Widerstand der Aktionäre gegen Plan von Siemens
jh München
Der Widerstand von deutschen Fondsgesellschaften und Aktionärsvereinigungen gegen virtuelle Hauptversammlungen von Siemens wächst. Kritik kommt unter anderem von Union Investment und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Befürchtet wird eine Einschränkung der Aktionärsrechte und das Fehlen eines lebendigen Dialogs.
Wie berichtet, nutzen die Siemens AG und Siemens Energy das neue Gesetz zu virtuellen Aktionärstreffen und wollen sich von ihren Anteilseignern ermächtigen lassen, auch in den nächsten zwei Jahren eine reine Online-Hauptversammlung zu veranstalten (vgl. BZ vom 20.12.2022).
Union Investment, die Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken und Siemens-Aktionär mit einem Anteil von 1,4%, hat angekündigt, auf der Hauptversammlung (HV) der Siemens AG am 9. Februar gegen eine entsprechende Satzungsänderung zu stimmen. Union wolle Siemens keinen „Blankoscheck“ ausstellen, argumentiert die Gesellschaft. Es gibt die Befürchtung, die virtuelle HV von Siemens könnte zu einer dauerhaften Einrichtung werden.
Union Investment vermisst Transparenz in der Information von Siemens – unter anderem, wie die Aktionäre ihre Rechte wahrnehmen können. Vor Union hatte schon Deka Investment, das Wertpapierhaus der Sparkassen, angekündigt, gegen die Satzungsänderung zu stimmen. Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, sieht die Gefahr, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat in einem Elfenbeinturm von den Aktionären abschotten könnten.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist der Ansicht, Siemens stelle sich „gegen den klaren Wunsch der Mehrheit aller Aktionäre nach mindestens hybriden Hauptversammlungen“. In Präsenz sei ein „lebendiger, kritischer Dialog“ zwischen Unternehmen und Aktionären am besten möglich. „Die Präsenzhauptversammlung ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Aktienkultur in Deutschland“, betont Daniela Bergdolt, die Vizepräsidentin der DSW. Solche Treffen mit Aktionären gibt es hierzulande seit 120 Jahren.
Bis zum Jahr 2028
Siemens Healthineers und Infineon wollen sich von ihren Aktionären die gesetzlich mögliche maximale Laufzeit von fünf Jahren bewilligen lassen: Das würde bedeuten, dass ihre Hauptversammlungen bis 2028 rein virtuell stattfinden könnten. In der Einladung des Halbleiterkonzerns, der seine diesjährige Veranstaltung mit den Aktionären für den 16. Februar angesetzt hat, heißt es, allerdings könne es „immer wieder auch geboten erscheinen, Präsenzhauptversammlungen abzuhalten“. Der Vorstand soll deshalb ermächtigt werden, vor jeder HV im Einzelfall über das Format zu entscheiden. Für eine Satzungsänderung von Infineon ist eine Zustimmungsquote von 50% erforderlich, im Fall von Siemens sind es 75%.
Wichtig für das Verhalten von Fondsgesellschaften in Abstimmungen sind die Empfehlungen des Stimmrechtsberaters ISS. Dieser änderte vor kurzem seine Meinung und lehnt reine Online-Hauptversammlungen nicht mehr prinzipiell ab (vgl. BZ vom 6.12.2022). ISS äußert sich noch nicht dazu, was für die HV von Siemens empfohlen wird.