefgreifende Maßnahmen“ in Aussicht gestellt. Das Fresenius-Management ist unter starkem Druck, weil beide im Dax geführten Aktien im Zuge der Misere erheblich an Wert verloren haben. Zudem ist der aktivistische Investor Elliott eingestiegen und arbeitet Insidern zufolge auf eine Aufspaltung des Konzerns hin.
Für Kriwet ist es eine herbe Niederlage. Sie hatte ihren Posten als Chefin der Münchner Bosch-Tochter BSH Hausgeräte GmbH, ein Unternehmen mit 15,6 Mrd. Euro Umsatz, nach rund zwei Jahren aufgegeben, um die herausfordernde Aufgabe bei FMC zu übernehmen. Mit Kriwet war erstmals kein US-Amerikaner und kein Manager aus den eigenen Reihen an die Spitze von FMC berufen worden. Kriwet galt als Wunschkandidatin des ehemaligen Fresenius-Chefs Sturm. Sie brachte internationale Erfahrung aus dem Gesundheitskonzern Philips mit, für den sie einige Jahre als Managerin im US-amerikanischen Andover tätig war.
Kriwet wird zum Abschied mit den Worten zitiert, sie habe in kurzer Zeit „ein faszinierendes Unternehmen mit einer sehr positiven Unternehmenskultur kennengelernt, das sich täglich dafür einsetzt, das Leben von Patientinnen und Patienten lebenswerter zu gestalten“. Das Unternehmen habe ein großes Wachstumspotenzial und stehe vor einer umfassenden Transformation, sie danke dem ganzen Team „für die großartige Unterstützung und wünsche dem Unternehmen alles Gute!“.