US-WIRTSCHAFT IM BRENNPUNKT

Angst vor einer Rezession in den USA wächst

Volkswirte befürchten zunehmend jähes Ende des längsten Wirtschaftsaufschwungs der Geschichte - Handelskonflikte gelten als die größte Gefahr

Angst vor einer Rezession in den USA wächst

Die USA erleben den längsten Wirtschaftsaufschwung ihrer Geschichte. Jetzt aber wächst die Angst vor einer Rezession der weltgrößten Volkswirtschaft. Weltweit schauen deshalb Politiker, Notenbanker und Volkswirte auf die USA. Diese Woche stehen eine Reihe wichtiger Konjunkturdaten an. Wie also ist die Lage?Von Peter De Thier, WashingtonIn den USA wächst die Angst vor einer Rezession. Präsident Donald Trump reagiert panisch und schiebt der US-Notenbank die Schuld an der konjunkturellen Abschwächung zu, weil diese den Leitzins zu hoch geschraubt habe und nun den Geldhahn nicht schnell genug wieder aufdrehe. Der drohende wirtschaftliche Einbruch könnte Trump im November kommenden Jahres durchaus die Wiederwahl kosten.Gut stehen die Zeichen nicht: Vor kurzem warfen zum ersten Mal seit der Finanzkrise und der darauf folgenden Weltrezession kurzfristige US-Anleihen eine höhere Rendite ab als langfristige Obligationen. Dabei gilt eine inverse Zinskurve als einer der verlässlichsten Indikatoren einer bevorstehenden Rezession. Untermauert wurde der Verdacht durch eine neue Studie der National Association of Business Economists (NABE). Demnach sind fast drei Viertel der befragten Volkswirte davon überzeugt, dass der nächste tiefe Einbruch spätestens 2021 kommen wird. Folgen für DeutschlandFolgen hätte eine US-Rezession auch für Europa und speziell Deutschland. Schließlich gehen jedes Jahr mehr deutsche Ausfuhren in die USA als in jedes andere Land. 2018 setzten deutsche Unternehmen in den USA mehr als 113 Mrd. Euro um und verbuchten mit fast 49 Mrd. Euro einen höheren Überschuss als mit jedem anderen Partnerland. Schwächt sich die weltgrößte Wirtschaft deutlich ab, dann werden Verbraucher beginnen, gerade bei Luxusgütern und anderen Produkten “Made in Germany” Abstriche zu machen.Was aber ist geschehen? Nach seinem Amtsantritt versprühte Präsident Trump unverblümten Optimismus. Wachstumsraten von bis zu 4 % pro Jahr seien kein Problem, versprach er, und binnen relativ kurzer Zeit werde es ihm auch gelingen, das Haushaltsdefizit abzubauen und die Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen.Die Ende 2017 verabschiedete Steuerreform half in der Tat, die Wirtschaft zu beflügeln. Unternehmen mussten nicht mehr 35 % ihrer Gewinne an den Fiskus abführen, der mit Abstand höchste Steuersatz aller OECD-Länder, sondern nur noch 21 %. Folglich investierten sie mehr und stellten immer mehr neue Mitarbeiter ein. Auch schraubten Verbraucher, deren Konsum fast 70 % der gesamten Wirtschaftsleistung der USA ausmacht, ihre Ausgaben weiter hoch.Während der vergangenen 18 Monate hat sich das Blatt aber gewendet. Viele Ökonomen nennen zyklische Faktoren und meinen, dass allein deswegen die nächste Rezession längst fällig sei. Wichtiger dürfte aber der Dauerkonflikt im Handel mit China sein, der tiefe Wunden aufgerissen hat. Bereits am 1. Oktober könnten von wenigen Ausnahmen abgesehen sämtliche Einfuhren aus dem Reich der Mitte mit Sonderabgaben überzogen werden.Im Gegenzug treffen Pekings Vergeltungsmaßnahmen vor allem die verarbeitende Industrie und noch stärker amerikanische Landwirte, die starke Umsatzeinbußen erlitten haben. Diese wiederum zählen zu Trumps Stammwählern, und ohne deren Unterstützung wird es für den Präsidenten umso schwieriger, den Chefsessel im Oval Office des Weißen Hauses zu verteidigen. Autozölle drohen weiterDie Dauerkonflikte, übrigens auch mögliche Einfuhrabgaben auf europäische Autos, drücken die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern in den USA und könnten den Konsum ebenso wie Unternehmensinvestitionen, die schon erkennbar gelitten haben, weiter abbremsen. Besonders irritierend für Trump ist die Schräglage im Handel mit Deutschland. Wie ein leitender Wirtschaftsberater des Präsidenten betonte, der nicht namentlich zitiert werden wollte, “sind die Autozölle daher keineswegs vom Tisch, und der Präsident behält sich jederzeit vor, diese anzuordnen”.Obwohl Ökonomen überzeugt sind, dass der Hauptgrund für die Abschwächung in Trumps protektionistischer Handelspolitik zu finden ist, hat der Präsident einen Sündenbock gefunden: Schuld daran, dass die Aussichten sich eingetrübt haben und die Industrieproduktion stagniert beziehungsweise in den letzten sechs Monaten sogar schrumpfte, ist laut Trump “der ahnungslose Notenbankchef Jerome Powell”.Nach einer Serie von Leitzinserhöhungen haben die Währungshüter im Juli zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren den Geldhahn wieder aufgedreht. Laut Trump müsste die Zentralbank aber deutlich aggressiver vorgehen, um die Wirtschaft zu beleben und eine Rezession abzuwenden. Kürzlich stellte er sogar die polemische Frage, ob denn “Powell oder Chinas Präsident Xi Jinping ein größerer Feind der USA ist”.Zwar will Powell den Anschein erwecken, als lasse er sich nicht einschüchtern und dass allein die konjunkturelle Entwicklung, nicht aber Trumps politische Interessen für die Geldpolitik entscheidend sind. Einige seiner Kollegen bei der Fed haben die monetäre Lockerung vom Juli, die sie für überflüssig hielten, aber in Frage gestellt. Mehrere Fed-Beobachter sind in der Tat überzeugt, dass die unaufhörlichen Attacken seitens des Präsidenten tatsächlich Wirkung entfaltet haben.So oder so ist die Nervosität Trump anzumerken. Vor einigen Wochen bat er in einem Telefonat die Chefs der größten US-Banken um Rat. Dann spielte im Fernsehen Larry Kudlow, Chef des National Economic Council (NEC), die Rezessionsgefahr bewusst herunter. Auch versuchte der Präsident beim G7-Gipfel in Biarritz seinem Publikum weiszumachen, dass es um die amerikanische Wirtschaft bestens bestellt ist. Doch das Risiko ist akut und wird mit jedem neuen Handelskonflikt, den Trump anzettelt, größer.Obwohl der Präsident glaubt, dass Regeln, die bei anderen Politikern zur Tagesordnung gehören, auf ihn nicht zutreffen, wird er sich einer Gesetzmäßigkeit nur schwer entziehen können: dass nämlich kein Präsident, unter dem die Nation in eine Rezession abrutschte, jemals wiedergewählt wurde.