Industrie schwächelt zum Jahresende
ba Frankfurt
Das Jahr 2022 verlief für die deutsche Industrie ziemlich durchwachsen – und ist mit einem unerwartet deutlichen Produktionsminus zu Ende gegangen. Zwar hat sich das Risiko einer Gasmangellage nicht materialisiert, doch startet die Industrie mit ziemlichen Belastungen ins neue Jahr: Die Auftragseingänge sind rückläufig, die höheren Hypothekenzinsen bremsen den Bausektor, die Weltwirtschaft schwächelt und laut dem Branchenverband VDA ist die Automobilproduktion im Januar kräftig gesunken. In Kombination mit dem inflationsbedingt mauen Privatkonsum dürfte dies die Gesamtwirtschaft im ersten Quartal bremsen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat für den Schlussabschnitt ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2% gemeldet. Damit ist das Szenario einer technischen Rezession – also von zwei Minusquartalen in Folge – wieder etwas näher gerückt.
Industrie, Bau und Energieversorger drosselten im Dezember die Gesamtfertigung um preis-, saison- und kalenderbereinigt 3,1%. Ökonomen wurden von dem stärksten monatlichen Rückgang seit März, also dem ersten vollen Monat nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs, überrascht: Sie hatten nur ein Minus von 0,8% erwartet, nachdem der Output im November noch 0,4% höher als im Vormonat ausgefallen war. Für das gesamte Jahr 2022 meldet Destatis ein Produktionsminus von kalenderbereinigt 0,6% zum Vorjahr. Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag das Produktionsniveau noch 5% höher als 2022.
Damit reihen sich die Produktionsdaten ein in die Riege der Konjunkturindikatoren, die für den Dezember ein trübes Bild zeichnen: Die hohe Inflation nagt an der Kaufkraft der Verbraucher, was dem Einzelhandel ein deutliches Umsatzminus eingebracht hat, die schwache Nachfrage aus Drittstaaten nach deutschen Waren hat den Außenhandel belastet, und die Neubestellungen nahmen nur dank der volatilen Großaufträge um 3,2% zu. Die erneute Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 50 Basispunkte in der vergangenen Woche bremst wegen der höheren Hypothekenzinsen die Baubranche. Im Dezember dürfte das zusätzlich vergleichsweise kalte Wetter zu dem Rückgang der Bauproduktion um 8% geführt haben. Die Energieerzeugung lag um 2,3% unter dem Niveau des Vormonats. Die Industrie im engeren Sinne – also ohne Bau und Energieerzeugung – schraubte die Fertigung um 2,1% zurück. Dabei ist insbesondere die Produktion in den energieintensiven Industriezweigen gesunken, und zwar um 6,1%. Die nach wie vor hohen Energiepreise machen die Herstellung etlicher Güter unrentabel. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf den Produktionsrückgang in der chemischen Industrie (−11,2%) sowie im Bereich Papier und Pappe (−7,6%).
Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen verweist aber auch auf „die spezielle Kalenderkonstellation rund um Weihnachten“. Offiziell hatte der Dezember zwar viele Arbeitstage, doch entfielen in diesem Jahr mehr als sonst üblich wegen der traditionellen Werksferien zwischen Weihnachten und Neujahr, nachdem die Feiertage zumeist auf dem Wochenende lagen. Er erwartet daher für Januar eine gewisse Gegenbewegung.
ING-Chefökonom Carsten Brzeski wertet den Dezember als „Monat zum Vergessen“ – erfolge keine deutliche Aufwärtsrevision, sei die Wirtschaft „im Dezember einfach in den Winterschlaf gefallen“. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, sieht in den Daten „Ausläufer der vielbeschworenen Rezession“. Das eigentliche konjunkturelle Tiefdruckgebiet ziehe im ersten Halbjahr 2023 über Deutschland. Auch für das Bundeswirtschaftsministerium „zeigt sich im Dezember die erwartete wirtschaftliche Abschwächung im Winterhalbjahr “. Allerdings seien die Geschäftsaussichten in den jüngsten Umfragen zuletzt optimistischer ausgefallen, und die Materialengpässe nähmen ab. „Zusammen mit den immer noch gut gefüllten Auftragsbüchern deutet dies darauf hin, dass die wirtschaftliche Abschwächung im Winter milde ausfallen dürfte.“