Insolvenzen im November so hoch wie nie in diesem Jahr
ba Frankfurt
Die deutschen Unternehmen sind zwar weiter skeptisch, aber nicht mehr ganz so pessimistisch mit Blick auf die kommenden Monate. Dass sich bislang weder der erwartete tiefe Produktionseinbruch noch eine Insolvenzwelle materialisiert haben, stützt ihre Erwartungshaltung, dass die Winterrezession milde verlaufen dürfte.
Obwohl die 808 im November gemeldeten Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften den Höchststand in diesem Jahr markieren, spricht das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) von einem im langfristigen Vergleich niedrigen Niveau. Denn im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 kam es laut amtlicher Statistik im November zu 1007 Firmenpleiten. Allerdings liegt die Zahl der betroffenen Jobs mit 9000 bei den größten 10% der Insolvenzfälle in diesem November laut IWH deutlich über dem Niveau der letzten zwölf Monate.
„Die Insolvenzzahlen entwickeln sich bisher verhaltener als von vielen erwartet“, sagt IWH-Experte Steffen Müller. Das Institut hatte für November mit 900 Insolvenzen gerechnet. Müller rechnet auch für die kommenden Monate mit keinen grundlegenden Veränderungen beim Insolvenzgeschehen. Zuletzt hatten Interessenvertretungen mehrerer Branchen wegen der hohen Energiepreise und einer Reihe weiterer Kostensteigerungen vor einer Insolvenzwelle ungekannten Ausmaßes gewarnt und in diesem Zusammenhang für staatliche Unterstützung für die Mitgliedsunternehmen geworben. Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht in den staatlichen Hilfsmaßnahmen eine Ursache des Tiefstands der Insolvenzen. Erst wenn diese „zielgerichtet und nicht unabhängig von der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen ausgezahlt“ würden, sei ein deutlicher Anstieg der Insolvenzzahlen zu erwarten.
Positive Signale für die Industrie sendet derweil der Lkw-Maut-Index. Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren im November kalender- und saisonbereinigt 0,3% mehr mautpflichtige Lkw mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen unterwegs. Im Vorjahr waren es allerdings noch 0,7% mehr. Da wirtschaftliche Aktivität Verkehrsleistung benötigt und erzeugt, gibt die Lkw-Fahrleistung auf den Autobahnen frühe Hinweise zur aktuellen Konjunkturentwicklung in der Industrie, erklären die Statistiker die Bedeutung des Frühindikators. Diesen gibt es als experimentellen Frühindikator auch in einer täglichen Variante.
Neues Datenmaterial
Destatis hat mit dem „Pulsmesser für die Wirtschaft“ sein Dashboard Deutschland nun um ein Angebot zur Konjunkturbeobachtung in Echtzeit erweitert: Die Kombination amtlicher Konjunkturindikatoren mit hochfrequenten nichtamtlichen Daten von Instituten und anderen Anbietern erlaube eine schnelle Einordnung, werben die Statistiker für das neue Internetangebot. „Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist trotz einer leichten Aufhellung weiterhin pessimistisch, aktuelle Daten lassen bislang aber auch keine Hinweise auf einen tiefen Konjunktureinbruch erkennen“, hieß es bei der Vorstellung von Destatis.
Jüngste Umfragen des Ifo-Instituts haben gezeigt, dass der Materialmangel in der Industrie nachgelassen hat und die Stimmung etwa im Mittelstand und in der Autoindustrie sowie bei den Exporteuren gestiegen ist – wenn auch auf niedrigen Niveaus. Für die Exportwirtschaft machte Ifo-Präsident Clemens Fuest Hoffnungsschimmer aus, auch wenn der Außenhandel zuletzt schwächelte. Laut Destatis ist für sie der Euro beliebtestes Zahlungsmittel im Geschäft mit sogenannten Drittstaaten, also Ländern außerhalb der EU. 55,6% der deutschen Exportgeschäfte in die Drittstaaten wurden in Euro abgewickelt, 25,6% in Dollar. Danach folgten Geschäfte in chinesischen Renminbi (5,0%) und britischen Pfund (4,0%). Nur 9,9% der Exporte wurden Destatis zufolge in anderen Währungen bezahlt. In russischen Rubeln wurden 0,6% der Geschäfte abgewickelt. 2021 lag der Rubel-Anteil noch bei 1,2%. Wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland infolge des Ukraine-Kriegs fielen die deutschen Exporte nach Russland von Januar bis Oktober um 43% auf 12,5 Mrd. Euro. Der Euro war auch bei Importen aus Drittstaaten beliebteste Währung (46,4%), gefolgt vom Dollar (45,3%).