GRIECHENLAND HÄLT EUROZONE IN ATEM

Athen lotet seine letzte Chance aus

Griechenland stellt beim ESM Hilfsantrag für drei Jahre - EZB verlängert Notliquiditätshilfe

Athen lotet seine letzte Chance aus

Griechenlands Regierung wahrt ihre Chance auf weitere Hilfen der Kapitalgeber. Sie stellte gestern den Antrag auf ein dreijähriges Hilfsprogramm. Zuvor hatten die Euro-Partner signalisiert, dass am Sonntag die letzte Frist auslaufe. Die Europäische Zentralbank verlängerte unterdessen die Notfall-Liquiditätshilfe für Griechenlands Banken. Sie bleiben aber zunächst weiterhin geschlossen.fed/ms/wf Brüssel/Frankfurt/Berlin – Der griechische Premier Alexis Tsipras erklärte gestern in einer Rede vor dem EU-Parlament, dass seine Regierung kompromissbereit sei. Zugleich allerdings wiederholte er bekannte Positionen und Schuldzuweisungen – und blieb sehr vage, wenn es um Reform- und Sparzusagen seiner Regierung ging.Der Euro-Rettungsschirm bestätigte mittags den Eingang eines Antrags aus Athen. In dem Schreiben bittet Griechenland um ein dreijähriges Hilfsprogramm, beziffert dabei aber nicht den Finanzbedarf. Am heutigen Donnerstag soll eine Konkretisierung folgen, in der die Gegenleistungen der Griechen im Detail dargestellt werden sollen.Der ESM bat gestern den Internationalen Währungsfonds um Hilfe bei der Frage, ob die griechischen Schulden tragfähig sind. Die Antwort ist wichtig, um zu entscheiden, ob der Notfonds Hellas weiter Kredite gewähren kann. Der ESM fragte daneben bei EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) an, ob Griechenland ein Risiko für die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt darstelle. Das ist Voraussetzung für die Gewährung eines Hilfsprogramms. Griechenlands Finanzstabilität und Schuldentragfähigkeit müssten innerhalb von drei Tagen bewertet werden, damit die Euro-Regierungschefs bei ihrem Zusammentreffen am Sonntag beurteilen können, ob sich die Aufnahme intensiver Verhandlungen lohnt.Die griechischen Banken werden zunächst weiterhin geschlossen bleiben – nach Agenturangaben bis mindestens nächsten Montag. Der Rat der EZB verlängerte gestern die für die Kreditinstitute lebenswichtigen Notfallkredite ELA, wie aus Notenbankkreisen verlautete. Das Gesamtvolumen blieb demnach erneut unverändert. Es liegt damit bei knapp 89 Mrd. Euro. Der EZB-Rat will nun am Montag erneut beraten, hieß es – am Tag nach dem geplanten EU-Sondergipfel. In Notenbankkreisen hieß es, dass der EZB-Rat aber auch früher beraten könnte – falls nötig.Die Euro-Hüter beobachten genau, wie sich die Gespräche zwischen Athen und den Geldgebern rund um den neuen Hilfsantrag entwickeln. Vorigen Montag hatte der Rat die Abschläge (Haircuts) auf die Sicherheiten verschärft, die die Banken hinterlegen müssen – und damit den Druck erhöht. Die Notenbank erwartet, dass der verbliebene ELA-Puffer bei den aktuellen Einlageabflüssen ausreicht, damit die Banken bis Sonntag nicht in Probleme geraten. Berlin rüstet sich für alle FälleDie Bundesregierung in Berlin erwartet eine Lösung bis Sonntag. Andernfalls werde sie über andere Möglichkeiten nachdenken. Dies machte der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor der Presse in Berlin deutlich. Dabei ist Berlin auch auf das mögliche Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone eingestellt. Die Bundesregierung sei auf alle “denkmöglichen Entwicklungen” vorbereitet, sagte der Sprecher Schäubles. In der CSU gärt es unterdessen. Der Vorsitzende des Bundestagswirtschaftsausschusses, Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, riet gestern Morgen der Kanzlerin im Fernsehsender ZDF: “Schluss machen. Schluss. Aus.” Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich in München noch hoffnungsvoll, eine Lösung zu finden. Sein Finanzminister Markus Söder sieht dagegen kaum noch eine Alternative zum Ausscheiden von Hellas aus der Gemeinschaftswährung.Unterdessen sprachen sich die Wissenschaftler des Kronberger Kreises dezidiert für den Austritt Griechenlands aus der Währungsunion aus. “Nachgeben gegenüber der griechischen Forderung nach neuen Krediten oder einem Schuldenerlass ohne Bedingungen gefährdet die Zukunft der Währungsunion”, warnten die Ökonomen. “Ein Austritt Griechenlands bedroht die Währungsunion bei weitem nicht in gleichem Maße.”Die Wissenschaftler sehen in einem solchen Schritt auch keine weitreichendere Bedrohung. “Mit dem Austritt Griechenlands scheitert weder der Euro noch Europa”, stellten sie fest. Dem Kreis gehören sechs Wirtschaftsprofessoren an: Lars Feld, Clemens Fuest, Justus Haucap, Heike Schweitzer, Volker Wieland und Berthold Wigger.