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Abe-Nachfolger läuft sich warm

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 16.7.2019 Im Parlamentsbüro von Shinjiro Koizumi (38) hängen mehrere Fotos von seinem Vorbild John F. Kennedy. So wie der Amerikaner im Alter von knapp 44 Jahren der jüngste gewählte Präsident der USA wurde,...

Abe-Nachfolger läuft sich warm

Von Martin Fritz, TokioIm Parlamentsbüro von Shinjiro Koizumi (38) hängen mehrere Fotos von seinem Vorbild John F. Kennedy. So wie der Amerikaner im Alter von knapp 44 Jahren der jüngste gewählte Präsident der USA wurde, so möchte Koizumi einmal der jüngste Premierminister von Japan werden. Den Rückhalt im Wahlvolk dafür hätte er: In Umfragen wird er als Nachfolger von Regierungschef Shinzo Abe (64), der noch bis zum Herbst 2021 im Amt bleiben kann, favorisiert. Dass Koizumi ihn direkt beerbt, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Zwar sitzt er schon seit zehn Jahren im Parlament, aber damit gilt er in der von Seniorität bestimmten Politik in Japan immer noch als Grünschnabel. Der jüngste Premier der Nachkriegszeit war der jetzige Amtsinhaber, der zu Beginn seiner ersten Amtszeit 52 Jahre alt war. So lange möchte Koizumi eigentlich nicht warten: “Ich will schnell alt werden”, bekannte er in einem seiner wenigen Interviews. “Japan kann sich ändern”Also unterwirft sich der ehrgeizige und gut aussehende Politiker der Parteidisziplin, um seine Eignung für höhere Ämter unter Beweis zu stellen, zum Beispiel als Zugpferd im laufenden Wahlkampf für die Oberhauswahl am kommenden Sonntag. In seinen Reden präsentiert sich Koizumi als Reformer. Sein Slogan “Japan kann sich ändern” trotzt der Zukunftsskepsis, die wegen des demografischen Wandels viele Japaner ergriffen hat. Als Leiter des Komitees für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt in der regierenden Liberaldemokratischen Partei weiß Koizumi, wovon er spricht. Er macht allen Generationen Mut, mit der Perspektive einer bis zu 100-jährigen Lebensspanne aktiv und positiv umzugehen, um Japans Schwäche in eine Stärke zu verwandeln. So setzt er sich dafür ein, dass jeder Japaner sein Renteneintrittsalter jenseits der gesetzlichen Schwelle selbst festlegen darf. Zudem plädiert er für weniger starre soziale Normen, damit die jüngeren Japaner mehr Freiheit erhalten, etwa für das Dulden von Paaren, die ohne Trauschein zusammenleben.Sollte Koizumi keinen schweren Fehler machen, dürfte er nach seinen bisherigen Posten als Staatssekretär für den Wiederaufbau im Nordosten sowie im Kabinettsbüro zunächst Minister und später auch Premierminister werden. Schließlich gehört er einer der bekanntesten Politikerdynastien an. Seinen Wahlkreis in der Präfektur Kanagawa erbte er von seinem Vater Junichiro Koizumi (77), der in den Jahren zwischen 2001 und 2006 zum beliebtesten Regierungschef seit der sogenannten “Blasenwirtschaft” der 1980er Jahre wurde. Großvater Junya brachte es zum Verteidigungsminister und Urgroßvater Matajiro, zuvor Boss einer Yakuza-Gangstergruppe, zum Postminister. Keine Kopie des VatersJedoch achtet der junge Koizumi darauf, seinen Vater nicht völlig zu kopieren. Wie der Senior fordert Koizumi junior eine vertiefte Partnerschaft mit den USA, um die Hegemonieansprüche von China in Schach zu halten, und er besucht den umstrittenen Kriegsschrein Yasukuni. Aber den Ausstieg aus der Atomkraft, für den sich sein Vater seit der Fukushima-Katastrophe einsetzt, unterstützt der Junior nicht. Zugleich hält er kalkuliert Distanz zu Amtsinhaber Abe. Bei der letzten Neuwahl des Parteivorsitzenden stimmte Koizumi sogar für Abes Gegenkandidaten.