Allianz: EZB soll Trump-Effekt nutzen

Chefökonom Heise verlangt sukzessiven Ausstieg aus den Anleihekäufen

Allianz: EZB soll Trump-Effekt nutzen

lz Frankfurt – Der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, hat die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert, bei der nächsten Zinssitzung eine Drosselung der Anleihekäufe anzukündigen. Das wäre der neuen Situation an den Märkten nach der US-Präsidentenwahl angemessen und würde weitere Marktverzerrungen aufhalten. Heise sprach von einer “günstigen Gelegenheit”, weil unter dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump ein starker Fiskalimpuls zu erwarten sei und die Zinsen deutlich steigen würden. Ein dabei erstarkender Dollar nehme der EZB zudem “ein Stück weit die Arbeit ab”. Die veränderten Kapitalflüsse würden einen solchen Schritt ebenfalls nahelegen, da ansonsten die Asymmetrie zwischen den USA und Europa immer größer werde.Die Ökonomen des Versicherungskonzerns rechnen damit, dass die langfristigen Zinsen in den USA zügig der 3-Prozent-Schwelle zustreben, sich wegen der eher verhaltenen Wachstumsaussichten allerdings “kein säkularer Trend zu immer höheren Zinsen” herausbildet. Kurzfristig würden die vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump angekündigten massiven Steuersenkungen und zusätzlichen Infrastrukturausgaben zwar für einen starken Wachstumsimpuls sorgen, mittelfristig gebe es wegen der protektionistischen Tendenzen und der absehbar restriktiveren Einwanderungspolitik aber eine starke wachstumsschädliche Gegenbewegung.Von der US-Zinsentwicklung wird sich Deutschland nach Meinung der Ökonomen nicht abkoppeln können. Nach dem Zinsmodell der Allianz zieht eine Steigerung der langfristigen US-Zinsen um 100 Basispunkte eine Erhöhung der deutschen Zinsen um 70 Basispunkte nach sich. Damit dürften auch die Zinsen der deutschen 10-Jahres-Papiere zum Jahresschluss 2017 über die 1-Prozent-Schwelle steigen (siehe Grafik).Die Art und Weise, wie Notenbanken ihre Rolle begreifen, spielt nach Ansicht von Allianz-Ökonom Rolf Schneider bei der Zinsentwicklung eine entscheidende Rolle. Mit dem Schwenk hin zu Anleihekäufen hätten sie die Spielregeln des Marktes und dessen Funktionsweise geändert. Der langfristige Zinssatz liege wegen der Käufe bereits um 60 Basispunkte niedriger. “Irregeleitete Vorstellung”Heise kritisierte in diesem Zusammenhang die zu starke Fokussierung der wirtschaftspolitischen Debatte auf die monetäre Sphäre der Wirtschaft. Es sei eine “irregeleitete Vorstellung”, dass das Wohl einer Volkswirtschaft allein am natürlichen Zins hänge und die Notenbanken die Steuerung übernehmen könnten. Zu stark würden sich Marktteilnehmer von diesem Denken in ihrem Handeln beeinflussen lassen. Dabei, so Heise, sei die Lohn-, Steuer-, Sozial- und Reformpolitik jeweils für sich genommen mindestens genauso wichtig wie die Geldpolitik – womöglich sogar entscheidender, wenn es um die Wohlfahrt einer ganzen Volkswirtschaft geht. Die Notenbanken sollten deshalb viel deutlicher als bisher auf die Grenzen ihrer ökonomischen Macht hinweisen und stärker denn je darauf dringen, dass die Politik endlich ihren Teil der Verantwortung trage.Dass es auch hier dabei an den nötigen Weichenstellungen fehlt, zeigt Heise am Konjunkturbild der deutschen Wirtschaft auf: Nur 1,5 % Wachstum veranschlagt die Allianz für 2017. Allerdings fehlt es nach wie vor massiv an Investitionen, was sich auch in einer eher mäßigen Produktivität niederschlägt. Die gegenwärtig gute Lage etwa auf dem Arbeitsmarkt täusche über den wahren Zustand der Volkswirtschaft also hinweg, warnt Heise. Dringend nötig wäre eine Politik, welche die Standortbedingungen verbessere.