DIE GRIECHISCHE TRAGÖDIE

Athen kann nicht mehr auf den IWF zählen

Lagarde will Referendum am Sonntag abwarten

Athen kann nicht mehr auf den IWF zählen

det/fed/ms Washington/Brüssel/ Frankfurt – Knapp 1,6 Mrd. Euro – diese Summe hätte Griechenland gestern eigentlich an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen müssen. Bereits vor Ablauf der Frist hatte Athens Finanzminister Giannis Varoufakis aber erklärt, dass sein Land nicht zahlen werde – und bis zum Abend zeichnete sich auch keinerlei Wende ab. Was aber folgt nun konkret daraus – für den IWF, aber auch für die EU-Partner?IWF-Chefin Christine Lagarde hatte Athen bis zuletzt davor gewarnt, die Kreditrate nicht zurückzuzahlen und somit einen “Präzedenzfall” für ein Industrieland zu schaffen. Konkrete Sanktionsmöglichkeiten hat der Fonds aber kaum, wie er selbst bestätigt. Jedoch hat Athen bei einem Zahlungsverzug keinen Zugriff mehr auf neue Kredite, ehe sämtliche Rückstände ausgeglichen sind. Weitere Tranchen der verbleibenden 16,1 Mrd. Euro, die für Athen reserviert sind, werden somit ausgesetzt.Am Ende eines monatelangen Prozedere könnte dann zwar auch noch das Ergebnis stehen, dass der IWF-Vorstand Athen den Zugang zu den finanziellen Ressourcen des Fonds und auch die technische Unterstützung streicht – und sogar ein Verlust der Stimmrechte und ein Ausschluss sind möglich. Wie IWF-Offizielle in Washington bestätigen, ist allerdings kaum anzunehmen, dass es jemals so weit kommt. Tatsächlich will Lagarde demnach Athen alle Möglichkeiten offenhalten und zunächst das Ergebnis des Referendums am 5. Juli abwarten, ehe über weitere Schritte nachgedacht wird. Wie reagieren die EU-Partner?Aus Sicht der Europäer erzwingt der griechische Zahlungsverzug beim IWF indes eine Entscheidung, wie man sich als europäischer Gläubiger Griechenlands verhält. Wie EU-Beamte erläutern, wird die EU-Kommission, die eine betreuende Funktion für die bilateralen Kredite von EU-Staaten an Hellas innehat, umgehend alle betroffenen Regierungen informieren, sobald die Frist abgelaufen und die IWF-Rate nicht getilgt worden ist – also wahrscheinlich am heutigen Mittwochmorgen.Anschließend empfiehlt sie eine geeignete Vorgehensweise zur Abstimmung. Dabei stehen drei Optionen zur Auswahl: Die europäischen Gläubiger könnten erstens ihre Ansprüche verfallen lassen – das darf man guten Gewissens ausschließen. Zweitens könnten sie ihre Forderungen sofort fälligstellen. Auch diese Möglichkeit wird wohl nicht ergriffen. Deshalb entscheiden sich die EU-Regierungen wahrscheinlich für die dritte Option: Sie bekräftigen formell ihre Ansprüche (“reservation of rights”) und halten sich damit die Chance offen, die Rückzahlung der Kredite zu einem späteren Zeitpunkt einzufordern. Parallel zur EU-Kommission muss auch der Euro-Rettungsschirm seine gemeinschaftlichen Darlehensansprüche gegenüber Griechenland bestätigen.In Brüssel gehen die EU-Beamten davon aus, dass die Ratingagenturen Griechenland nicht sofort auf zahlungsunfähig (Default) herabstufen. Ein solcher Schritt wird erst dann erwartet, falls Hellas Tilgungen gegenüber privaten Gläubigern versäumt. Auch geht die EU-Behörde nicht davon aus, dass die Handelsorganisation für die Derivatemärkte (ISDA) unmittelbar aufgrund des Zahlungsverzugs beim IWF einen “event of default” feststellt und auf diese Weise Kreditausfallversicherungen auslöst. Allerdings könnte es schon bald zu einer weiteren Verschärfung der Lage für Griechenland kommen. EU-Beamte erinnern daran, dass im Juni, Juli und August alte Kredite von mehr als 9 Md. Euro fällig werden. Was macht die EZB?Letztlich muss auch die Europäische Zentralbank (EZB) entscheiden, wie sie mit dem Zahlungsverzug umgeht. Das gilt aktuell vor allem für die Notfallkredite ELA (Emergency Liquidity Assistance), die die griechische Zentralbank derzeit den Hellas-Banken gewährt – mit Zustimmung des EZB-Rats. Am Sonntag hatte der Rat diese Hilfen weiter verlängert, wenn auch bei knapp 89 Mrd. Euro “eingefroren”. Heute will der Rat erneut darüber beraten.Voraussetzung für ELA ist, dass die Banken grundsätzlich solvent sind. Daran gab es aber bereits zuletzt im EZB-Rat Zweifel, nicht nur bei Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Grund dafür ist auch die enge Verflechtung zwischen Staat und Banken. Mit dem Zahlungsverzug ist die finanzielle Solidität der Institute wie auch die Qualität der hinterlegten Sicherheiten umso fraglicher.EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny sagte der “Wiener Zeitung”, es würden “alle rechtlichen Aspekte” geprüft. Dem Blatt zufolge machte er keinen Hehl daraus, dass es im EZB-Rat unterschiedliche Auffassungen gibt. Als wahrscheinlich gilt aber, dass der Rat die gedeckelten Hilfen zumindest bis Sonntag gewährt. Neben einem Stopp wäre eine Option, zumindest die Abschläge (Haircuts) auf die Sicherheiten zu erhöhen. Die Banken müssten dann nachlegen. Aber bereits das könnte sie vor existenzielle Probleme stellen.