NOTIERT IN BERLIN

Alfred Herrhausens Vision vom globalen Dorf

Was haben Erdbeertörtchen mit einem Hurrikan zu tun? Und was mit dem Gedenken an den früheren Vorstandschef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, der vor 25 Jahren einem Bombenattentat zum Opfer fiel? Nichts, möchte man meinen. Tatsächlich hat die...

Alfred Herrhausens Vision vom globalen Dorf

Was haben Erdbeertörtchen mit einem Hurrikan zu tun? Und was mit dem Gedenken an den früheren Vorstandschef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, der vor 25 Jahren einem Bombenattentat zum Opfer fiel? Nichts, möchte man meinen. Tatsächlich hat die amerikanische Supermarktkette Wal-Mart aus der Analyse ihrer Verkaufsdaten ermittelt, dass ihre Kunden sich nach Sturmwarnungen nicht nur vermehrt mit Taschenlampen oder Kerzen eindecken, sondern auch mit besagtem Gebäck. Seitdem platziert Wal-Mart dieses vor einem heraufziehenden Hurrikan verkaufswirksam neben den echten Überlebensdingen. Mit diesem Beispiel skizzierte Jens Redmer, bei Google für neue Produkte verantwortlich, auf einer Konferenz der Alfred Herrhausen Gesellschaft eine der gravierenden Veränderungen durch die schöne neue Datenwelt: Es geht nicht mehr um das “Warum”, sondern um das “Was!” beim Extrahieren von Daten. *Mit Reden, Gedanken und Diskussionen zum Thema Digitalisierung gedachte die Herrhausen Gesellschaft auf ihrer sechsten Konferenz “Denk ich an Deutschland” in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Bank des 1989 ermordeten Vorstandssprechers. Der amtierende Co-Chef der Bank, Anshu Jain, erinnerte – im Beisein seines Counterparts Jürgen Fitschen – daran, dass Herrhausen das Institut von einer deutschen Bank mit internationalem Geschäft zu einer internationalen Bank mit Sitz in Deutschland geformt hatte. Schon vor 25 Jahren – weitaus früher als viele andere – sprach Herrhausen von der Welt als globalem Dorf und erkannte, dass die Finanzmärkte sich schneller globalisieren würden als viele andere Branchen. *Die rasante Digitalisierung in der Arbeitswelt und im privaten Leben hat Herrhausen nicht mehr erlebt. Aber sie hätte den in die Zukunft blickenden Denker fasziniert und beschäftigt. Die Themen sind facettenreich. Viele Fragen bleiben offen, die unsere Gesellschaft betreffen. Auch in der digitalen Welt geht es um den Umgang mit Freiheit, Würde des Menschen, Macht, Verantwortung, Sicherheit oder das Recht. Dürfen Menschen und ihre Daten wie ein Wirtschaftsgut behandelt werden, etwa ein Container, den ein Computersystem durch den Hamburger Hafen steuert? Brauchen wir für die neuen digitalen Geschäftsmöglichkeiten eine größere Akzeptanz für das Scheitern, um Innovation zu beflügeln? Haben deutsche Unternehmen mit Blick auf die USA längst den Zug verpasst? Versagen die deutschen Eliten, weil ihr Lebensalltag weit weg ist von dem der Computerfreaks? Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière gibt es im Grundsatz keinen Unterschied zwischen der analogen und der digitalen Welt. Werte, Grundrechte und die Rolle des Staates unterschieden sich nicht um einen Deut. Klar bezog er in der Konferenz Position gegen Selbstregulierung, die viele in der Netzgemeinde fordern. Die habe schon in der Finanzkrise versagt.