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Autostrade-Chef Castelucci unter Druck

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 16.8.2018 Der italienische Transport- und Verkehrsminister Danilo Toninelli hat am Mittwoch die Führung des Betreibers der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua zum Rücktritt aufgefordert....

Autostrade-Chef Castelucci unter Druck

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDer italienische Transport- und Verkehrsminister Danilo Toninelli hat am Mittwoch die Führung des Betreibers der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua zum Rücktritt aufgefordert. Autostrade soll auch die Lizenz zum Betrieb der gebührenpflichtigen Autobahn A10 entzogen werden. Die Strafzahlungen werden bis zu 150 Mill. Euro ausmachen. “Autostrade per l’Italia war nicht in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Verwaltung der Infrastruktur zu erfüllen”, sagte Toninelli dem staatlichen Sender Rai 1. Von Autostrade kam bislang keine offizielle Reaktion. Angeblich sollen Atlantia-Chef Giovanni Castelucci und Präsident Fabio Cerchiai keine Absicht haben, sich von ihren Ämtern zurückzuziehen. Nächste Woche soll eine Verwaltungsratssitzung einberufen werden. Der 59-jährige Giovanni Castelucci hat seine Karriere nach dem Ingenieurstudium an der Universität von Florenz und nach Wirtschaftsabschluss (MBA) an der Mailänder Bocconi-Universität bei der Boston Consulting Group begonnen. Als Berater war er in Paris, später dann in Mailand tätig. 2001 bot ihm Italiens größter Teigwarenhersteller Barilla den CEO-Posten an. Wenige Jahre später wurde er von Gilberto Benetton, Präsident der Familienholding Edizione, abgeworben, um als Generaldirektor bei Autostrade einzusteigen. Der damalige Autostrade-Chef Vito Gamberale hatte sich gegen eine Fusion mit der spanischen Abertis eingesetzt, Castelucci war dafür. Als 2006 Gamberale von seinem CEO-Posten zurücktrat, wurde Castelucci Chef des größten italienischen Autobahnbetreibers und der Muttergesellschaft Atlantia. Er gab eine rasante Expansionspolitik mit Beteiligungen an Flughäfen, ausländischen Autobahnen und schließlich der Übernahme von Abertis gemeinsam mit Hochtief und ACS vor. In den vergangenen Jahren wurde zunehmend Kritik an dem angeblich zu schnellen Wachstum des Infrastrukturkonzerns laut. Luciano Benetton, Gründer des Modekonzerns Benetton Group, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Industrietätigkeiten den Dienstleistern vorzog. Doch Atlantia hat in den vergangenen beiden Jahren 10 Mrd. Euro Dividende ausgeschüttet, während Benetton schon seit Jahren keine Dividende mehr zahlt. Auch deshalb ist der sieben Jahre jüngere Bruder von Luciano, Gilberto Benetton, zum starken Mann im Konzern aufgestiegen. Gilberto hatte seine Ambitionen auf den Infrastruktursektor konzentriert.Zweifellos wirft der Brückeneinsturz auch einen Schatten auf die Konzernpolitik der Benettons. Vorerst hieß es, dass das Unternehmen die nötigen Erhaltungsinvestitionen umgesetzt habe und sich keiner Schuld bewusst sei. Anleger scheinen angesichts des Kurssturzes der Atlantia-Aktie daran zu zweifeln. Fraglich ist, ob die Benettons weiterhin am Übernahmeprojekt von Abertis festhalten und inwieweit sie sich beim deutschen Baukonzern Hochtief engagieren werden. Castelucci hat wissen lassen, dass Atlantia-Autostrade keine Schuld am Brückeneinbruch gegeben werden könne. In Genua wird indes seit Jahren über mögliche Konstruktionsfehler bei der Brücke gemunkelt. Ein Alternativprojekt wurde bereits präsentiert.