Bank of England enttäuscht Zinshoffnungen

Wachstumsprognose auf Finanzkrisenniveau gesenkt - Carney beklagt "Nebel der Brexit-Ungewissheit"

Bank of England enttäuscht Zinshoffnungen

hip London – Die Bank of England hat im Protokoll der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Komitees (MPC) keinen Anlass zu Hoffnungen auf eine baldige Fortsetzung der Zinswende gegeben. Wie dem Dokument zu entnehmen ist, stimmten die Mitglieder des Gremiums einstimmig dafür, den Leitzins auf 0,75 % zu belassen – gerade einmal 50 Basispunkte über dem historischen Tief. Der zur Ankurbelung der Konjunktur zusammengekaufte Anleihebestand wurde unverändert beibehalten. “Das britische Wirtschaftswachstum hat sich Ende 2018 verlangsamt und scheint sich Anfang 2019 weiter abgeschwächt zu haben”, heißt es im Protokoll. “Diese Verlangsamung spiegelt vor allem die schwächere Wirtschaftsaktivität im Ausland und größere Auswirkungen der Ungewissheiten rund um den Brexit auf dem Heimatmarkt wider.”Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, verwies in seiner Pressekonferenz auf den “Nebel der Brexit-Ungewissheit”. Die Notenbank werde jedoch, “egal bei welchem Wetter”, alles tun, um den Preisauftrieb nahe an ihrem Ziel von 2,0 % zu halten. Die Volkswirte der Notenbank senkten ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr von 1,7 % auf 1,2 %. So schwach hatte sich die britische Wirtschaft zuletzt in den Zeiten der Finanzkrise entwickelt. Für das kommende Jahr haben die Zentralbank-Ökonomen nur noch einen Zuwachs von 1,5 (zuvor: 1,7) % auf der Rechnung. Die Stimmung im britischen Dienstleistungsgewerbe hatte sich im Januar unerwartet stark eingetrübt. Der Markit/CIPS-Einkaufsmanagerindex für die dominante Branche fiel von 51,2 Punkten im Dezember auf 50,1 Zähler. Das deutet aus Sicht der Markit-Volkswirte auf eine Stagnation der britischen Wirtschaft im Januar hin.Am Dienstag hatte bereits das Nationale Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR) seine Prognose gesenkt. Für das laufende Jahr erwarten die Volkswirte der renommierten Denkfabrik nur noch ein Wirtschaftswachstum von 1,5 %. Zuvor hatten sie 1,9 % angesetzt. Angesichts der Verlangsamung der Weltwirtschaft und des nachlassenden Rückenwinds durch das schwächere Pfund werde der Außenhandel nicht wesentlich zum Wachstum beitragen, heißt es in der Analyse der NIESR-Ökonomen. Für 2020 haben sie eine Erholung auf 1,7 % auf der Rechnung. Der Preisauftrieb werde wegen der niedrigeren Energiepreise auf kurze Sicht unter dem Inflationsziel der Bank of England von 2,0 % liegen. Allerdings gehen sie weiterhin von einem “weichen” Brexit aus. Nur so lässt sich erklären, dass sie für August einen Zinsschritt von 25 Basispunkten nach oben erwarten. Am Markt sieht man das anders. Galt eine Zinserhöhung in diesem Jahr bis vor kurzem noch als nahezu sicher, wurde bereits vor der gestrigen Mitteilung der Notenbank nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 55 % eingepreist. Lohnwachstum im FokusDie Volkswirte der Citigroup halten dagegen. “Das MPC wird wohl jede Gelegenheit ergreifen, um den Leitzins zu erhöhen”, schrieben sie vor dem gestrigen Zinsentscheid. “Das liegt daran, dass das Lohnwachstum die Erwartungen mittlerweile locker übertrifft und nicht mehr ständig dahinter zurückbleibt (siehe Grafik). Bei den beiden bereits vollzogenen Zinsschritten hat das MPC demonstriert, dass seine Toleranz für eine ultralockere Geldpolitik bei annähernder Vollbeschäftigung Grenzen hat, selbst vor dem Hintergrund der Ungewissheit rund um den Brexit.” Wenn der Brexit tatsächlich stattfinde und dann auch noch in ordentlicher Form, könnte sich die Bank of England erneut auf das Lohnwachstum fokussieren und den Leitzins erhöhen, schrieb Ben Brettell, Senior Economist bei Hargreaves Lansdown, in einer ersten Einschätzung. Allerdings bezifferten Buchmacher die Wahrscheinlichkeit, dass Großbritannien die EU im kommenden Monat wirklich verlässt, auf gerade einmal 30 %. Das MPC gab sich dazu kryptisch: “Die geldpolitische Antwort auf den Brexit, welche Form sie auch annimmt, wird nicht automatisch erfolgen und könnte in beide Richtungen gehen.”