25 Jahre Maastricht - ein Jubiläum mit viel Schatten

Notenbanker, Wissenschaftler und Volkswirte diskutieren über Zukunft der Währungsunion

25 Jahre Maastricht - ein Jubiläum mit viel Schatten

Von Mark Schrörs, FrankfurtAusgerechnet zum 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags, mit dem die Grundlage für die Europäische Währungsunion geschaffen wurde, steckt die Eurozone in ihrer vielleicht schwersten Krise. Wirtschaftlich driften die Euro-Staaten auseinander – was auch der Europäischen Zentralbank (EZB) die einheitliche Geldpolitik erschwert und den Streit über den EZB-Kurs absehbar weiter verschärfen könnte. Auch politisch sind die Gräben zwischen den Euro-Staaten tief wie wohl nie – zumal unter dem Druck des aufstrebenden Populismus. Selbst so mancher rationale Beobachter prognostiziert bereits das Ende des Euro.”25 Jahre Maastricht-Vertrag: Erwartungen, Bilanz und Perspektiven” – so lautete nun der Titel einer Konferenz der Bundesbank und des Aktionskreises Stabiles Geld in Frankfurt, bei der Notenbanker, Wissenschaftler und Volkswirte diskutierten. Warum haben die Maastricht-Stabilitätskriterien die Euro-Krise nicht verhindert? Was ist von der Politik der Europäischen Zentralbank zu halten? Vor allem aber: Wie sieht die Zukunft aus? Das waren zentrale und zum Teil kontrovers diskutierte Fragen.Jens Ulbrich, Chefvolkswirt der Bundesbank, kritisierte, dass sich die Diskussion meist zwischen zwei Extremen bewege: Die einen sähen die Währungsunion heutzutage als “Hegemonialinstrument”, mittels dessen Brüssel oder auch Berlin anderen seine Vorstellungen aufdrücke. Für die anderen sei die Eurozone dagegen längst zu einem “Transfervehikel” verkommen, mit den Euro-Krisenländern als Profiteuren. Diese Konfliktstellung gefährde die “Akzeptanz des europäischen Projekts der gemeinsamen Währung”.Als größte Schwachstelle der Währungsunion sieht auch Ulbrich, dass es zwar eine einheitliche Geldpolitik gibt, aber die Wirtschafts- und Finanzpolitik weiter in nationaler Verantwortung liegen. Die Hoffnung, dass die gemeinsame Geldpolitik die Integration in anderen Politikbereichen befördere, habe sich nicht erfüllt. “Eine politische Union ist nicht in Sicht, und die Bereitschaft, diesen Schritt zu gehen, hat durch die Krise eher abgenommen”, so Ulbrich. Nötig sei es deshalb, den Maastricht-Rahmen zu stärken – etwa durch eine unabhängige Behörde zur Kontrolle der EU-Fiskalregeln. Zugleich warnte er aber davor, immer nur die Probleme zu sehen: “Wir sollten uns auch nicht in Pessimismus suhlen.”Helmut Siekmann, Stiftungsprofessor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht am Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) an der Goethe-Universität Frankfurt, analysierte, das Problem der Währungsunion sei, dass das Recht vielfach zu vage formuliert sei und es zu viele Ermessensspielräume gebe. Er zeigte sich dennoch überzeugt, dass die Eurozone in zehn Jahren “ein wirtschaftlich starker Währungsraum” sein werde – wobei er vielsagend hinzufügte: “unabhängig von der konkreten Zusammensetzung.”Ansgar Belke, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, geht davon aus, dass das “Durchwursteln” der Politik im Euroraum weitergehen werde – “wegen der bereits geleisteten Eintrittskosten und der hohen Austrittskosten”. Nicht nur der EZB stünden aber “ruppige Zeiten” bevor, warnte Belke. Er relativierte zugleich in Teilen die in Deutschland heftige Kritik an der EZB und deren Politik. Die EZB könne lange “nicht so frei” agieren, wie immer unterstellt werde. In Europa sei sie nur einer von vielen Spielern, und sie müsse auch stets den internationalen Kontext mitdenken.Den pessimistischsten Blick auf die Währungsunion hatte in der Debatte Kai Konrad vom Max Planck Institute for Tax Law and Public Finance. Für Konrad ist das größte Problem im Euroraum, dass die No-Bail-out-Klausel im EU-Vertrag, die das Einstehen der Euro-Länder füreinander eigentlich unterbinden sollte, nicht glaubhaft umgesetzt sei. Da brauche es Verbesserungen. Zugleich wagte er aber die düstere Prognose, dass die Eurozone in zehn Jahren “wahrscheinlich nicht mehr besteht”. Ein Jubiläum zum 35. Jahrestag des Maastricht-Vertrags – das gäbe es nach der Lesart dann nicht.