Tech-M&A

Strategen auf dem Vormarsch

Trotz scharfer Bewertungskorrektur bremst der Technologiesektor den Absturz der globalen M&A-Aktivitäten im laufenden Jahr. Während Strategen derzeit stärker zugreifen, liegt Private Equity für 2023 auf der Lauer und hofft nicht zuletzt wegen der Euro-Schwäche auf Schnäppchenpreise.

Strategen auf dem Vormarsch

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Obwohl Inflation und Zinswende vor allem im Technologiesektor zu einer ziemlich scharfen Bewertungskorrektur geführt haben, bleibt TMT (Technologie, Medien und Telekommunikation) ein Treiber für das M&A-Geschäft. Diese Überzeugung teilen einer Umfrage von Morrison Foerster und Mergermarket zufolge strategische Investoren ebenso wie Finanzinvestoren. Beide gehen da­von aus, dass nicht nur das gesamte Deal-Volumen im Tech-Bereich im kommenden Jahr steigen wird, sondern auch die durchschnittliche Deal-Größe. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wurde ein TMT-Transaktionsvolumen von 887 Mrd. Dollar registriert, weniger als im Rekordjahr 2021, aber mehr als 2020, allen Unkenrufen zum Trotz.

Gleichwohl beobachtet Dirk Besse, Managing Partner bei Morrison Foerster in Berlin und Europachef der Kanzlei für M&A „im laufenden Quartal Spuren einer Verlangsamung“ bei den Transaktionsaktivitäten. Diese gingen nicht zuletzt auf Finanzierungsschwierigkeiten zu­rück. Bei der Platzierung von Anleihen würden teilweise „deutlich zweistellige Zinsvorstellungen“ aufgerufen. Dies bremse naturgemäß vor allem stark fremdfinanzierte Deals, wie sie typischerweise im Private-Equity-Umfeld entstehen.

Firmen in Europa günstig

Indes sind es nach seiner Einschätzung nicht primär die erhöhten Zinskosten, die diese Investoren etwas bremsen. „Private Equity liegt noch auf der Lauer“, so Besse im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Grundsätzlich sei das Kaufinteresse an europäischen Tech-Firmen aus dem Ausland schon deshalb sehr hoch, weil der Euro gegenüber dem Dollar so deutlich abgewertet habe. Jedoch seien die Investoren zögerlich, in der Hoffnung, dass demnächst noch bessere Schnäppchenpreise zu erzielen seien. Dies erklärt auch, warum Private-Equity-Adressen im kommenden Jahr mit einem Anstieg der Aktivitäten rechnen. Die Hälfte der Umfrageteilnehmer geht demnach davon aus, 2023 „mehr als vier M&A-Deals im Tech-Segment“ unter Dach und Fach zu bringen.

Allerdings bremst aus Besses Sicht, dass sich Beteiligungsgesellschaften nicht nur bei Fremdfinanzierungen inzwischen schwerer tun, sondern auch die Eigenmittel mitunter nicht mehr so üppig fließen wie in der Niedrigzinsphase. Denn: Große institutionelle Anleger, die bestimmten Anlagerichtlinien folgen müssen, sind derzeit auch gezwungen, wieder mehr Geld in festverzinsliche Anleihen zu stecken, und haben deshalb – von Fall zu Fall – weniger Mittel für Private-Equity-Fonds übrig.

Bei strategischen Käufern ist Geld nicht die Hauptsorge. Hier ist das überragende Motiv, Anschluss an den technologischen Fortschritt zu halten. Aus diesem Grund dominieren Transaktionen, wo es um Artificial Intelligence oder Machine Learning geht, klar das Geschehen. Gleiches beobachtet auch die M&A Boutique Clipperton. Die inhabergeführte Investmentbank, die 2013 im Start-up-Hotspot Berlin expandiert ist, hat sich auf Transaktionen mit Dealgrößen zwischen 50 und 500 Mill. Euro spezialisiert. Sie beobachtet im Tech-Bereich grundsätzlich eine „große Software-Dominanz“, wie Nikolas Westphal, seit 2020 Partner in Berlin, betont. In der von ihm geleiteten DACH-Region entfielen in der ersten Jahreshälfte 45 % von Tech-M&A auf Unternehmen der Software- und Cloud-Branche.

Im Vergleich zum vergangenen Jahr lasse sich bei den Transaktionen ein klarer Trend zu weniger „Fundraising“ und zu mehr „Kauf und Verkauf“ erkennen, so Westphal. Ein Grund dafür sei, dass sich „opportunistische Investoren, die üblicherweise Pre-IPO einsteigen, um dann von einem Bewertungsaufschlag zu profitieren, jetzt fehlen“.

Die relative Resilienz des Transaktionsgeschäfts im Tech-Bereich ist aus seiner Sicht auch mit der Dominanz des Software-Sektors zu erklären. „In Deutschland ist mittlerweile ein starkes Ökosystem von spannenden Softwarefirmen entstanden.“ Diese hätten das ursprüngliche gewichtigere E-Commerce-Segment abgelöst, das in der gegenwärtigen Konjunkturlage mit hoher Inflation das Interesse von Investoren eher verloren habe.

Leichte Bremsspuren

Auch Westphal stellt fest, dass „strategische Investoren visibler werden“. Hier wurden im DACH-Bereich auch die größeren Summen aufgerufen. Unter den Top 10 der strategischen Deals seit Jahresbeginn ragt der Kauf von Beterna durch Telefónica für 350 Mill. Euro heraus. Das Vergleichsranking im Buy-out-Bereich wird angeführt von der DBAG, die sich Akquinet für 200 Mill. Euro ins Portfolio gelegt hat. Insgesamt sieht der Manager ebenso wie Besse inzwischen leichte Bremsspuren in der Deal-Aktivität und geht davon aus, dass „2023 ein bisschen schlanker wird als dieses Jahr“. Zum Hauptbremsklotz für Tech-M&A werden Besse zufolge allerdings weder die gesunkenen Bewertungen – „da raufen sich die Partner zusammen“ – noch Finanzierungs- oder kartellrechtliche Hürden.

Stattdessen hat das sogenannte Foreign Investment Regime (FDI), das Außenwirtschaftsrecht, enorm an Gewicht gewonnen. „Eine Transaktion wie der Verkauf von SLM Solutions an den japanischen Nikon-Konzern wäre an eine chinesische Adresse undenkbar gewesen“, formuliert der M&A-Experte. In zahlreichen Ländern Europas habe das FDI-Regime „mittlerweile eine Komplexität erreicht, die viel bedeutender ist als etwa das Kartellrecht“. Die erhöhte Sensibilität, die der Bundeswirtschaftsminister inzwischen bei chinesischen Investitionen in Deutschland zeigt, sei es beim Veto gegen den Einstieg eines chinesischen Käufers bei Elmos oder die Beteiligung am Hamburger Hafen (HHLA), ist geeignet, Käufer und Verkäufer ab­zuschrecken. Jenseits der EU beobachtet Besse, dass vor allem Großbritannien „sehr bemüht ist, das FDI-Regime zu schärfen“, um mit anderen westlichen Regierungen auf Augenhöhe zu sein.

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