NOTIERT IN MADRID

Aufsichtsbehörde unter Verdacht

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist ohne Zweifel ein Musterschüler in den Augen seiner ausländischen Kollegen, wie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ohne Widerworte hat er alle Reformen und Sparmaßnahmen im Lande umgesetzt, die ihm von...

Aufsichtsbehörde unter Verdacht

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist ohne Zweifel ein Musterschüler in den Augen seiner ausländischen Kollegen, wie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ohne Widerworte hat er alle Reformen und Sparmaßnahmen im Lande umgesetzt, die ihm von den wohlmeinenden Leuten in Berlin, Brüssel und Washington, auf deren Geld er angewiesen ist, empfohlen werden, auch wenn es seinen Landsleuten nicht unbedingt schmeckt. Gerade erst hat die Troika der spanischen Regierung bei der Umsetzung der Auflagen des Bankenrettungsschirms ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Rajoy hat jedoch auch eine Reform auf den Weg gebracht, um die ihn niemand gebeten hat und die in Brüssel sehr argwöhnisch betrachtet wird. Am Montag nahm der neue Wettbewerbshüter, die Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia (CNMC), offiziell die Arbeit auf. Spanien hat die bisherigen sektoralen Aufsichtsbehörden für Telekommunikation, Post, Energie und allgemeinen Wettbewerb zu einer einzigen Behörde verschmolzen.Das Projekt stand von Anfang an unter dem Verdacht, dass Rajoys konservative Volkspartei (PP) die politische Kontrolle über die Aufsicht der Wirtschaft erlangen wollte. Denn die Chefs und andere Vorstände der Behörden, die nun verschwunden sind, waren hauptsächlich von der sozialistischen Vorgängerregierung ins Amt bestellt worden, und das für mehrere Jahre. Mit der Gründung der CNMC konnte die PP nun ihre Leute an die Spitze der Aufsicht beordern.Die personelle Besetzung der neuen Behörde hat in Spanien reichlich Kritik hervorgerufen, nicht nur bei den Sozialisten, sondern auch unter Wirtschaftsexperten. Die ersten Vorstände wurden vom Ministerrat bestellt. Der Präsident der CNMC, José María Marín Quemada, war zehn Jahre lang Direktor für institutionelle Beziehungen des Erdölkonzerns Cepsa. Die nun eliminierte Aufsichtsbehörde für die Energiebranche (CNE) hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die Preisabsprachen des Oligopols der Tankstellen angeprangert. Nicht wenige Beobachter sprechen dem neuen Oberaufseher die nötige Unabhängigkeit gegenüber der Benzin-Lobby ab.Für noch größeres Aufsehen sorgte die Ernennung von Beatriz de Guindos als Leiterin der Wettbewerbsabteilung. Die Volkswirtin hat zwar reichlich Erfahrung in Regulierungsbehörden, doch ist sie zudem die Nichte von Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Damit aber nicht genug: Guindos ernannte als ihre Stellvertreterin Micaela Arias, die Tochter des Landwirtschaftsministers Miguel Arias Cañete. Nach heftiger Kritik der Öffentlichkeit trat Beatriz de Guindos nur einen Tag nach ihrer Ernennung zurück.Das Projekt der Fusion der Aufsichts- und Regulierungsbehörden stand von Beginn an unter Verdacht. Schon vor dem Wahlsieg im November 2011 hatte der heutige Finanzminister Cristóbal Montoro angekündigt, dass man sich die von den Sozialisten ernannten Marktaufseher vorknöpfen wolle. “Wir werden das Gesetz ändern”, verkündete er. Gerade einmal drei Monate, nachdem die PP an die Macht kam, stellte Rajoys Stellvertreterin Soraya Sáenz de Santamaría die Reform zur Zusammenlegung der Aufsicht vor. Der Gesetzentwurf entsprach dabei im Wesentlichen einer Studie von PricewaterhouseCoopers, die im Auftrag und auf Kosten des Telekommunikationsriesen Telefónica erstellt worden war. Einige Stellen des Textes waren sogar wortwörtlich kopiert, was die Regierung in späteren Versionen natürlich behob.Neelie Kroes, die Vizepräsidentin der EU-Kommission, war mit den Fusionsplänen gar nicht einverstanden. In mehreren Briefen mahnte sie Madrid zu Nachbesserungen und drohte mit Sanktionen. Abgesehen von der Methode der Nominierung der Mitglieder der CNMC macht Brüssel die Tatsache Sorgen, dass weite Teile der Regulierung nun wieder beim Industrieministerium angesiedelt sind. Im Juni erklärte die EU-Kommissarin, dass ihre Experten derzeit überprüfen, ob die Ausstattung und Befugnisse der CNMC mit dem Europarecht konform sind. Seitdem hat man aus Brüssel nichts mehr gehört. Am Donnerstag kommt Kroes nach Madrid und die Sozialisten wollen sie dann mit dem Thema konfrontieren.