Autozölle wegen Brexit sollen drei Jahre warten
Autozölle wegen Brexit sollen warten
EU-Kommission schlägt verlängerte Übergangsfrist bis Ende 2026 vor – Autoindustrie: Gerade noch rechtzeitig
Erleichterung in der Autobranche in der Europäischen Union und Großbritannien: Auf den letzten Drücker spricht sich die EU-Kommission dafür aus, bevorstehende Zölle um drei Jahre zurückzustellen. Branchenvertreter dringen auf Zustimmung von EU-Staaten und britischer Seite, weil viel Geschäft auf dem Spiel steht.
rec/hip Brüssel/London
Zölle auf E-Autos infolge des Brexits sollen für drei weitere Jahre aufgeschoben werden. Das schlägt die EU-Kommission vor, die Mitgliedstaaten müssen dem zustimmen. Damit kommt sie Appellen der Autobranche nach, deren mit Abstand größer Absatzmarkt außerhalb der Europäischen Union das Vereinigte Königreich ist.
Wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU gelten ab 1. Januar 2024 eigentlich neue Zollregeln. Auf Pkw würde beidseits ein Zoll von 10% fällig, wenn sie nicht überwiegend aus heimischer Wertschöpfung kommen. Der Branchenverband Acea warnt seit Monaten vor gravierenden Folgen: Bis 2027 würden hochgerechnet knapp eine halbe Million weniger E-Autos exportiert, Milliardenumsätze und Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.
Förderung für Batteriewerke
Ein wesentliches Problem für die Hersteller ist, dass es nicht genügend Produktionskapazitäten für Akkus gibt. Der Hochlauf der Batterieproduktion ist denn auch zentrales Beiwerk des Kommissionsvorschlags. Ausgewählten Batterieherstellern stellt die Behörde bis zu 3 Mrd. Euro zusätzlich an Fördergeld in Aussicht. Auch das steht unter dem Vorbehalt einer Mehrheit unter den EU-Staaten.
Aus der Branche kommt Erleichterung. Der Vorstoß komme gerade noch rechtzeitig, heißt es beim deutschen Autoverband VDA. Europa habe etwas Zeit gewonnen, die eigene Batterielieferkette auf- und auszubauen und die Anforderungen für zollfreien Handel zu erfüllen. „Diese Entscheidung ist richtig und ein Gewinn für Klima, Industrie und Verbraucher“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Der Vorschlag müsse nun schnellstmöglich von den EU-Staaten und dem Vereinigten Königreich umgesetzt werden.
Mike Hawes vom britischen Pendant SMMT sekundiert: „Den Vorschlag der Kommission anzunehmen, wäre eine pragmatische Lösung, mit der die Zukunft der Autoindustrie in der EU und im Vereinigten Königreich gesichert und Autofahrer, Wirtschaft und Umwelt unterstützt würden.“ Das würde den britischen und den EU-Herstellern ermöglichen, mit dem Rest der Welt in den Wettbewerb zu treten, und der europäischen Batteriebranche Zeit geben aufzuholen. „Wir drängen alle Parteien dazu, sich hinter den Vorschlag zu stellen“, sagte Hawes.
Reger Handel
Großbritannien bezieht nach Angaben aus der Branche inzwischen fast die Hälfte aller neuen Elektroautos aus der EU. 2022 exportierten Hersteller laut Acea fast 1,1 Millionen Pkw ins Vereinigte Königreich, mehr als 10% davon E-Autos im Gesamtwert von 5,1 Mrd. Euro. Mehr als jeder fünfte aus der EU exportierte Pkw landete 2022 auf der Insel. In etwa so viel gingen in die USA und nach China zusammen.
Großbritannien ist der zweitgrößte Neuwagenmarkt in Europa. VW hat dem Geschäftsführer ihrer britischen Tochter zufolge einen Marktanteil von gut einem Fünftel. Alle drei Marken von BMW – BMW, Mini und Rolls-Royce Cars – produzieren im Vereinigten Königreich. Die britischen Hersteller exportieren vier Fünftel ihrer Produktion. Die Hälfte der Ausfuhren gehen in die EU.
Entsprechend groß war die Sorge beim britischen Autoverband SMMT, dass ausgerechnet die Fahrzeuge, die man für den Umstieg auf Elektromobilität unter die Leute bringen wollte, wegen der strengeren Ursprungsregeln im Handel mit der EU 10% teurer werden. Sie sollten greifen, wenn weniger als 45% des Werts des Fahrzeugs aus lokaler Produktion stammt.
Absatz stockt
Die Nachfrage der Briten nach Batteriefahrzeugen hat bereits nachgelassen. Zuletzt trieben gewerbliche Käufer dank großzügiger Steuervorteile die Nachfrage. Private halten sich zurück. Technikbegeisterte und Konsumpioniere haben ihren Bedarf bereits gedeckt. Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und vergleichsweise hohe Preise dämpfen das Interesse der breiten Masse.
Das für 2030 geplante Verkaufsverbot für Verbrenner ist auf 2035 verschoben. SMMT-Chef Hawes fordert staatliche Kaufanreize und Investitionen in Ladesäulen. Im Gespräch sind eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Neuwagen und eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für öffentliches Laden.