200 junge Europäer und "Jens"

Von Julia Wacket, Frankfurt Börsen-Zeitung, 30.1.2019 Der Euro wird dieses Jahr 20. Ein Grund zum Feiern, hat sich die Bundesbank gedacht und unter dem Motto "Dein Europa - mach was draus!" 200 junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren zu der...

200 junge Europäer und "Jens"

Von Julia Wacket, FrankfurtDer Euro wird dieses Jahr 20. Ein Grund zum Feiern, hat sich die Bundesbank gedacht und unter dem Motto “Dein Europa – mach was draus!” 200 junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren zu der Veranstaltung “Euro20+” eingeladen, um mit ihnen über die Zukunft Europas und des Euro zu diskutieren. Eingeteilt in vier Kategorien: Zukunft Europa, Digitalisierung, Nachhaltiges Wirtschaften und Herausforderung der Ökonomie, konnten die Jugendlichen aus 17 Workshops ihre Favoriten wählen.Diejenigen, die dachten, die Bundesbank sei konservativ und steif, wurden an diesem Wochenende eines Besseren belehrt. In einer hippen, restaurierten Fabrikhalle im Osten Frankfurts, dem Tatcraft, konnten sie, ausgestattet mit einem “Euro20+”-Jutebeutel, via Smartphone an Umfragen teilnehmen, Fragen mit Wurfmikros beantworten, in einem “Thinkathon” (neudeutsch für Ideenwettbewerb) selbst aktiv werden, sich an veganen und nichtveganen Köstlichkeiten erfreuen und Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der an diesem Wochenende für alle einfach “Jens” war, volkswirtschaftliche und persönliche Fragen stellen.Neben “Jens” waren auch die fünf restlichen Vorstandsmitglieder der Bundesbank präsent. Burkhard Balz diskutierte mit den Jugendlichen über die Währungsunion der Zukunft und ob diese aus mehr Solidarität oder mehr Eigenverantwortung bestehen sollte (interessanterweise bei den Jugendlichen ein Kopf-an-Kopf-Rennen). Johannes Beermann analysierte im Workshop “1 Euro – 1 000 Bezahlmöglichkeiten” die Bezahlverfahren der Zukunft, Joachim Wuermeling sprach über die Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz, Sabine Mauderer referierte über grünes Investieren, und Claudia Buch erklärte, was Tulpen und Tequila mit der Entstehung von Finanzkrisen zu tun haben.Um die Workshops möglichst breit aufzustellen, wurden ebenfalls zahlreiche externe Referenten eingeladen, die den Jugendlichen Europa aus einer anderen Perspektive näher-brachten. Die Interrail-Aktivisten Vincent Herr und Martin Speer erklärten ihnen, was sie in Zeiten von Brexit und Populismus tun können, damit Werte wie Vielfalt, Demokratie und persönliche Freiheiten auch in Zukunft erhalten bleiben. Zwar bezeichneten 90 % der Jugendlichen sich als politisch, ihnen fehlen aber die Ideen oder die Zeit, um selbst aktiv zu sein. Herr meinte, es sei ein Privileg, aktiv werden zu können. Eine Teilnehmerin merkte an, vielleicht sei es aber auch ein Privileg, nicht aktiv werden zu müssen, weil es den westlichen Jugendlichen heute einfach “zu gut” gehe. Mit ihrer eigenen Anekdote, wie ihre Interrail-Idee – mit einem kostenlosen Zugticket durch ganz Europa reisen – es von einem Schnitzelrestaurant in Wien, in die “Zeit” und schließlich ins Europaparlament geschafft hat, gaben Herr und Speer den Jugendlichen ein gutes Beispiel, wie eine einfache Idee Realität werden kann.Es war nicht der einzige Vortrag zum Nachdenken. Der Philosoph und Journalist Wolfram Eilenberger verglich Europa mit einem vielstimmigen Roman, in dem jeder Einzelne seine ganz eigene Rolle einnehme und in dem Toleranz und Kommunikation wichtiger denn je seien. Er merkte an, dass viele Deutsche und insbesondere viele junge Deutsche sich zwar zuerst als Europäer sähen, kleinere Völker wie Finnland jedoch durchaus noch “Finnen zuerst” sein wollten – aber gerade das mache die Vielstimmigkeit Europas aus. Kritische FragenHöhepunkt für die Jugendlichen war aber das Townhall-Meeting mit “Jens” und dem Journalisten und Podcaster Tilo Jung. Es folgten kritische Fragen wie: Warum es in der Eurozone eine gemeinsame Geldpolitik, aber keine gemeinsame Fiskalpolitik gebe, was für Optionen die Geldpolitik jetzt noch habe, wo sie doch am “Tiefpunkt” angekommen sei, oder zu den Effekten des deutschen Leistungsbilanzüberschusses auf andere europäische Länder. Weidmann beantwortete alle Fragen sehr selbstsicher, aber auch sehr vage. Ein Jugendlicher war mit der Antwort auf seine Frage sichtlich frustriert: “Jetzt hast Du Dich schön um die Frage rumgemogelt”, sagte er. Worauf Weidmann antwortete: “Irgendwas muss ich ja in den letzten acht Jahren gelernt haben.” Im Gegenzug erfuhren die Jugendlichen aber allerlei Persönliches über Weidmann: seine Schlafenszeit (6 bis 7 Stunden), wo er war, als der Euro eingeführt wurde (Frankreich), ob er Mario Draghis Job will (ja, er will – wenn er darf). Weidmann wiederum erfuhr ebenfalls viel über die Jugendlichen – wie etwa, dass einige von ihnen noch gerne bar zahlen und dass viele von ihnen sich eine aktivere Europapolitik wünschen.Der proeuropäische Geist und der Wunsch, angesichts von Entwicklungen wie dem Brexit etwas verändern zu wollen, zog sich durch die gesamte Veranstaltung. So überraschte es nicht, dass das Team zur Zukunft Europas mit ihrem Appell an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen beim “Thinkathon” den ersten Platz machte. Und auch “Jens” war von den jungen Europäern überzeugt: per Whatsapp hat er bereits die Zusage für “Euro21+” gegeben – dann vielleicht sogar in Kooperation mit anderen Euro-Notenbanken. Schon jetzt steht fest: Wenn nur ein Bruchteil der Jugendlichen in Europa so denkt wie die Teilnehmer von “Euro20+”, dann hat der Euro trotz all seiner Krisen eine vielversprechende Zukunft.—–Im Tatcraft in Frankfurt diskutieren junge Leute über die Zukunft von Europa und sind per Du mit Jens Weidmann.—–