Aktivistische Investoren

Mitunter nur Sturm im Wasserglas

Aktivisten nehmen deutsche Unternehmen verstärkt aufs Korn. In der jüngsten Vergangenheit haben sie indes kaum nachhaltige Erfolge gemessen am Shareholder Value erzielt. Das liegt auch, aber nicht nur an ihrer mitunter kurzfristigen Orientierung.

Mitunter nur Sturm im Wasserglas

Für ein gutes neues Jahr hat sich der Bayer-Vorstand vermutlich einen anderen Start gewünscht. Der Dax-Konzern musste gleich zwei neue Aktionäre begrüßen, die ihren Einstieg öffentlich gemacht haben und dafür bekannt sind, Druck auf das Management aufzubauen: Inclusive Capital Partners, die ihren Anteil mit 0,8 % offenlegt, und Bluebell, die ihre Beteiligungshöhe nicht nennt. Beide Aktivisten halten auch mit ihren Wünschen nicht hinterm Berg. Ein neuer Vorstandschef als Nachfolger des spätestens im April 2024 ausscheidenden Werner Baumann soll von außen kommen und eine Aufspaltung des Konzerns prüfen.

Der Vorstoß der beiden Fondsgesellschaften sollte den Pharmakonzern kaum überraschen. Seit Baumanns Antritt 2016 hat die Bayer-Aktie 35 % eingebüßt im Vergleich zu einem Plus von 150 % beim Dax. Neben dem Monsanto-Desaster fällt auch noch der häufig bemühte Kon­glomeratsabschlag ins Auge – alles zusammen eine Mischung, die Unternehmen üblicherweise auf dem Radarschirm von Aktivisten weit sichtbar aufblinken lässt.

Dabei kommt hinzu, dass diese ihre Kampagnen im vergangenen Jahr weltweit verstärkt haben und vor allem deutsche Unternehmen seit einiger Zeit deutlich häufiger ins Visier nehmen als zuvor. Ein wichtiger Grund ist vor allem „die Underperformance vieler deutscher Unternehmen im Vergleich zu ihren internationalen Peers, was die Profitabilität betrifft“, wie Patrick Siebert, Managing Director und Co-Head Deutschland bei Alvarez & Marsal (A&M), der Börsen-Zeitung sagt. Während sich die Firmen hierzulande beim Umsatz angesichts des krisenhaften Umfeldes während Pandemie, Kriegsschock und Inflation als besonders resilient erwiesen und robustes Wachstum gezeigt haben, konnte dies nicht in einen entsprechenden Zuwachs beim Gewinn übersetzt werden. „Und dies ist ein klassischer Ansatzpunkt für aktivistische Investoren.“ Die relative Gewinnschwäche übersetzt sich überdies meist in eine relativ schwache Kursentwicklung, die erfolgreich als Einfallstor genutzt werden kann.

Aktivisten erkennen in diesem Fall in einer Kostenüberprüfung einen leichten Hebel zur operativen Verbesserung, die sich in einem Kursanstieg auszahlen kann. „Im Fokus stehen aber auch häufig Managementwechsel, eine veränderte Kapitalallokation sowie Portfolioveränderungen“, so Siebert. „Ein Konglomeratsabschlag“ habe hierzulande besonders häufig einladend auf Aktivisten gewirkt. Dies dürfte auch bei Bayer eine Rolle spielen, ebenso wie zuvor bei Thyssenkrupp oder Bilfinger.

Die Kampagnen werden „von langer Hand akribisch vorbereitet, in der Regel über 18 bis 24 Monate. Die Investoren sind dann äußerst gut gerüstet und haben konkrete Vorschläge für Veränderungen ausgearbeitet“, betont der Manager. Aus seiner Sicht sind die Kampagnen auch deshalb in den vergangenen Jahren „zunehmend wirkungsvoller geworden“. Ob man ihnen deshalb zugleich gute „Erfolge“ bescheinigen kann, bleibt dennoch oft mehr als fraglich. „Aktivisten verfolgen kurz- bis mittelfristige Ziele, Vorstand und Aufsichtsrat haben dagegen die mittel- bis langfristige Entwicklung des Unternehmens im Blick.“ Zwischen diesen Zielen besteht oft ein Spannungsverhältnis. Eine kurzfristige rechnerische Kurssteigerung ist eine Wirkung, allerdings ist sie oft nicht nachhaltig positiv.

So war der als aggressiv bekannte Investor Elliott im April 2019 bei SAP eingestiegen. Er gab sich dort ziemlich handzahm. Die von Paul Singer geführte Gesellschaft signalisierte „volle Unterstützung“ für die Strategie des Managements und stieg relativ schnell wieder aus, im Januar 2020. Der Aktienkurs war in der Zwischenzeit um 10 % vorangekommen. Einen nachhaltigen Kursanstieg hat Elliott als Teilzeitaktionär indes nicht herbeigeführt. Die folgenden strategischen Weichenstellungen mit dem Kraftakt der Umstellung auf die Cloud zeitigten einen herben Gewinnknick und damit verbunden einen kräftigen Kursabschlag. Erst in jüngster Zeit sehen SAP-Investoren die Wende.

Auch manch beschwerliche Übung im Konglomeratsumbau, den Aktivisten hierzulande angezettelt haben, ist gründlich misslungen. Prominentestes Beispiel ist zweifellos das rund zehnjährige Drama von Restrukturierungen, Jobabbau, Beteiligungsverkäufen, Strategiewechseln, das Cevian seit 2013 bei Thyssenkrupp begleitet hat. Eingestiegen waren die Schweden, die sich nach eigener Darstellung auf „substanzielle Beteiligungen an unterbewerteten börsennotierten Unternehmen“ konzentrieren, zu einer Zeit, als die Thyssenkrupp-Aktie zwischen 17 und 19 Euro notiert hatte. Zwischenzeitlich hielt Cevian 18 % und war zweitgrößter Einzelaktionär hinter der Krupp-Stiftung. Beim endgültigen Ausstieg im November 2022 lag der Kurs bei etwa 5,20 Euro.

Ähnlich bescheidenen Erfolg erzielte Cevian mit der Beteiligung am Industriedienstleister Bilfinger. Dessen aus dem Ruder gelaufenes Portfolio, das über Jahre kein Kerngeschäft überhaupt mehr erkennen ließ, wurde über die Jahre deutlich gestrafft. Der aktuelle Aktienkurs liegt indes weit unter dem Einstiegsniveau des Investors, der mit 26,27 % des Kapitals wohl kaum ohne Einfluss ist. A&M hatte zuletzt zehn deutsche Unternehmen auf der sogenannten roten Liste von Firmen, die unmittelbar im Zielfokus von Aktivisten stehen. Bange sein muss den Firmen deshalb nicht. „Ein Blick von außen bringt oft eine veränderte Dynamik in die Unternehmensführung. Das muss nicht schlecht sein“, so Siebert. Überdies sei zu beobachten, dass Aktivisten, die die Zahl ihrer Kampagnen im vergangenen Jahr global um 36 % sprunghaft erhöht haben, in Deutschland und Europa „weniger aggressiv vorgehen als beispielsweise in den USA“. Es komme häufiger zu einem konstruktiven Dialog zwischen Investoren und Management, ohne dass sofort eine Fehde in die Öffentlichkeit getragen werde. Das hat auch damit zu tun, dass sich die früher typischen Abwehrmechanismen gegenüber Aktivisten ebenfalls verändert haben. Unternehmen öffnen sich dem „konstruktiven Dialog“ oder empfangen die Warnsignale und bereiten sich „proaktiv“ vor, in dem sie „mögliche Angriffsflächen“ selbst identifizieren und Lösungen suchen. Auf diese Weise dürfte etwa Siemens, die ihr Portfolio seit Jahren aktiv umbaut und durch die Abspaltung von Siemens Healthineers Werte im Konzern transparent gemacht hat, dem Radarschirm von Aktivisten entkommen sein.

Derzeit schwenkt deren Blick ohnehin stärker auf einen anderen Sektor: Technologiefirmen ragen als Zielscheiben heraus, wie eine internationale Untersuchung von Lazard ergeben hat. Der Bereich hat im vergangenen Jahr ein Fünftel aller Neuengagements angezogen. Hierzulande bekam unter anderem der MDax-Konzern Teamviewer Druck von Petrus Advisers. Einfallstor war der dramatische Kurssturz im Katastrophenjahr 2021, als nicht nur das Wachstum lahmte, sondern auch völlig überteuerte Sportsponsoring-Verträge zur Last wurden. International macht ein Schwergewicht auf sich aufmerksam, das sich ebenfalls seit geraumer Zeit als lohnendes Objekt für Aktivisten empfiehlt: Bei Salesforce, wo nach der megateuren Slack-Übernahme das Stühlerücken im Management anhält und der Kurs binnen Jahresfrist um 30 % gefallen ist, ist Elliott nun an die Seite von Starboard Value, die seit Oktober dabei ist, gerückt. Wie zuvor bei SAP sehen die Aktivisten hier die Chance, an der Marge des wachstumsstarken Unternehmens zu feilen und Kursgewinne einzufahren. Auf längere Sicht ist das indes womöglich auch nur ein Sturm im Wasserglas.

Von Heidi Rohde, Frankfurt

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