Tarifkonflikt

Aufstand der Besserverdiener im National Health Service

Eine Streikwelle erschüttert das britische Gesundheitssystem. Dabei sind es ausgerechnet die am besten bezahlten Kräfte des öffentlichen Diensts, die am härtesten um ihre Pfründe kämpfen.

Aufstand der Besserverdiener im National Health Service

Aufstand der Besserverdiener im National Health Service

Streikwelle erschüttert britisches Gesundheitssystem

hip London

Der Tarifkonflikt im britischen öffentlichen Gesundheitssystem NHS hat an Schärfe gewonnen. Nach den Assistenzärzten sind auch Oberärzte in den Ausstand getreten. Es sind die am besten bezahlten Kräfte des öffentlichen Diensts, die am härtesten um ihre Pfründe kämpfen – ohne große Rücksicht auf das Wohl der Patienten. Das Durchschnittsgehalt eines Oberarzts liegt bei 128.000 Pfund pro Jahr.

Die Lehrergewerkschaften hatten ihre Streiks abgesagt, nachdem ihnen 6,5% mehr Gehalt zugestanden wurden. Die vom Royal College of Nursing organisierten Krankenschwestern gaben sich mit einer Erhöhung von 5% zufrieden. Die in der British Medical Association (BMA) organisierte Ärzteschaft fordert 35% mehr. Das ist weit mehr als ein Inflationsausgleich. Die BMA argumentiert damit, dass die Gehälter ihrer Klientel in den vergangenen 14 Jahren hinter den Einkommen von Anwälten, Architekten und Finanzberatern zurückgeblieben seien. Nun will sie die von ihr ermittelten Reallohnverluste seit 2008/09 auf einen Schlag wieder wettmachen.

„Es gibt absolut keine Rechtfertigung dafür, dass die Gehälter von einigen von Großbritanniens hochrangigsten Ärzten nicht mit denen vergleichbarer Berufsgruppen Schritt gehalten haben“, sagte der bei der BMA für die Belange von Oberärzten zuständige Funktionär, Vishal Sharma. Die ständische Vereinigung empfahl ihren Mitgliedern, sich während der Streiktage „wohlverdiente Ruhe und Erholung“ zu gönnen. Viele dürften es lukrativer finden, in dieser Zeit mehr Privatpatienten zu behandeln.

Der fünftägige Streik der Assistenzärzte hatte zur Folge, dass in England mehr als 100.000 Krankenhaustermine und -behandlungen abgesagt werden mussten. Hinzu kamen knapp 1.200 Termine für psychisch Kranke und Menschen mit Lernbehinderungen, die nicht stattfinden konnten. Seit Beginn der Arbeitskampfmaßnahmen Ende vergangenen Jahres fielen bereits um die 750.000 Termine und -behandlungen aus. Die Assistenzärzte hatten es vorgezogen zu streiken, obwohl die Regierung ein Angebot vorgelegt hatte, durch das ihr Einstiegsgehalt auf mehr als 40.000 Pfund pro Jahr gestiegen wäre. Das britische Durchschnittseinkommen von Vollzeitbeschäftigten lag im vergangenen Jahr bei 33.000 Pfund. Assistenzärzte verdienen beim Berufseinstieg derzeit ein Grundgehalt von knapp 30.000 Pfund pro Jahr. Berücksichtigt man Überstunden- und sonstige Zuschläge, sind es dem Gesundheitsministerium zufolge aber eher 38.000 Pfund.

Geringere Neuverschuldung

Unterdessen teilte das Statistikamt ONS mit, dass die öffentliche Neuverschuldung im Juni um 0,4 Mrd. Pfund unter dem Wert des Vorjahresmonats lag. Darin spiegelten sich höhere Steuereinnahmen und geringere Zinskosten wider. Die Neuverschuldung lag bei 18,5 Mrd. Pfund. Volkswirte hatten im Schnitt 22,0 Mrd. Pfund auf der Rechnung.

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