Prozess gegen Ex-Wirecard-Chef beginnt im Dezember
Von Stefan Kroneck, München
Zweieinhalb Jahre nach dem aufgeflogenen Bilanzbetrug um Wirecard beginnt mitten in der Adventszeit der Gerichtsprozess gegen die Angeklagten Markus Braun (53) und zwei weitere frühere Manager des im Sommer 2020 pleitegegangenen Zahlungsabwicklers. Das Oberlandesgericht München (OLG) teilte mit, dass die zuständige 4. Große Strafkammer des Landgerichts München I die Hauptverhandlung am 8. Dezember dieses Jahres starten werde. Die Berufsrichter setzten zunächst 100 Verhandlungstage bis kurz vor Weihnachten 2023 an. Danach könnte der Prozess, falls nötig, weitergehen.
Es wird sich also um ein Mammutverfahren handeln, welches der Dimension des Prozesses gegen den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler ähnelt. Der langjährige Ex-CEO der Ingolstädter Volkswagen-Tochter muss sich wegen der Dieselabgasmanipulationen vor den Landgericht München verantworten. Der Prozess gegen den heute 59-Jährigen begann im September 2020. Im September dieses Jahres ließ die Justizbehörde in der bayerischen Landeshauptstadt die Anklage der Staatsanwaltschaft München gegen Braun und die beiden anderen Tatverdächtigen vollumfänglich zur Hauptverhandlung zu.
Mitte März hatten die Strafermittler gegen den gebürtigen Wiener Braun und die beiden anderen Beschuldigten Anklage erhoben (vgl. BZ vom 14. März). Neben Braun sitzen Oliver Bellenhaus, Ex-Statthalter der Konzerntochtergesellschaft in Dubai, sowie Stephan Freiherr von Erffa, der ehemalige Chefbuchhalter und stellvertretende Finanzchef, auf der Anklagebank. Die Strafermittler werfen dem Trio gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, unrichtige Darstellung und Marktmanipulationen in mehreren Fällen vor. Braun bestreitet die Tatvorwürfe.
Der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hält sich Medienberichten zufolge derweil mutmaßlich in Russland versteckt. Die Behörden in Moskau lieferten den 42-jährigen Österreicher bisher an die deutsche Justiz nicht aus.
Nach der Zulassung zur Hauptverhandlung war das Gericht gezwungen, den Strafprozess so rasch wie möglich anzuberaumen. „Der Vorsitzende der 4. Strafkammer wird in Kürze Termine zur Hauptverhandlung bestimmen“, berichtete seinerzeit das Oberlandesgericht. Bei Prozessen dieses Umfangs mit einer drohenden mehrjährigen Freiheitsstrafe greift für die Justiz der Beschleunigungsgrundsatz mehr denn je. Das heißt, die Verfahrensbeteiligten sind angehalten, den Prozess so schnell wie möglich zu eröffnen. Der Hauptangeklagte in der Causa Wirecard sitzt seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft.
Der Zusammenbruch des einstigen Dax-Aufsteigers hatte für Aufsehen gesorgt. Der Finanzplatz Deutschland erlitt einen erheblichen Reputationsschaden, da unter anderem die Finanzaufsicht BaFin bei der Kontrolle versagt hatte. Im Juli 2020 hatte die Staatsanwaltschaft darüber informiert, ihre Ermittlungen auf den Verdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs ausgeweitet zu haben. Allein für dieses besonders schwere Delikt droht den drei Angeklagten laut Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Der Zahlungsabwickler war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines Finanzlochs in Milliardenhöhe implodiert. Der Insolvenzverwalter Michael Jaffé wickelt das Unternehmen ab.