"Am Ende geht es darum, wer zahlt"
– Herr Professor Zimmer, Sie sind der neue Vorsitzende der Monopolkommission in unruhigen Zeiten. Banken und ganze Länder müssen unter den Rettungsschirm, die Rufe nach mehr Staat werden wieder laut. Reagiert die Monopolkommission darauf?Ja, das tun wir. Neben den Pflichtthemen Wettbewerbspolitik und Netzindustrien kann die Monopolkommission nach eigenem Ermessen auch zu anderen Themen Stellung nehmen. Die Wettbewerbsbedingungen und die Regulierung auf den Finanzmärkten finden derzeit das besondere Interesse der Kommission.- Die Banken stehen seit der Finanzkrise unter immensem Druck. Führt die Bankenhilfe in anderen Ländern zu einer Art Beißhemmung unserer nationalen Politik?Banken und Wettbewerb waren schon immer ein schwieriges Thema. Virulent wird es insbesondere in Krisenzeiten, wenn Staaten aus Sorge vor einem Systemzusammenbruch Banken unterstützen, die ohne Staatshilfe aus dem Markt ausscheiden würden. Allerdings gibt es unterschiedliche Sichtweisen zur wettbewerbspolitischen Beurteilung der gegenwärtigen Situation.- Die wären?Einerseits kann man beobachten, dass Wettbewerb auf die Margen drückt und damit Marktteilnehmer – also Banken – daran hindert, jenes Kapital aufzubauen, das erforderlich wäre, um unter den obwaltenden Umständen nachhaltig wirtschaften zu können. Andererseits muss man auch konstatieren, dass ein Teil der aktuellen Probleme gerade wegen der tendenziellen Missachtung wettbewerblicher Prinzipien hervorgerufen worden ist. Das ist eher meine Sichtweise. Sie können dies etwa bei einigen Landesbanken beobachten, denen das Geschäftsmodell verloren gegangen ist. Sie haben mit spekulativen Aktivitäten kaschiert, dass sie im Wettbewerb keine Existenzberechtigung mehr hatten.- In anderen Ländern – aktuell in Spanien – wird Banken geholfen. Will man deshalb auch hierzulande den Schritt in die Abwicklung nicht gehen?Dieses Argument ist relativ schwach. Wer sich im Wettbewerb bewährt, ist ja immer stärker als jener, dem geholfen werden muss.- Wenn der Staat nur lang genug hilft, dann geht auch den wettbewerbsstärksten Instituten in anderen Ländern die Luft aus.Klar, wenn alle Staaten marode Banken unterstützen, verändert sich der Markt. Aber es kann doch nicht sein, dass Unternehmen schon dann Anspruch auf staatliche Hilfe haben, weil es diese anderswo auch gibt.- Anders gefragt: Werden die Hilfen für die spanischen Banken Rückwirkungen auf andere Bankenmärkte in Europa haben?Das wird Rückwirkungen haben. Und natürlich werden dies die Banken in den Nichtkrisenstaaten gegenüber der Politik anführen, um nicht so stark reguliert oder selber besser unterstützt zu werden. Das Argument ist aber unzulässig. Es führt dazu, dass letztlich allen Banken geholfen würde. Wenn im Kino die Menschen in der ersten Reihe aufstehen, müssen alle anderen dahinter sich auch aus ihren Sitzen erheben, um besser zu sehen, – und am Ende sieht keiner besser. So ist das mit den Subventionen, wenn man diesem Argument folgt.- Sie haben den Expertenrat des Bundes zum Ausstieg aus den krisenbedingten Bankbeteiligungen geleitet. Dieser hatte die Abwicklung der WestLB empfohlen. Sind die Beschlüsse nun in Ihrem Sinn?Interessant ist ja, dass es nun tatsächlich zur Abwicklung der WestLB gekommen ist. Darauf hätte ich vor einigen Jahren noch nicht wetten wollen. Es gab ja immensen Widerstand dagegen. Wer marktwirtschaftlich denkt, betrachtet das Bankgeschäft nicht als Staatsaufgabe. Man könnte zwar argumentieren, der Bankensektor stelle eine Art Infrastruktur für Realwirtschaft und Privathaushalte bereit. Deshalb bedürften Banken einer staatlichen Bestandsgarantie.- Tatsächlich?Mich überzeugt eine solche Gedankenführung nicht. Der Bankensektor ist besser privat organisiert und strukturiert. Solange man den Sektor nicht dem Staat zuordnet, muss man auch akzeptieren, dass der Markt für eine Auslese sorgt. Und dass das vielfach nicht passiert ist, hat enorme negative Folgen. Denken Sie an Japan, wo Krisenbanken in den 90er Jahren faule Kredite zu lang in ihren Büchern gehalten hatten, um die Verluste nicht offenlegen zu müssen. Darum gab es dort auch in der Realwirtschaft nicht den nötigen Ausleseprozess. Dies hat zum verlorenen japanischen Jahrzehnt geführt. Ein Überschwappen der Krise im Bankensektor auf die Realwirtschaft droht jetzt beispielsweise auch in Spanien.- Könnte die Schuldenkrise auch die Realwirtschaft in Deutschland anstecken?Dieses Problem betrifft derzeit eher die Krisenländer. Man sieht aber, wie wichtig es ist, dass – wie es in Deutschland jetzt nachgeholt worden ist – ein Modell für die Bankenabwicklung zur Verfügung steht.- Sie plädieren für eine privatwirtschaftliche Struktur des Bankensektors. Jenseits des Sonderfalls der Landesbanken hat in der Finanzkrise derzeit mehr der private Bankensektor Probleme und muss vom Staat gerettet werden.Die Frage ist, welche Banken man als “privat” und welche man als “staatlich” bezeichnet. Schon bei einem Viertel der Anteile wie bei der Commerzbank hat der Staat erheblichen Einfluss. Und schon das ist ja problematisch, wenn etwa aus der Politik Stimmen kommen, die kritisieren, dass die Banken zu wenig Kredite vergeben. Eine staatsbeeinflusste Bank handelt hier sicher nicht völlig frei.- Macht das Drei-Säulen-Modell aus Privatbanken, öffentlichen Instituten und Genossenschaftsbanken unter Wettbewerbsgesichtspunkten überhaupt noch Sorgen, nachdem Anstaltslast und Gewährträgerhaftung gefallen sind?Solange keine Verzerrungen am Markt damit verbunden sind, sind aus marktwirtschaftlich-wettbewerblicher Sicht keine Einwände dagegen zu erheben. Allerdings ist bei Instituten in Staatshand immer die Frage zu stellen, ob wirklich keine Verzerrung erfolgt. Ein Staatsunternehmen kann sich günstiger refinanzieren als in Privathand befindliche Unternehmen, da Kreditgeber von einer geringeren Ausfallwahrscheinlichkeit ausgehen.- Kann man den Bankenmarkt überhaupt noch national betrachten? Wir sehen ja, wie die Bankenhilfen in Spanien auch die hiesige Politik beeinflusst.Der Beratungsauftrag der Monopolkommission bezieht sich nicht nur auf inländische Sachverhalte. Wir beziehen den gesamten relevanten Markt und damit auch Einflüsse ein, die etwa von ausländischen Staatsaktivitäten ausgehen.- Und haben Sie eine Antwort darauf, was in unserer Volkswirtschaft des Staates sein sollte?Mich erfüllt mit Sorge, dass der Staat im Wirtschaftsleben auf dem Vormarsch ist, ohne dass dies überhaupt von vielen wahrgenommen oder gar kritisiert wird. Von Privatisierung und Liberalisierung ist schon lange nicht mehr die Rede. Der Ruf nach dem Staat ertönt in zahlreichen Bereichen immer öfter. Natürlich beruht dies zum Teil auf schlechte Erfahrungen mit Selbstheilungs- und Selbstregelungskräften eines völlig ungezügelten Marktes, aber auch auf einer gewissen Ratlosigkeit in Anbetracht der Komplexität der aktuellen Probleme.- Also ein Reflex auf die Finanz- und Schuldenkrise?Ja, sicher. Die Finanzkrise hat ja eine Reihe von Ursachen. Zum einen die Politik des billigen Geldes in den USA, die politische Entscheidung, privates Wohneigentum unter allen Umständen zu fördern, und unzureichende Regulierung – insoweit kann man von einem Staatsversagen sprechen. Zum anderen war über viele Jahre aber auch der Glauben verbreitet, dass ein unregulierter Markt die besten Ergebnisse hervorbringt. Das hat sich als Irrglaube erwiesen. Viele Marktteilnehmer haben die unzureichende Regulierung für sich ganz persönlich ausgenutzt – und wollen jetzt nicht die Folgen dieses Handelns tragen.- Wer muss die Verantwortung übernehmen?Am Ende geht es darum, wer zahlt. Bisher hat die Rettungspolitik im Wesentlichen in staatlichen Unterstützungsmaßnahmen bestanden. Die Politik kann schon deshalb nicht so fortfahren, weil die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in vielen Ländern ihre Grenze erreicht hat. Auch deshalb ist der Ruf nach verstärkter Gläubigerbeteiligung berechtigt. Gläubiger müssten bei der Rettung einer Bank genauso behandelt werden wie bei einem Insolvenzverfahren. Zudem dürften Aktionäre bei einer staatlich organisierten und finanzierten Bankenrestrukturierung nicht besser behandelt werden als im Fall einer Insolvenz.- Der Vorschlag führt aber zu einer gewissen Beliebigkeit. Gläubiger können nur schwer wegen ihrer heterogenen Struktur im gleichen Maß beteiligt werden.Hier bietet sich das Instrument des Debt-to-Equity-Swap an, bei dem die Forderungen von Gläubigern in Aktienbeteiligungen umgewandelt werden. Das sieht auch der jüngste EU-Richtlinienvorschlag vor. Damit wird das Eigenkapital gestärkt und die Gläubiger werden zugleich an der Restrukturierung beteiligt. Auf freiwilliger Basis gibt es das schon – aber noch nicht verpflichtend. Die EU sieht eine Umsetzungsfrist bis 2018 vor – das ist eindeutig zu lang.- Es geht darum, das Vertrauen in den Markt wieder herzustellen. Aber in den Finanzmärkten gibt es viele Interessen. Den Ratingagenturen wird ihr zu großer Einfluss vorgeworfen. Sehen Sie hier die Notwendigkeit zu handeln?Wir haben über diese Frage noch nicht beraten. Im Bereich des Rating sehe ich eine oligopolistische Marktstruktur. Ein Grundproblem liegt darin, dass die Emittenten für Ratings bezahlen. Dieses Vergütungsmodell ist erst in den 70er Jahren entstanden. Zuvor hatten Anleger die Ratingagenturen finanziert und hierfür schriftliche Bewertungen der Bonität von Schuldnern erhalten. Weil im Zeitalter der Fotokopie immer mehr nichtzahlende Investoren Kenntnis von den Ratings erhielten, fanden sich immer weniger Anleger bereit, die Bewertungen entgeltlich zu erwerben. Seither lassen die Agenturen sich im Wesentlichen von jenen bezahlen, deren Bonität sie zu beurteilen haben. In einer solchen Vergütungsstruktur liegt ein latentes Problem, wie wir es ähnlich auch im Wirtschaftsprüferbereich haben.- Oft werden Finanzakteure von Staats wegen gezwungen, sich nach den Bonitätsbewertungen der Agenturen zu richten. Sollte das so bleiben?Das Konzept des regulatorischen Rating, wo dem Rating ein offizieller Charakter zugesprochen wird, ist problematisch. Viele Bewertungen haben sich im Nachhinein als falsch erwiesen. Den drei großen Ratingagenturen kommt auf dieser Grundlage eine zu große Bedeutung zu.- Was muss sich ändern?Das Rating ist eine Dienstleistung für Anleger, deshalb sollte es auch aus diesem Umfeld bezahlt werden. Und Anleger sollten sich nicht in gleichem Maße wie in der Vergangenheit auf Ratings verlassen. Personen, die in Unternehmen für Anlageentscheidungen zuständig sind, sollten selbst Verantwortung tragen und sich nicht allein mit dem Hinweis auf ein gutes Rating einer Anlage bzw. Emittenten entlasten können.- Muss Rating unbedingt privat sein? Warum keine öffentlich-rechtliche Einrichtung?Im System des regulatorischen Rating, bei dem Bonitätsbewertungen etwa im Zusammenhang des Eigenmittelbedarfs von Kreditinstituten eine Bedeutung zuerkannt wird, könnte es konsequent erscheinen, darin eine Staatsaufgabe zu sehen. Wenn ich die Geschichte des Ratings betrachte, ist es aber zunächst ein Anliegen von Privatanlegern gewesen, die das Angebot eines privaten Dienstleisters in Anspruch genommen haben. Solange die Finanzierung der Ratingagenturen durch die Emittenten erfolgt, muss man ihre Urteile freilich so hinnehmen wie alle anderen Einschätzungen von Marktteilnehmern auch: es sind bloße Meinungsäußerungen.- Wenn es dann kein regulatorisches Rating mehr gibt, sollte man die Agenturen dann überhaupt noch regulieren?Dann muss man sie nicht regulieren. Allerdings müssen gewisse Verhaltensanforderungen an Ratingagenturen gestellt werden, schon wegen ihres großen marktprägenden Einflusses. So wie wir ja auch Regeln gegen Marktmanipulationen und Insidergeschäfte haben.- Sie kritisieren den Ruf nach dem Staat, dass Privatisierung und Liberalisierung auslaufen und es jetzt wieder eher retour geht. Der Bund hat vor allem noch Anteile an Netzunternehmen. Da ist die Privatisierung schwierig.Die Frage ist, welches Wirtschaftssystem wir wollen. Wenn der Bund 30 % der Anteile an der Post hält, dieses Unternehmen aber mit Unternehmen konkurriert, die zu 100 % in privater Hand sind, gibt es Interessenkonflikte. Das bringt den Bund in seiner Wirtschaftspolitik in eine schwierige Situation: Als Wettbewerbsförderer müsste er dafür sorgen, dass die Margen unter Druck kommen, als Fiskus ist er an einem hohen Ertrag seiner Beteiligung interessiert. Und dieser Konflikt wird auf vielen Feldern ausgetragen – und verzerrt das Wettbewerbsumfeld. Denken Sie etwa an die wachsende Rolle der Stadtwerke bei der Energiewende und den EnBW-Rückkauf in Baden-Württemberg.- Aber ist die Rekommunalisierung der Energieversorgung so viel schlechter als das Oligopol der großen Energiekonzerne?Das Schlimme ist, dass es dabei ja nicht nur um den Versorgungsauftrag geht, sondern auch darum, mit den Unternehmen weitere Ziele verfolgen zu können: von der Quersubventionierung kommunaler Betriebe bis hin zur Vermittlung von “Versorgungsposten” in den Unternehmen für altgediente Politiker. Und was das Oligopol angeht, so ist das zwar ein Problem, aber beileibe nicht mehr ein so dramatisches wie noch vor einigen Jahren. Grund dafür ist die europäische Vernetzung und die Entscheidung zur Energiewende, welche kleinere Erzeugereinheiten bevorzugt. Letztlich stellt sich die Frage: Kann es der Staat wirklich besser? Ist das im Sinne der Bürger und Verbraucher? Die Erkenntnisse aus der ökonomischen Forschung belegen, dass private Anbieter tendenziell effizienter und verbraucherorientierter sind als staatliche Einheiten. Deshalb müsste die Entscheidung eigentlich leichtfallen.- Können Sie das auch an Daten festmachen?Ja, wir haben die Margen der Energieversorger untersucht und festgestellt, dass die der Stadtwerke höher sind als jene der großen Energiekonzerne. Sie könnten die Energie also eigentlich billiger anbieten, tun das aber nicht – aus den oben genannten Gründen. Das sagt doch alles.- Aber erschüttern nicht auch die Skandale an der Energiebörse und beim CO2-Handel das Vertrauen in marktwirtschaftliche Lösungen? Warum sollten Bürger den Privatunternehmen mehr Vertrauen als dem Staat, dessen Repräsentanten sie gewählt haben?Das ist ein wichtiger Punkt. Missbräuchliche Verhaltensweisen sind ein Problem, deshalb bekommen wir im Bereich der Energiewirtschaft eine stärkere Aufsicht, die für mehr Transparenz sorgen soll.- Setzen Sie so große Hoffnungen in die geplante Markttransparenzstelle in Deutschland für Strom, Gas und Kraftstoffe?Die Markttransparenzstelle für Strom und Gas geht auf einen Vorschlag der Monopolkommission von 2009 zurück. Wir halten die Ausstattung dieser Stelle angesichts ihrer Aufgaben allerdings für großzügig. Zudem muss sich die Behörde bei ihrer Arbeit nicht nur auf deutsche Daten stützen, sondern grenzüberschreitend tätig werden und auch Zugriff auf ausländische Daten haben. Die Stelle muss ferner unabhängig sein, um Einflüsse von anderer Stelle auszuschließen.- Das alles wird sehr komplex. Da eine Marktstelle, dort Regulierungs- und Aufsichtsbehörden. Schreckt das die Bürger ob der Komplexität nicht ab? Würde ein integriertes Regulierungs- oder Wettbewerbsministerium nicht mehr Vertrauen schaffen?Ich zweifle daran, dass es Marktwirtschaft und Wettbewerb fördert, wenn wir ein Ministerium bekommen, das den Begriff der Regulierung im Titel führt. Aus der Organisationstheorie ist bekannt, dass Behörden die Tendenz haben, ihre Zuständigkeiten beständig auszuweiten. Diese Befürchtung hätte ich auch bei einem Bundesregulierungsministerium. Die Schaffung eines Wettbewerbsministeriums andererseits erscheint nicht erforderlich, weil ein solches in Gestalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bereits existiert.- Der Bürger soll wieder Vertrauen in die Marktprozesse gewinnen. Ihm muss also das Gefühl vermittelt werden, der Staat kümmert sich darum ernsthaft.Ich bin gar nicht pessimistisch, was die Verbreitung des Marktgedankens in der Bevölkerung angeht. Es gibt ja bereits Institutionen, die sich um den Wettbewerb kümmern – etwa das Bundeskartellamt und die Monopolkommission. Aber wir haben ein Problem mit der Kommunikation marktwirtschaftlichen Gedankenguts. Das wiegt heute schwerer als vor 20 Jahren, als man die Schwierigkeiten der Staatswirtschaften noch frisch vor Augen hatte.- Wer könnte helfen?Ich vermisse explizit ein Engagement aus den Wirtschaftswissenschaften, sich diesem Auftrag zu stellen. Viele Ökonomen konzentrieren sich heute auf relativ begrenzte Fragestellungen, die sie mathematisch analysieren, ohne aber grundlegende Antworten für zentrale ökonomische Sachverhalte zu entwickeln. Viele beschränken sich auch darauf, die aus ihrer Sicht effizienteste Lösung für ein spezifisches Problem zu präsentieren. Dabei fällt in der wissenschaftlichen Diskussion kaum mehr der Begriff des Wettbewerbs. Und wenn schon von dieser Seite wenig Unterstützung für den Wettbewerbsgedanken kommt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn auch in der Öffentlichkeit Wettbewerbspolitik nur mehr begrenzt auf Verständnis stößt.- Müsste die Monopolkommission aktiver werden? Das jüngste Hauptgutachten verirrt sich in Randthemen wie den Wettbewerb im Seelotsendienst.An öffentlicher Wahrnehmung fehlt es nach meinem Eindruck nicht. Und die genannten Randthemen stehen pars pro toto. Manches in Deutschland erinnert noch an mittelalterliche Zunftordnungen. In einigen Berufen steht der nach wie vor vorhandene Meisterzwang der Selbstständigkeit im Weg. Es gibt noch genügend Wettbewerbsbaustellen in Deutschland, die angesichts der großen Themen, etwa der Finanzkrise, eher im Schatten stehen. Im Übrigen besteht ein Großteil unserer Arbeit in der Politikberatung – und die geschieht nicht im Lichte der Öffentlichkeit.—-Das Interview führten Angela Wefers und Stephan Lorz. ——Die Monopolkommissionwf – Mit einem mehrere hundert Seiten starken Hauptgutachten macht die Monopolkommission alle zwei Jahre von sich reden. Darin untersucht sie – laut gesetzlichem Auftrag – die Unternehmenskonzentration, kartellrechtliche Entscheidungspraxis sowie den Wettbewerb auf ausgewählten Märkten. Im jüngsten Gutachten vom Juli 2012 hat sie den Lebensmitteleinzelhandel beleuchtet, aber auch den Wettbewerb im deutschen Seelotsenwesen oder auf Glücksspielmärkten. Alternierend zum Hauptgutachten legt die Kommission seit einiger Zeit alle zwei Jahre ein Sondergutachten zu den Netzindustrien – Post, Bahn, Telekom – vor. Das unabhängige, fünfköpfige Gremium aus zwei Wissenschaftlern – Daniel Zimmer und Justus Haucap – sowie drei Praktikern – Finanzexpertin Dagmar Kollman, Unternehmerin Angelika Westerwelle sowie Thomas Noecker (K+S) – trifft sich alle vier Wochen. Es wählt den Vorsitzenden aus seiner Mitte. ——