Abrechnung mit der "Rettungspolitik"

Eine Streitschrift von Markus Krall über die Deformation der Geldpolitik und die Folgen daraus

Abrechnung mit der "Rettungspolitik"

Von Stephan Lorz, FrankfurtAuf den ersten Blick scheint die Eurozone aus dem Gröbsten heraus zu sein: Die Konjunktur zeigt sich von ihrer freundlichen Seite, die allermeisten Banken sind wieder stabil, und die EZB tastet sich an die Zinswende heran. Alles gut? Markus Krall, Managing Director der Unternehmensberatung “goetzpartners”, fühlt sich in seinem neuen Buch “Der Draghi-Crash” dadurch eher alarmiert. Krall, der einst vergeblich versucht hatte, eine europäische Ratingagentur ins Leben zu rufen, erklärt, dass sich die wahre Tragödie im Hintergrund abspielt. Die Statik der Währungsunion werde von innen heraus geschwächt. Eine neue Krise kündige sich an – tiefer und schmerzhafter als zuvor, weil es um die Existenz der Nachkriegsordnung geht, um die freiheitlichen Errungenschaften. Das Buch fungiert insofern sowohl als Weckruf wie als Aufklärungsmedium. Denn die Argumentation von der Zwangsläufigkeit der nächsten Krise ist schlüssig. Zugleich wird der Leser über Zusammenhänge informiert, die sich ihm nicht immer gleich erschließen.Krall zufolge ist durch die Missachtung rechtlicher Regeln im Rahmen der Euro-Rettungspolitik das Vertrauen in die Rechtsordnung insgesamt zerrüttet, was damit weiteren Rechtsbrüchen Vorschub leistet. Ferner werde die Öffentlichkeit unter Aufbietung aller fiskalischen Kräfte und durch Vorspiegelung von Stabilität in Sicherheit gewiegt, was dem System noch mehr Risiken aufbürdet. Besonders hat es ihm in diesem Zusammenhang die Rolle der EZB angetan. Zum einen entziehe sie sich “unter der Monstranz der Unabhängigkeit” jeglicher Kontrolle durch den Souverän. Die Geldpolitik sei zum Instrument der Staatsfinanzierung degeneriert, kritisiert er. Zum anderen hebele sie den Zins als Steuerungsinstrument aus, weshalb sich noch mehr Risiken anhäufen.Die Argumentation Kralls ist nicht neu, gewinnt aber in der Dichte der Darstellung an Wucht. Schon im Vorwort kündigt er an, dass dieses Buch “polemisch und ironisch” sein wird. Das ist es. Aber oft überzieht er in seiner Wortwahl, wenn er sich etwa beim Anblick des EZB-Gebäudes an eine “Zwingburg” erinnert fühlt, von Schwefelgeruch schwadroniert. Derlei ist unterhaltsam, dürfte aber manchen Leser eher an eine Streitschrift erinnern, was den guten Argumenten bisweilen leider die Überzeugungskraft raubt.