Ausbildungsmarkt

Azubi-Mangel erreicht Höchststand

Der Azubi-Mangel erreicht einen neuen Negativrekord. Jedes zweite Unternehmen findet nicht genügend Lehrlinge. Für die Fachkräftesicherung in Deutschland verheißt das nichts Gutes.

Azubi-Mangel erreicht Höchststand

Azubi-Mangel erreicht Höchststand

DIHK: Jeder zweite Ausbildungsbetrieb findet nicht genug Lehrlinge – Unternehmen werden aktiv

Jeder zweite Ausbildungsbetrieb hat laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer Probleme, alle Lehrstellen zu besetzen. Einige erhalten gar keine Bewerbungen. Für die Fachkräftesicherung verheißt das nichts Gutes. Doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung auf Entspannung am Ausbildungsmarkt.

ast Frankfurt

Der deutsche Ausbildungsmarkt gerät zunehmend in Schieflage. Fast jedes zweite Unternehmen kann nicht alle Lehrstellen besetzen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach klagten 47% der Betriebe über einen Azubi-Mangel. 37% dieser Firmen haben der Umfrage zufolge keine einzige Bewerbung erhalten. Für den Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird, verheißt das nichts Gutes.

Generation im Suchmodus

Wie aus der Online-Befragung der DIHK hervorgeht, konnten nur 53% der Ausbildungsbetriebe alle Lehrstellen besetzen. Der Azubi-Mangel erreicht damit ein neues Allzeithoch (siehe Grafik). Laut DIHK blieben bei mehr als 30.000 Betrieben Bewerbungen ganz aus.

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Die Gründe dafür sehen die DIHK-Experten vor allem im demografischen Wandel. „Die Jahrgänge dünnen immer weiter aus“, beklagt Achim Dercks, DIHK-Hauptgeschäftsführer. Vor zehn Jahren gab es rund 100.000 Schulabgänger mehr als heutzutage. Gleichzeitig gehen die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, in Rente. Dem DIHK zufolge verlassen bald 400.000 Beschäftigte mehr den Arbeitsmarkt, als neue hinzukommen. Außerdem wüssten junge Menschen oft nicht direkt nach der Schule, welche Richtung sie beruflich einschlagen wollten.

Die Schieflage am Ausbildungsmarkt zeigte sich zuletzt auch in Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Den Wiesbadener Statistikern zufolge stagnierte die Zahl neu geschlossener dualer Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr auf einem historisch niedrigen Niveau. Wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte, waren Mitte August noch 228.000 Lehrstellen unbesetzt. Nicht nur, dass es zu wenige Bewerber gibt. Viele Jugendliche finden trotz der vielen offenen Stellen keine passende für sich.

Die mangelnde berufliche Orientierung ist ein großes Problem für den Ausbildungsmarkt. Zuletzt forderte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, anlässlich einer steigenden Jugendarbeitslosigkeit und der Schieflage am Ausbildungsmarkt eine bessere Berufsvorbereitung in Schulen. Laut DIHK wollen auch die Unternehmen ihre Anstrengungen mehrheitlich intensivieren, um dem Azubi-Mangel entgegenzuwirken. Laut Umfrage bieten knapp zwei Drittel der Betriebe zusätzliche Praktikumsplätze an, um Interessierten einen ersten Einblick zu gewähren.

Auch das Veranstaltungsangebot steigt und immer mehr Betriebe nutzen digitale Möglichkeiten zur Anwerbung von Auszubildenden. „Viele Unternehmen strengen sich sehr an, Nachwuchskräfte zu finden und an sich zu binden“, lobt DIHK-Experte Dercks. „Die Bedürfnisse der Azubis stehen dabei immer häufiger im Vordergrund.“

Kleiner Hoffnungsschimmer

Und die haben sich geändert. Statt der Arbeitsplatzsicherheit wie früher gibt es inzwischen Kriterien, die von Lehrlingen deutlich höher priorisiert werden. Die Betriebe versuchen darauf einzugehen. 62% der Ausbildungsbetriebe haben ihre Hierarchien laut Umfrage flacher gestaltet. Die Antworten zeigen eine Verschiebung vom einstigen „Lehrling“ hin zum „Team-Mitglied“ ab dem ersten Tag, heißt es in der Umfrage. Jedes zweite Unternehmen hat zudem die IT-Ausstattung für seine Azubis verbessert. Mehr als vier von zehn Unternehmen berichten zudem von finanziellen Anreizen für Nachwuchskräfte.

Trotz der mauen Umfragedaten gibt sich Dercks vorsichtig optimistisch: „Das Engagement der Unternehmen lohnt sich.“ Wie die Industrie- und Handelskammern (IHKs) jüngst meldeten, könne die Wirtschaft hoffen. Bis Ende Juli wurden knapp 207.000 neue Ausbildungsverträge im IHK-Bereich gezählt – 3,7% mehr als im Juli 2022. „Das ist ein Silberstreif am Horizont, aber noch lange keine Entspannung.“ Die Bundesregierung will durch erleichterte Zuwanderung (siehe Bericht auf dieser Seite) für etwas Entspannung am Arbeitsmarkt sorgen.

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