Asien trotz des US-Zinsschritts auf Wachstumskurs

Robuste Binnennachfrage und Reformen verleihen Rückenwind - Risikofaktor Unternehmensschulden

Asien trotz des US-Zinsschritts auf Wachstumskurs

Von Ernst Herb, HongkongDer Ort zwischen Hammer und Ambos ist kein bequemer Ort. Doch genau dort befinden sich gemäß der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Schwellenländer infolge der steigenden Zinsen der USA und einem erstarkenden Dollar. Was das bedeuten kann, haben vor vier Jahren Indien und Indonesien erlebt, als schon eine sich am Horizont abzeichnende geldpolitische Wende der mächtigsten Notenbank der Welt einen massiven Kapitalabfluss ins Ausland auslöste und die zwei Länder an den Rand einer Zahlungsbilanzkrise brachte.Die asiatischen Schwellenländer habe das sogenannte Taper Tantrum von Mitte 2013 nicht zuletzt dank einer koordinierten Aktion der regionalen Zentralbanken aber weitgehend unbeschadet überstanden. Vor allem haben die Staaten der Region als Antwort auf die panikartige Reaktion der Märkte nicht nur ihre Währungsreserven deutlich aufgestockt, sondern auch ihre Wirtschaftsreformen beschleunigt vorangetrieben.Dies spiegelt sich auch in mehrheitlich guten Frühindikatoren. So weist etwa der vom Datendienstleister CEIC erfasste regionale Einkaufsmanagerindex einen Wert von deutlich über 50 aus, was klar auf eine expandierende Wirtschaftstätigkeit hinweist. Dies bedeutet nicht, dass die Region ganz vor externen oder auch internen Schocks geschützt ist. Sollten etwa die USA, wie vor allem kurz nach dem Sieg Donald Trumps im US-Präsidentschaftswahlkampf befürchtet wurde, einen Handelskrieg vom Zaun brechen, würde dies die nach wie vor stark exportlastigen Schwellenländer sicherlich empfindlich treffen. Ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor für die weitere Entwicklung sind auch die in den vergangenen Jahren deutlich gewachsenen Unternehmensschulden. Günstige PrognoseDas Problem könnte nach Meinung von Frederic Neumann, dem Asienökonomen der britischen Großbank HSBC, vor allem dann akut werden, sollte die Fed die Zinse deutlich schneller anheben, als allgemein erwartet wird. Allerdings sind die in den Bilanzen der asiatischen Unternehmen stehenden Verbindlichkeiten vor allem in lokaler Währung denominiert, womit das Wechselkursrisiko weitgehend wegfällt.Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) geht angesichts der mehrheitlich guten Konjunkturdaten weiter davon aus, dass die Volkswirtschaften der regionalen Schwellenländer im laufenden Jahr 5,7 % expandieren werden. Das Wachstum dürfte dabei insbesondere auch durch die in der gesamten Region steigenden Investitionen in Infrastrukturprojekte erweisen.Die günstige Konjunkturprognose der ADB stützt sich vor allem auch auf die Einschätzung, dass die noch Anfang 2016 herrschende Sorge über einen Konjunktureinbruch in China weitgehend in den Hintergrund getreten ist. Das Wachstum der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft hat sich bereits seit der zweiten Hälfte 2016 nicht zuletzt auch dank einer lockeren Geldpolitik und punktuellen steuerlichen Erleichterungen beschleunigt. Der chinesische Premiermister Li Keqiang legte bereits Mitte März auf dem Volkskongress für 2017 ein Wachstumsziel von 6,5 % und “wenn möglich noch mehr” fest. Indien rasch erholtIndiens Wirtschaft wiederum hat sich bemerkenswert schnell von dem Mitte November überraschend eingeleiteten Rückzug von 86 % allen zirkulierenden Bargelds erholt. Die umstrittene Maßnahme ließ zeitweise die Umsätze im Einzelhandel und in der Bauindustrie einbrechen, doch ist mittlerweile weitgehend wieder Normalität eingekehrt. Nachdem die Partei von Premiermister Narendra Modi in den Parlamentswahlen einen Erdrutschsieg davongetragen hat, ist der Hauptindex der Börse Mumbai auf ein Allzeithoch gestiegen.In Indonesien wiederum, der mit Abstand größten südostasiatischen Volkswirtschaft, neigt zwar der Konsum der Privathaushalte zur Schwäche, doch sind die steigenden staatlichen Investitionen in Infrastrukturprojekte – ebenso wie in Thailand – zur Wachstumslokomotive geworden.”Die Volkswirtschaften der Region blieben in den vergangenen Monaten dank einer stabilen Binnenkonsums wie auch einer sich weiter erholenden externen Nachfrage auf Wachstumskurs”, fasst ein Report des US-Finanzhauses Morgan Stanley die wirtschaftliche Verfassung der jungen asiatischen Wachstumsmärkte zusammen.Selbst in Südkorea, wo infolge der Absetzung von Präsidentin Park Geun-hye und aufgrund des Säbelrasselns Nordkoreas die in- und außenpolitischen Risiken deutlich gestiegen sind, ist das Wachstum vor allem dank den robusten Exporten stabil geblieben. Das ist umso bemerkenswerter, hat doch China gegen Südkorea wegen der laufenden Installation eines amerikanischen Raketenabwehrsystems einen teilweisen Wirtschaftsboykott erlassen.