Angst vor erneuter Rezession wächst

Einkaufsmanagerindex in Euroland fällt unter Wachstumsschwelle - Dienstleister leiden unter Coronawelle

Angst vor erneuter Rezession wächst

Der unter die Wachstumsschwelle gefallene Einkaufsmanagerindex für den Euroraum zeigt deutlich, dass das Risiko einer erneuten Rezession steigt. Der Druck auf die Regierungen und die Europäische Zentralbank, möglichst schnell und umfangreich bei ihren Hilfsmaßnahmen nachzulegen, nimmt zu.ba/ms Frankfurt – Mit den immer neue Höchststände erklimmenden Corona-Neuinfektionen steigen die Sorgen, dass die Wirtschaft im Euroraum erneut in eine Rezession rutscht. Die anstehenden bzw. bereits verhängten Schutzmaßnahmen in den 19 Euro-Ländern werden dem Wachstum wie schon im Frühjahr einen kräftigen Dämpfer verpassen. Dementsprechend nehmen die Erwartungen zu, dass nicht nur die Regierungen erneut mit Hilfspaketen nachlegen oder diese erweitern und verlängern – auch der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) steigt, dass diese zusätzliche Anreize setzt, wenn der EZB-Rat am kommenden Donnerstag tagt. Der Einkaufsmanagerindex für den Euroraum, der im Oktober unter die Wachstumsschwelle gerutscht ist, ist nur ein weiterer Beleg, dass die Erholung ins Stocken gerät.Für das dritte Quartal, über dessen Entwicklung am kommenden Freitag die nationalen Statistikämter von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien berichten, erwarten Ökonomen noch ein kräftiges Wachstum. Im Frühjahr war das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Quartalsvergleich um 11,8 % eingebrochen – nach einem Rückgang um 3,7 % im Startabschnitt 2020. Die Gegenbewegung dürfte umso stärker ausfallen, je tiefer der Einbruch in den Quartalen zuvor war. Von daher wird für Frankreich, Spanien und Italien ein BIP-Plus im zweistelligen Bereich erwartet, die Prognose für die deutsche Wirtschaft liegt bei etwa 7 %. Die Voraussage für die Euro-Wirtschaft insgesamt beträgt 9 %. Bis in den August hinein hatten sich Einzelhandelsumsätze, Industrieproduktion und der Außenhandel noch erholt, aber bereits eine langsamer werdende Dynamik angezeigt.Nun sendet auch der Einkaufsmanagerindex (PMI) ein Warnsignal: Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende PMI Composite ist vorläufigen Daten zufolge im Oktober um 1 auf 49,4 Punkte gerutscht. Erst Werte oberhalb von 50 Punkten signalisieren eine wirtschaftliche Expansion. “Angesichts des neuerlichen Wachstumsrückgangs im Oktober infolge der zweiten Corona-Infektionswelle steigt das Risiko, dass die Eurozone wieder in die Rezession abrutscht”, mahnte denn auch IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Zudem zeigt sich erneut eine “Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten”: Während die Industrie so stark wie zuletzt Anfang 2018 wachse, litten die Dienstleister immer stärker unter den verschärften Corona-Restriktionen – insbesondere das “schwer gebeutelte Gastgewerbe”. Auf Länderebene ist die Kluft laut Williamson noch größer: Deutschland profitiere vom Industriesektor, der den drittstärksten Aufschwung seit Umfragebeginn vor knapp 25 Jahren verzeichnete. In den übrigen Euro-Ländern habe sich hingegen die Talfahrt beschleunigt. Der Composite PMI für Deutschland ist um 0,2 auf 54,5 Punkte gesunken, das Barometer für Frankreich um 1,2 auf 47,3 Zähler. Lockerungssignale erwartetDie neuen Daten dürften auch die Konjunktursorgen in der EZB noch einmal vergrößern – womit auch die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Lockerung der ohnehin bereits ultraexpansiven Geldpolitik steigen dürfte. Zuletzt hatten sich insbesondere EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihr geldpolitischer Vordenker, EZB-Chefvolkswirt Philip Lane, besorgt über den neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen und die wirtschaftlichen Folgen geäußert und die Bereitschaft der EZB untermauert, geldpolitisch nachzulegen. Im Kampf gegen die Krise hatte der EZB-Rat im März das Corona-Notfallkaufprogramms PEPP ausgeweitet. Derzeit beläuft es sich auf 1,35 Bill. Euro bis Mitte 2021.Für die anstehende EZB-Ratssitzung erwarten die meisten zwar noch keine großen Beschlüsse. Zuletzt hatte insbesondere Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Interview der Börsen-Zeitung vor überzogenen Erwartungen gewarnt (vgl. BZ vom 8. Oktober). Viele Euro-Hüter sehen auch primär die Fiskalpolitik in der Pflicht. Mit großer Spannung wird aber erwartet, inwieweit der EZB-Rat Signale für eine Lockerung bei der Dezember-Sitzung gibt. Laut einer Bloomberg-Umfrage gehen Beobachter fast unisono von einer weiteren Aufstockung und Verlängerung aus. Die Experten erwarten einen Nachschlag von rund 500 Mrd. Euro und eine Verlängerung bis Ende 2021. Viele haben dabei die Dezember-Sitzung auf dem Zettel.