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Argentiniens Kampf gegen den Bankrott wird emotional

Von Andreas Fink, Buenos Aires Börsen-Zeitung, 28.7.2020 Zu vorgerückter Stunde rief Alberto Fernández seinen Finanzminister an. Argentiniens Präsident bat Martín Guzmán, das Umschuldungsangebot der Wall-Street-Fonds für sein Land abzulehnen. Und...

Argentiniens Kampf gegen den Bankrott wird emotional

Von Andreas Fink, Buenos AiresZu vorgerückter Stunde rief Alberto Fernández seinen Finanzminister an. Argentiniens Präsident bat Martín Guzmán, das Umschuldungsangebot der Wall-Street-Fonds für sein Land abzulehnen. Und er bestand darauf, dass Guzmán das mit der sozialen Situation im Lande begründe. Guzmán formulierte: “Während 50 % der Kinder in Argentinien in Armut leben, können wir nicht die kurzfristigen Gewinne unserer Gläubiger erhöhen.”Dass diese Begründung die Investoren sonderlich emotionalisiere, glaubten tags darauf die wenigsten. In Buenos Aires wurde die Wortwahl eher als Element jener Epik gelesen, mit der die Peronisten seit Jahrzehnten ihrem Anhang weismachen wollen, dass sie für die Interessen ihres Volkes einträten, während sie das einst reichste Land der Region zu ihren Gunsten von einem Staatsbankrott zum nächsten regieren.Tatsächlich ist Argentinien zum neunten Mal zahlungsunfähig. An diesem Donnerstag läuft die Karenzfrist für eine Zinszahlung über rund 566 Mill. Dollar ab. Diese betrifft Anleihen, die 2005 und 2010 ausgegeben wurden, in den Umschuldungsprozessen nach dem Staatsbankrott von 2001. Wenn diese Verpflichtungen nicht bedient werden, wird das Land definitiv bei sämtlichen unter US-Recht aufgelegten Anleihen in Verzug geraten. Insgesamt sind diese etwa 67 Mrd. Dollar wert.Bis zum 4. August solle eine Einigung erzielt werden, hatte Argentiniens Chefverhandler Guzmán verlangt, als er Anfang Juli sein “definitiv letztes Angebot” vorlegte. Die wichtigsten Gläubiger reagierten vorige Woche mit einem Gegenangebot, das von den drei unterschiedlichen Investorengruppen unterzeichnet wurde, die bislang separat verhandelt hatten. Dieses lehnte Alberto Fernández nun ab – unter Verweis auf die armen Landeskinder.In Buenos Aires wird dieses Nein keineswegs für endgültig gehalten. Denn die gesamte Finanzwelt weiß, dass Argentinien nach 130 Tagen lähmenden Lockdowns die Finanzmärkte brauchen wird. Regierung und Unternehmen werden ohne private Investoren unmöglich aus dem Desaster nach zwei Jahren Rezession plus Pandemie herauskommen. Und auch den Anlegern muss an einem Deal gelegen sein, denn in einer Welt mit Liquidität im Übermaß dürften argentinische Papiere zu den wenigen Anlagen zählen, die Renditen versprechen. Zudem dringen die US-Regierung, die G20-Staaten sowie der Internationale Währungsfonds auf eine Einigung, die Modellcharakter haben könnte für viele weitere Umschuldungsverhandlungen in den kommenden Monaten.Tatsächlich liegen beide Seiten gar nicht mehr so weit auseinander. Argentinien bietet 53,40 Dollar für 100, die Gläubiger verlangen 56,5 %. Der Hauptkonflikt konzentriert sich auf die “Anabolika” in Argentiniens Angebot: der Bonus für jene, die schon vor dem Stichtag am 4. August einschlagen. Die Südamerikaner bieten solchen “Frühbuchern” an, den in diesem Jahr ausgefallenen Schuldendienst voll zu leisten. Das gefällt den Gläubigern, nicht aber der offerierte Zinssatz. Argentinien bietet 1 %. Die Gläubiger verlangen 4,9 %. Zudem gibt es rechtliche Meinungsverschiedenheiten, vor allem über die Kollektivklauseln. Die Gläubiger wollen den Argentiniern weitere Umschuldungsversuche erschweren.