FED

Autosuggestion ohne Orakel

Der legendäre US-Notenbankchef Alan Greenspan setzte während seiner Zeit an der Spitze der Federal Reserve Bank bewusst darauf, mit Erklärungen zur Geldpolitik möglichst vage zu bleiben. "Wenn Sie glauben, mich verstanden zu haben, dann habe ich...

Autosuggestion ohne Orakel

Der legendäre US-Notenbankchef Alan Greenspan setzte während seiner Zeit an der Spitze der Federal Reserve Bank bewusst darauf, mit Erklärungen zur Geldpolitik möglichst vage zu bleiben. “Wenn Sie glauben, mich verstanden zu haben, dann habe ich mich falsch ausgedrückt”, erklärte er den Beobachtern der Fed einmal. “Ich weiß, dass Sie glauben, Sie wüssten, was ich Ihrer Ansicht nach gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher, ob Ihnen klar ist, dass das, was Sie gehört haben, nicht ist, was ich meinte.” Wer wollte da noch widersprechen? Als undurchdringliches Orakel verteidigte Greenspan seinen Handlungsspielraum und trainierte die Marktteilnehmer gleichzeitig in der Kunst der Selbstbeeinflussung – der Autosuggestion.Die Ära von Greenspan ist 2006 zu Ende gegangen, die Autosuggestion haben die Märkte aber nicht verlernt. Das wurde am Dienstag erneut unter Beweis gestellt, als US-Notenbankchef Jerome Powell bei einer Konferenz in Chicago erklärte, dass die Fed die Verhandlungen der US-Regierung über ihre Handelsbeziehungen genau beobachte und “wie immer” angemessen handeln werde, um den Aufschwung der US-Volkswirtschaft zu stützen. Kurz darauf liefen Eilmeldungen über die Ticker, dass die Fed Bereitschaft für Zinssenkungen signalisiert habe. Die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihen rutschte um 5 Basispunkte ab, während zehnjährige Treasuries ihre Verluste gutmachten. Der S&P 500 und der Dow Jones Average Index kletterten jeweils um mehr als 2 % und verzeichneten den besten Tag in den vergangenen fünf Monaten. Am Mittwoch setzte sich der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten fort.Ohne Zweifel erhöht eine Eskalation der Handelskonflikte die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed demnächst zum ersten Mal seit 2008 die Zinsen senken wird. Sollte die US-Regierung nächste Woche wie angedroht Zölle auf Importe aus Mexiko erheben und bald auch Abgaben auf Einfuhren aus China mit einem Volumen von noch einmal 300 Mrd. Dollar anheben, werden die Bremsspuren dieser Manöver nicht lange auf sich warten lassen. Noch ist es allerdings nicht so weit, wie auch die überraschend starken Daten des US-Einkaufsmanagerindex ISM für Mai zeigen.Die Aussagen von Powell liefern keinen Hinweis, dass die Fed ihre Haltung geändert hat, auch wenn das Adjektiv “geduldig” in der Beschreibung des geldpolitischen Kurses am Dienstag fehlte. Wer dem Notenbankchef in Chicago etwas länger zuhörte, konnte ihn übrigens über die Risiken dauerhaft niedriger Zinsen reden hören.