NOTIERT IN MADRID

Aggressiver als Podemos

Vor einem Jahr räumte der damalige Ministerpräsident von Katalonien, Artur Mas, seinen Stuhl, um eine von linken und rechten separatistischen Parteien gestützte Regierung zu ermöglichen. Der Rücktritt galt als persönliches Opfer für das Ziel einer...

Aggressiver als Podemos

Vor einem Jahr räumte der damalige Ministerpräsident von Katalonien, Artur Mas, seinen Stuhl, um eine von linken und rechten separatistischen Parteien gestützte Regierung zu ermöglichen. Der Rücktritt galt als persönliches Opfer für das Ziel einer Unabhängigkeit dieser Mittelmeerregion. Diese Woche ist Mas wieder Hauptdarsteller in den Nachrichten. Vor Gericht muss sich der langjährige Berufspolitiker für die Austragung einer Volksbefragung zur Abspaltung von Spanien am 9. November 2014 verantworten, die zuvor vom spanischen Verfassungsgericht untersagt worden war. Bei seiner Erklärung am Montag übernahm Mas die politische Verantwortung, sagte aber, dass es sich lediglich um eine unverbindliche Befragung gehandelt habe, die nicht gegen das Verbot des Gerichts verstoßen habe. *Der Prozess ist ein Politikum in der aufgeheizten Stimmung in Katalonien. Tausende Anhänger feierten Mas am Montag in Barcelona auf dem Weg zum Gerichtssaal. Mas’ Nachfolger an der Spitze der katalanischen Regierung, Carles Puigdemont, will im September einen zweiten Anlauf für ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen, obwohl dies nach spanischem Recht nicht zulässig ist. Die Zentralregierung in Madrid wirft den Nationalisten vor, gegen die Verfassung zu verstoßen.Doch der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy hat begriffen, dass man allein mit juristischen Argumenten die Situation in Katalonien wohl kaum entschärfen kann. Daher ist dessen Stellvertreterin Soraya Sáenz de Santamaría in den letzten Wochen mehrfach nach Barcelona gereist, wo sie mittlerweile sogar ein eigenes Büro eingerichtet hat. Madrid will nun in die lange vom Staat vernachlässigte Infrastruktur in der Region investieren, um so dem nicht nur von Separatisten gehegten Vorwurf zu begegnen, dass Katalonien von Spanien ausgebeutet werde. Doch der Gerichtsprozess diese Woche gießt weiteres Öl ins Feuer. Mittlerweile beansprucht eine klare Mehrheit der Katalanen ein nach ihrem Verständnis bestehendes “Recht auf Selbstbestimmung”. Die nationalistischen Parteien setzen dabei auf die Unterstützung von En Comú Podem, dem eigenständigen katalanischen Ableger der Linkspartei Podemos, der bei den letzten beiden nationalen Parlamentswahlen stärkste Kraft in Katalonien war. *Derweil steht es um Podemos im Rest Spaniens nicht besonders gut. Drei Jahre nach der Gründung und dem kometenhaften Aufstieg halten die Linken am kommenden Wochenende einen richtungsweisenden Parteitag ab. Es zeichnet sich eine Schlacht zwischen dem Generalsekretär Pablo Iglesias und der Nummer 2 von Podemos, Íñigo Errejón, ab, an der die Partei zerbrechen könnte. Die beiden Mitgründer der Organisation haben unterschiedliche Auffassungen über Struktur und zukünftige Ausrichtung. Im Wesentlichen will Iglesias die Partei weiter nach links rücken, während Errejón dafür steht, breite Gesellschaftsschichten in der politischen Mitte anzusprechen.Der Streit der beiden Spitzenpolitiker und deren Anhänger hat viele Mitglieder der Parteibasis verstört. So auch das Last-Minute-Angebot von Iglesias, der Errejón die zukünftige Kandidatur für das Bürgermeisteramt in Madrid offerierte, wenn er im Gegenzug von der Konfrontation auf dem Parteitag absieht. In einer Organisation, die von basisdemokratischen Grundsätzen geprägt ist, kommt ein solcher Kuhhandel nicht gut an. Wie auch immer der Schlagabtausch am Wochenende endet, in Madrid geht man davon aus, dass Podemos wohl erst einmal Zeit brauchen wird, um sich von den internen Querelen zu erholen.Spaniens Unternehmen machen sich daher nun weniger Sorgen um Podemos als vielmehr um die jüngsten wirtschaftspolitischen Schritte der konservativen Minderheitsregierung. Finanzminister Cristóbal Montoro verteidigte unlängst die Maßnahmen zur Erhöhung des Aufkommens der Körperschaftsteuer, da die Konzerne nicht ausreichend zur Staatsfinanzierung beitrügen. Das verleitete den Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes CEOE, Juan Rosell, zur bemerkenswerten Aussage: “Montoro ist gegenüber den Unternehmen aggressiver als Podemos.”