Argentinien will neuen Kredit verhandeln

Das Land hat 44 Mrd. Dollar Schulden beim IWF - "Fehlerhafte Kalkulationen" im Kreditvertrag von 2018

Argentinien will neuen Kredit verhandeln

af Buenos Aires – Argentinien hat am Mittwoch beim Internationalen Währungsfonds (IWF) offiziell um Verhandlungen über ein neues Finanzierungsprogramm gebeten. In einem Schreiben an die IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa begründeten Finanzminister Martin Guzmán und Zentralbankchef, Miguel Pesce den neuen Antrag in acht Punkten.Darin erklären sie, dass Argentinien nach der Gewährung des Stand-by-Kredits in 2018 nicht in der Lage war, sich zu refinanzieren oder seine Schulden zu begleichen, obwohl es wie vereinbart sein primäres Haushaltsdefizit und sein Leistungsbilanzdefizit deutlich gesenkt habe. Zudem sei infolge dieser harten Sparmaßnahmen die Wirtschaftstätigkeit zusammengebrochen und die Inflation auf Rekordhöhen gestiegen. Die dramatische Situation von 2019 sei in diesem Jahr durch die Pandemie zusätzlich verschlimmert worden.Der Kern des Antrags beinhaltet zwei Aspekte: Erstens betont die seit Dezember amtierende Regierung, dass sowohl der liberale Vorgänger Mauricio Macri als auch die vorherige Führung des Fonds unter Christine Lagarde Verantwortung für “fehlerhafte Kalkulationen” in dem 2018 vereinbarten Kreditvertrag über insgesamt 57 Mrd. Dollar trugen. Zusätzlich wird in dem neuen Antrag betont, dass ein neues Abkommen keinesfalls “auf Kosten einer wirtschaftlichen Erholung” gehen dürfe. Der Brief enthält zwei Versprechen: eine Reduktion des Haushaltsdefizits nach dem Abklingen der Pandemie und auch ein Ende der Devisenkontrollen “zu gegebener Zeit.” Ehe Guzmán und Pesce das Schreiben unterzeichneten, hatte Präsident Alberto Fernández eine Stunde lang mit der IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa telefoniert. Danach äußerten sich beide vorsichtig optimistisch.44 Mrd. Dollar hat das südamerikanische Land zwischen September 2018 und Oktober 2019 im Rahmen des mächtigsten Stand-by-Kredites empfangen. Diese Summe, die wesentlich höher war als es die IWF-Regularien eigentlich vorsehen, war vor allem auf Druck der US-Regierung ausgezahlt worden. Die Trump-Administration wollte so den wirtschaftsfreundlichen Präsidenten Macri stützen und internationale Anleger zum Verbleib in Argentinien bewegen. Tatsächlich bewirkte der Rekordkredit das Gegenteil. Internationale und argentinische Anleger zogen ihre Investments ab. Die Unterstützung half auch nicht in politischer Hinsicht: Die linkspopulistischen Peronisten kamen schließlich zurück an die Regierung.Deren Führerin Cristina Kirchner, die sich zwar formell mit dem Amt der Vizepräsidentin begnügt, tatsächlich aber die entscheidenden Impulse setzt, betont seit Monaten, dass ihr Land nicht allein für den Kredit aufkommen könne, der zwischen 2021 und 2024 zurückgezahlt werden muss. Sie forderte, dass der IWF ähnlich wie die privaten Gläubiger auf einen Teil der Kreditsumme verzichten solle. Das freilich erlauben die IWF-Statuten nicht. Argentinien muss den Kredit in voller Höhe begleichen. Das könne das Land in der aktuellen Notsituation nicht, sagte Finanzminister Guzmán. Deshalb müsse man nun einen neuen Kredit beim Fonds beantragen, um damit die Schulden des Kredits von 2018 zu begleichen. “Sonst ist es unbezahlbar”, fürchtet Sergio Chodos, Argentiniens Vertreter vor dem IWF.Um eine solche Umschuldung entweder in der Form eines neuen Kredits oder durch eine sogenannte “Vereinbarung über die Erweiterte Fazilität (EFF)” genehmigen zu können, wird der Fonds von Argentinien klare Signale erwarten. Dabei werden eine Stabilisierung der Budgets nach dem Abflauen der Coronakrise ebenso gefordert werden, wie die Reduktion der Neuemissionen. Mangels anderer Alternativen musste das Land die Corona-Sonderprogramme mit der Notenpresse finanzieren. Zudem erwartet der IWF, dass Argentinien die Exporte deutlich ankurbelt, um genuine Devisen zu erwirtschaften und die fast aufgebrauchten Reserven der Zentralbank zu entlasten und so mittelfristig die Devisenkontrollen abzuschaffen. Dazu dürfe das Land den Peso keinesfalls wieder aufwerten lassen.