ITALIEN

22 Minuten

Um 0.22 Uhr in der Nacht zum Mittwoch traf der revidierte italienische Haushaltsentwurf in Brüssel ein. Die Verspätung war im Prinzip gering. Aber die erneute Demonstration der Regierung in Rom, was sie von EU-Regeln und -Fristen hält, war auch mit...

22 Minuten

Um 0.22 Uhr in der Nacht zum Mittwoch traf der revidierte italienische Haushaltsentwurf in Brüssel ein. Die Verspätung war im Prinzip gering. Aber die erneute Demonstration der Regierung in Rom, was sie von EU-Regeln und -Fristen hält, war auch mit diesen 22 Minuten mehr als deutlich gewesen. Überhaupt: Was heißt schon revidierter Entwurf? Im Kern bleiben die Etatplanungen für 2019 ja unverändert – angefangen von den äußerst optimistischen Wachstumsprognosen bis hin zur Neuverschuldung von 2,4 % der Wirtschaftsleistung. Milliardenschwere Privatisierungen sollen nun die Verschuldung drücken. Nach den Erfahrungen in Griechenland sollte man diese Ankündigung eher mit Vorsicht bewerten.Im Haushaltsstreit zwischen der EU und Italien stehen jetzt alle Zeichen auf Eskalation. Verwundern kann dies niemanden mehr. Denn der Populisten-Koalition in Rom ging es ganz offensichtlich von Anfang an darum, die EU für ihre politischen Ziele in Geiselhaft zu nehmen, und sie kann sich dabei auf die große Europaskepsis im Land stützen. Vor allem Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini gelingt es, die EU als den äußeren Feind darzustellen, gegen den die Italiener jetzt zusammenhalten müssten. Jede Kritik aus Brüssel ist Wasser auf seine Mühlen. Um die besten Rezepte für mehr Wachstum und soziale Gerechtigkeit geht es dabei ja schon längst nicht mehr.Die EU-Kommission hat jetzt gar keine andere Option, als konsequent ein Defizitverfahren einzuleiten, in dem dann im Frühjahr – kurz vor der wegweisenden Europawahl – auch Sanktionen auf den Tisch kommen. Die Möglichkeiten, Italien noch ein weiteres Mal “Flexibilität” bei der Etatgestaltung zu erlauben, sind längst aufgebraucht.Natürlich ist Italien noch kein neuer Fall Griechenland. Aber die Nervosität an den Märkten steigt. Und eine neue Schuldenkrise, die die ganze Eurozone erfasst, könnte schneller zurück sein, als viele es wahrhaben wollen. Eines ist klar: Sollte der Tanz am Abgrund, den Salvini und Co. zurzeit aufführen, tatsächlich schiefgehen, wäre die Dimension der Krise um ein Vielfaches größer, als es die rund um Griechenland je gewesen ist. Der Crashkurs Italiens, für den die 22 Minuten so symbolisch stehen, zerstört so oder so weiteres Vertrauen unter den Euro-Staaten. Und dies wird sich auch auf die laufende Debatte um eine Vertiefung der Währungsunion auswirken: Neue Stabilisierungsanker im System, die mit einer weiteren Risikoteilung einhergehen, dürften in nächster Zeit kaum durchzusetzen sein.