Wachstumsspezialist mit Blick für die Marge
Von Michael Flämig, München
Er denkt nicht nur schnell, sondern analysiert auch messerscharf und kann über die Resultate druckreif in hoher Geschwindigkeit sprechen – zudem mit Witz und zuweilen einer Prise Selbstironie: Marcus Desimoni ist zurück. Er hatte sich als IR-Chef von Siemens (2002 bis 2007) einen exzellenten Ruf als Kenner der Kapitalmärkte erworben, dann nach dem Ausflug als CFO zur Siemens-Gesellschaft in Japan (2008 bis 2010) rund um den Globus erfolgreich vor allem für Hörgerätehersteller gearbeitet (Singapur, Dänemark), um 2021 als Finanzchef zum Brillenglashersteller Rodenstock in München zu wechseln. Dort fungiert der 54-Jährige seit Anfang Februar als Vorsitzender der Geschäftsführung.
Wie es sich anfühlt, erstmals – nach den CFO-Stationen und zwei Interims-CEO-Positionen – als Chef ein Unternehmen über Jahre zu führen? „Lonely on the top“ sei er nun, so seine Antwort während eines Pressegesprächs. Der Chef trage eben die alleinige Verantwortung. Als Seiteneinsteiger habe er sich auch in der Vergangenheit den Spiegel vor die Augen gehalten: Wo bringe er Mehrwert und wo müsse er einfach den Kollegen zuhören. „So bin ich eigentlich die vergangenen Jahre gut gefahren, das möchte ich weitermachen.“
Seinen Mehrwert sieht Desimoni, dessen CFO-Rolle bei Rodenstock am 1. April der Pfleiderer-Finanzvorstand Mani Herold übernimmt, in einer „massiven Businessorientierung“. Das Produktgeschäft habe einen Lebenszyklus von zwei bis drei Jahren, dies sei sein Ding: „Da spürt man den Puls der Zeit.“ Er schätzt darüber hinaus, keine Restrukturierung vorantreiben zu müssen, sondern bei Rodenstock in ein Wachstumsgeschäft einzusteigen.
Dass Rodenstock seit März 2021 im Besitz von Apax Partners ist und damit den vierten Finanzinvestor als Eigentümer in Folge hat, schreckt Desimoni nicht. Im Gegenteil. Börsennotierungen sind nicht mehr das favorisierte Modell des ehemaligen IR-Chefs. „Im Gegensatz zu vielen anderen denkt Private Equity langfristig“, so seine Erfahrung. Die Fonds wollten nicht die Welt retten, sondern dächten an den Exit: „Da hat man einen Fahrplan, den man als Management unterschreibt.“
Die Investoren von Apax wissen, was sie an Desimoni haben. Er hat den Verkauf des Brillengeschäfts orchestriert, die Expansion in den iberischen Raum mit einer Akquisition vorangetrieben und beim geräuschlosen Exit aus Russland Handlungsfähigkeit bewiesen. Desimonis Leitgedanke passt zu Private Equity: „Wir sind in erster Linie ein Unternehmen, das Cashflow zu erwirtschaften hat.“ Im vergangenen Jahr erlöste Rodenstock knapp 500 Mill. Euro bei einer Ebitda-Marge von 24%. Die Marge des reinen Brillenglasgeschäfts betrug sogar 26%. Die Verlagerung von Wertschöpfung ins kostengünstige Ausland eröffnet weiteres Margenpotenzial.
Bis zum Apax-Exit wird Desimoni zeigen müssen, dass Rodenstock auf Basis eines Alleinstellungsmerkmals bei der Fertigung von ausgeprägt individualisierten Gläsern stark wachsen kann. Mit einem Marktanteil von einem Viertel ist das Potenzial in Deutschland beschränkt. Desimoni richtet den Blick auf die USA als größten Medizintechnikmarkt, der zudem hohe Margen ermöglicht. Dort will sich Rodenstock nicht über eine Übernahme im Massenmarkt etablieren, sondern plant den schrittweisen Zugang als Value-Marke.