UNTERM STRICH

Auf der Zielgeraden zum Quantitative Easing

Börsen-Zeitung, 6.9.2014 Eine der Lehren der Finanzkrise war, dass sich die Finanzwelt nie wieder von der Realwirtschaft abkoppeln dürfe. Dass das Rad, das an den Märkten gedreht wird, sich nicht mit immer höheren Drehzahlen verselbständigen dürfe....

Auf der Zielgeraden zum Quantitative Easing

Eine der Lehren der Finanzkrise war, dass sich die Finanzwelt nie wieder von der Realwirtschaft abkoppeln dürfe. Dass das Rad, das an den Märkten gedreht wird, sich nicht mit immer höheren Drehzahlen verselbständigen dürfe. Die Banken haben diese Lektion lernen müssen: Deleveraging.Nur für eine Bank, so lernen wir dieser Tage, gilt das alles nicht: Für die Europäische Zentralbank (EZB). Dort ist gezielte Bilanzaufblähung angesagt, und zwar zur Not mit denselben problematischen Assets, die schon seinerzeit zu den Auslösern und Beschleunigern der Finanzkrise zählten, nämlich Asset Backed Securities (ABS) und Covered Bonds. Auf des Steuerzahlers RückenWo liegt der Unterschied zwischen damals und heute? Als seinerzeit die aufgeblähten Märkte für diese Schrottpapiere kollabierten, mussten die Banken von alten und neuen Eigentümern und am Ende vor allem vom Steuerzahler gerettet werden. Damit in Zukunft nicht wieder zuerst der Steuerzahler für Bankenschieflagen bluten muss, wurden die Institute mit einer Vielzahl von Regulierungen überzogen, werden künftig zunächst Eigentümer und bestimmte Gläubiger in Haftung genommen. Zu Recht. Umso unglaublicher ist es, dass die EZB nun ebensolche Wertpapiere in großem Stil den Banken abkaufen und in ihre eigene Bilanz aufnehmen will, für die dann wieder niemand anderer als der Steuerzahler in der Haftung steht. Und es ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten, dass die dafür Verantwortlichen, mit EZB-Präsident Mario Draghi an der Spitze, dem Steuerbürger Eurolands weismachen wollen, dies sei konjunkturpolitisch geboten, diene der Deflationsabwehr und überhaupt dem Wohle aller.Die EZB hat endgültig ihr Mandat überzogen, indem sie faktisch ins Quantitative Easing einsteigt und damit Fiskalpolitik für die Eurozone betreibt. Auf das geldpolitische Feigenblatt der abermaligen Zinssenkung hätte Draghi auch gut verzichten können, denn mit ihrem zinspolitischen Instrumentarium stand die Notenbank schon vor der Senkung um zehn Basispunkte auf 0,05 % für alle sichtbar nackt da. Konjunkturell bewirken wird dieser finale Schritt so wenig wie der vorherige, weil es eben nicht am Zinsniveau liegt, dass Deutschlands Wachstumskräfte erlahmen und die Wirtschaft in Frankreich sowie Italien nicht auf die Beine kommt.Nach diesem zinspolitischen Offenbarungseid geben sich Draghi und die EZB nun der Illusion hin, mit groß angelegtem Ankauf von ABS und Covered Bonds – die Rede ist von einem Volumen von 500 Mrd. Euro in drei Jahren – die Wirtschaft Eurolands ankurbeln zu können. Doch befeuert wird nicht die Realwirtschaft, sondern wieder die Finanzwirtschaft, die sich auf frisches Geld aus dem Verbriefungsmarkt freut. Banken werden alles, was sie noch an Schrottpapieren in ihren Bilanzen haben, freudig an die EZB reichen und neue Pakete schnüren. Zwar will man dem im Eurotower vorbeugen, indem angeblich nur 25 % einer Emission gekauft werden sollen. Doch mit solchen Limits wird man das Volumenziel kaum erreichen. Schon beim letzten Covered-Bond-Programm mit Zielvolumen 40 Mrd. Euro wurden nur 16 Mrd. Euro geschafft. Auch die regionale Verteilung spricht nicht für einen Erfolg der Ankäufe. Das Gros der Hypothekenverbriefungen am Markt sind nämlich niederländische RMBS (Residential Mortgage Backed Securities). Aber glaubt denn wirklich jemand, dass institutionelle Investoren anstelle der holländischen RMBS nun Immobilienkredite aus beispielsweise Griechenland ins Portfolio packen werden?Die absehbare Folge: Das Ziel des Ankaufprogramms wird mit ABS und Covered Bonds weder quantitativ noch qualitativ erreicht und “muss” folglich auf Staatsanleihen ausgeweitet werden. Voilà! Quantitative Easing nach amerikanischem Vorbild wäre endgültig etabliert. Und zwar ohne eine entsprechende politische Entscheidung geschweige denn Diskussion, sondern im Zuge sich scheinbar zwangsläufig ergebender EZB-Maßnahmen. Draghis KalkülWer glaubt, dass die jüngsten Ankündigungen der EZB purem Aktionismus eines von der Politik unter Druck gesetzten Notenbankpräsidenten entspringen, der irrt. Sie offenbaren strategisches Kalkül. Denn im Eurotower weiß man, dass die Inflationszahlen ihren Tiefpunkt erreicht haben dürften, folglich das Argument der Deflationsbekämpfung für die zusätzlichen außergewöhnlichen Maßnahmen bald nicht mehr zieht. Die Inflationserwartung war zwar im August auf Basis der gehandelten Inflationsswaps etwas weniger fest verankert und ist zeitweilig unter die Marke von 2 % gerutscht. Doch die Märkte im Sommer sind sehr dünn, und für die in Umfragen ermittelte Inflationserwartung spielen andere Parameter wie die zu erwartende Lohnrunde eine größere Rolle.Die EZB musste also jetzt das Zeitfenster nutzen, wollte sie die Tür zu QE noch aufstoßen. Auch deshalb, weil die Oktober-Sitzung in Neapel stattfindet und die Ankündigung des QE-Programms durch Draghi in seinem Heimatland zu noch größerem Unmut in Deutschland hätte führen können. Denn schon jetzt lässt sich nur schwer der Eindruck vermeiden, dass es sich um eine konzertierte Aktion handelt, mit der die EZB die von Frankreich und Italien angestrebte Aufweichung der haushaltspolitischen Auflagen flankiert.Im Frankfurter Eurotower wäre man gut beraten, nicht nur ökonomische Daten auszuwerten, sondern auch die jüngsten und noch kommenden Ergebnisse deutscher Landtagswahlen. Der Aufwind für die eurokritische AfD hat nicht mit verbotenen Glühbirnen oder gedrosselten Staubsaugern zu tun. Er hängt direkt mit der immer ungenierteren Ausweitung der Gemeinschaftshaftung zusammen, wie sie sich jetzt durch die Bilanzverlängerung der EZB in neuer Dimension abzeichnet, und für die es keine demokratische Legitimation gibt. Es sollte der EZB nicht egal sein, wenn im größten Euro-Land das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung und in die sie tragende Institution noch weiter sinkt.c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringDie EZB nimmt Risiken aus den Bankbilanzen und reicht sie über die eigene Bilanz an den Steuerzahler weiter.——-